Medienfreiheit sei, auf der Rückseite von Inseraten die News von gestern auf das Altpapier von morgen zu drucken – so böse Zungen. Wie die Familien Ringier (Ringier Holding mit z.B. Blick, Sonntagsblick, ..) und Coninx (TAmedia, mit z.B. Tages-Anzeiger, 20-Minuten, Sonntagszeitung) zeigen, lässt sich auf diese Art einiges an Vermögen erschaffen – beide Familien haben gemäss Bilanz ein Vermögen von mehr als einer Milliarde Franken).
Seit Bundesrat Moritz Leuenberger Anfang November 08 seine ihm vom Gesetz gegebene Aufgabe wahrgenommen hat, die Kommerzsender zu bezeichnen, die in der Region Zürich Radio und Fernsehen über UKW- resp. Fernseh-Kanäle verteilen können, werden sowohl die Politik als auch der nicht berücksichtigte Ringier-Sender Radio Energy nicht müde, die gesamte Sache, also sowohl das Gesetz als auch das Vergabeverfahren, zu kritisieren.
In Analogie zu den gedruckten Medien gilt für Radios, die Sendepausen zwischen Mainstream-Musikkonserven und Werbespots mit möglichst kurzen Infohäppchen zu füllen – Infotainment als Stimulation der HörerInnen für die möglichst uneingeschränkte Wahrnehmung der Werbebotschaften. Und das alles, um im Interesse der RadioeigentümerInnen möglichst viele Werbegelder anhäufeln zu können. Dieser Gewinnmaximierung hat der Gesetzgeber einen sehr wenig einengenden Rahmen vorgegeben. Gemäss Interview von Bundesrat Leuenberger im Tages-Anzeiger vom 15.11.08 geht es unter anderem um die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden, aber auch um die Qualität und die Gestaltung der Informationssendungen.
Gerade in einer Zeit, in welcher immer mehr Medien in Hörigkeit gegenüber dem alternden Milliardär Blocher und der von ihm manipulierten SVP verfallen und deren Polit-Mobbing z.B. gegen die frühere Zürcher Stadträtin Monika Stocker, den früheren Armeechef Roland Nef oder den (bald) früheren SVP- und BDP-Bundesrat Samuel Schmid richtiggehend inszenieren, ist es also wichtig, dass einerseits die Radio-Angestellten gute Arbeitsbedingungen vorfinden, andererseits aber auch, dass die seichten Programme eine Mindestqualität aufweisen. Schliesslich ist Information eine der zentralen Ressourcen für funktionierende Demokratien. Als Beleg dafür: verschiedenste VOX-Analysen zeigen, dass die sachgerechte Information der Stimmberechtigten darüber entscheidet, ob sie ihren Stimmzettel in ihrem Sinn und entsprechend ihren Interessen und Werthaltungen ausfüllen! Damit also auch die Radios ihren Informationsauftrag erfüllen können, braucht es eine Mindestqualität der Informationsgefässe – dies heisst nichts anderes, dass das Ziel der Medienpolitik nicht eine beliebig grosse Zahl von Sendern sein kann, sondern letztlich möglichst wenige Institutionen mit einem klaren Service Publique-Auftrag und einer funktionierenden, demokratischen, internen und externen Qualitätssicherung.
Auch das Internet als neues Medium braucht sehr schnell weitere flankierende Rahmenbedingungen. Zwei Beispiele aus dem tamedia-Bereich sollen dies illustrieren.
