Der sogenannte Think Tank avenir suisse hat sich schon mehrfach dadurch ausgezeichnet, dass er die falschen Antworten auf die falschen Fragen gibt. Genauso ist es auch mit der neuesten Studie, welche eine gleitende Steigerung des Rentenalters vorschlägt. Einerseits ist die Zahl der Beschäftigten so oder so bereits überreichlich – siehe die steigenden Anteile von Erwerbslosen, andererseits ist die Finanzierung des „Lebensabend“ über Erwerbsarbeit eine Sackgasse.
Die Frage ist also nicht, nicht Avenir Suisse behauptet, „wie finanziert die Schweiz die Altersrenten“, und die Antwort darauf heisst auch nicht „durch eine Verlängerung der Erwerbsarbeitszeit“ – die korrekte Frage lautet: „wie sichert die Schweiz nachhaltig die Existenz der BewohnerInnen“, und die Antwort nach der Finanzierung heisst eher „durch eine Vielzahl von Finanzierungsquellen, möglichst unabhängig von Erwerbsarbeit“.
Anstelle einer Steigerung des Rentenalters ist das bedingungslose Grundeinkommen für alle dringend einzuführen – die Existenzsicherung darf nicht von der Erwerbsarbeit abhängen. Einmal darum, weil viele Arbeit in der Gesellschaft geleistet wird, die nicht als Erwerb gilt. Dann aber auch, weil das aktuelle System der Erwerbsarbeit gekoppelt mit dem (nachweislich untauglichen) „Wohlfahrtsindikator BIP“ völlig falsche Signale setzt – gefördert wird dadurch eine Verschwendungskultur, welche zulasten anderer Weltgegenden und zukünftiger Generationen geht. Zudem ist die heutige Arbeitsweise nicht menschenverträglich, Stichworte wie Burn out, Selbsttötungen im Zusammenhang mit der Erwerbsarbeit oder die Nicht-Integrierbarkeit von SozialhilfebezügerInnen in die Erwerbsarbeitswelt.
Wie hoch soll dieses bedingungslose Grundeinkommen für alle sein? Dies ist in einer gesellschaftlich breiten Diskussion zu klären – es geht dabei allerdings nicht um einen Franken- oder Euro-Betrag, sondern um die „Dienstleistungen“, die damit abgedeckt werden können, z.B. Dach über dem Kopf, Essen, Kleidung, Betreuung, Gesundheit, Aus- und Weiterbildung, Erholung, … Oder anders: was ist erforderlich an bedingungslosen Garantien, damit das Leben lebenswert ist? Dabei geht es sowohl um qualitative wie auch um quantitative Aspekte.
Wie soll dieses bedingungslose Grundeinkommen finanziert werden? Gewisse strukturelle Veränderungen sind sicher erforderlich – macht es beispielsweise Sinn, dass Private oder Unternehmen mit dem Anbieten von Wohnraum hohe Gewinne erwirtschaften können? Oder ist es allenfalls angezeigt, die Wohnungsbewirtschaftung systematisch durch gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften vorzunehmen? Eine stark lenkende Energieabgabe auf alle Energien mit vollständiger Verwendung des Ertrags für die Finanzierung des benötigten Geldanteils des Grundeinkommens ist ein mögliche Quelle, ebenso kann die Tobin Tax auf Devisentransaktionen für das Grundeinkommen Verwendung finden.
Objektiverweise braucht die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle vornehmlich Veränderungen in den Köpfen der Menschen – der Wandel von der (egoistisch geprägten) Orientierung auf ein möglichst hohes Erwerbseinkommen hin zur solidarischen Gewährleistungen der Existenz jedes einzelnen Menschen stellt den Uebergang in ein völlig neues Weltbild dar.
P.S. Dass die avenir suisse-Studie ausgerechnet meinen Jahrgang
als ersten mit dem erhöhten Rentenalter 67 bezeichnet, ist für mich keine Motivation für diesen Text – bereits aus dem Jahr 2004 gibts von mir einen Text zu Erwerb, Konsum und Existenz. Und der Tag Bedingungsloses Grundeinkommen für alle gehört zu den grössten der Seite www.umweltnetz.ch