Gegen Anfang November fielen nicht nur mir im Online-TA grün geschriebene Wörter auf – hier einige Müsterchen: aktiv, Antwort, Bakterien, Basis, bestätigen, bewahren, Bio, Brennstoff, Dreck, Dusche, Energie, entweder, Erde, Fläche , frisch, Geräte, Gesundheit, gleichzeitig, Haushalt, Health, Hygiene, Kalk, Klimawandel, knapp, Kraft, leisten, nachhaltig, Nachhaltigkeit , Natur, natürlich, oder, Ökologie, ökologisch, Pflanze, pflegen, Produkt, Qualität, sauber, Schutz, schwächen, Sicherheit, sichern, stark, strahlend, Tisch, Umwelt, umweltschonend, verantwortlich, Verantwortung, waschen, Wasser, wirken, Wirkung, Zuckerrohr – auffallend dabei, dass diese Grünfärbung vor allem in den politik- und gesellschaftsnahen Seiten, nicht aber auf den Wirtschafts- und Sportseiten stattfand! Kurz darauf ein neuer Link „Publireportage – WENN WORTE PLÖTZLICH GRÜN WERDEN – Lesen Sie grün – Da steckt wohl mehr dahinter!“ – Werbung für Reinigungsmittel der Firma Henkel! Eine ziemliche Frechheit: da werden mehr oder weniger ökologisch besetzte Wörter zu Worthülsen für eine Werbekampagne gemacht – eine Überprüfung der Aussagen erfordert einiges an Aufwand, ohne zu einer definitiven Beurteilung der Ernsthaftigkeit dieser Aktivitäten zu gelangen. Es ist zu befürchten, dass auch Henkel ökologische Schaumschlägerei (passt ja irgendwie zu Reinigungsmitteln) betreibt.
In den gedruckten Medien wird mit viel Aufwand versucht, die Werbung von den redaktionellen Inhalten zu trennen – in diesem Internet-Beispiel werden die beworbenen Wörter zu Trägern dieser Informationen. Wie stark hat da wohl die Werbeverkaufs-Abteilung Einfluss auf die Schlussredaktion genommen? Bei gewissen Texten kam der Verdacht auf, dass gegen die Regeln des guten Schreibstils zu häufig grün eingefärbte Wörter wiederholt wurden.
Das zweite Beispiel: die Werbung für die Migros-Gratis-Kreditkarte bestimmt das Layout des Tages-Anzeigers – die Werbung ist nicht mehr „Randerscheinung“, sondern die redaktionellen Inhalte werden in die Werbung eingebettet – der Tages-Anzeiger kommt in den „Hausfarben“ der Migros-Gratis-Kreditkarte daher. Die Informationen müssen sich in diesem dominanten Werbeauftritt richtiggehend ein Plätzchen suchen. Werden da RedaktorInnen noch mit der nötigen Distanz über Migros berichten – oder wie lesen sich wohl Informationen zu Coop in diesem Migros-Werbeauftritt?
Wie dürfen Internet-Informationsanbieter Werbung in ihre Angebote integrieren? Gerade bei tages-anzeiger.ch ist die Frage von grosser Bedeutung – ist doch diese Seite Teil von newsnetz.ch! Gemäss Angaben von newsnetz.ch gibt es 1.6 Millionen Unique Clients (also Einzelbenutzerinnen) pro Monat, mehr als jedes andere Online-Newsangebot in der Schweiz! Was newsnetz.ch macht, dürfte irgendwann zum Standard der Internet-Werbung bei Newsangeboten werden.
Nachtrag 28.2.09
„delikate und bisweilen kostspielige Übergangslösungen“, „die heute bereits vorhandenen Frequenzstörungen würden tendenziell noch zunehmen“, das wären die Konsequenzen, wenn das Ringier-Millionär-Unternehmen radio energy seine Kommerzabsichten durchsetzen könnte und doch noch auf dem Platz Zürich eine Werberadio-Lizenz bekäme. Und das soll „grundsätzlich machbar“ sein? Wie schon die Finanzmarktkrise zeigt: Gewinnsucht hat Grenzen, und die werden in diesem Fall sowohl durch die Medienpolitik – es braucht auch Platz für alternative Konzepte wie LORA oder Kultursender wie DRS 2 -, das Gesetz wie die Technik gesetzt.