Eine Untersuchung des Institutes für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen kommt zum Schluss, dass StromkundInnen Strom aus erneuerbaren Quellen wollen. Das Interview von Rolf Sägesser (Verwaltungsratspräsident der EKZ) im Tages-Anzeiger vom 8. März 2008 (City-Bund, nicht in offener elektronischer Form verfügbar) lässt den Schluss zu, dass zumindest einzelne Stromversorger die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben und aus nicht nachvollziehbaren Gründen an der Atomenergie festhalten wollen.
Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich EKZ feiern ihr 100-Jahr-Jubiläum, und sie tun einiges dafür, sich ein grünes Mäntelchen umzulegen – das Stöffchen ist allerdings ziemlich dünn, und bei allen Aktivitäten schimmert durch, wie abhängig die EKZ von den energiepolitischen Vorgaben ihrer Vorlieferanten axpo und NOK ist. Dies ist umso betrüblicher, als es sich bei allen drei Unternehmen über solche der öffentlichen Hand handelt – und die Stimmberechtigten (die die öffentliche Hand letztlich formen) wollen, wenn sie wie in der oben zitierten Untersuchung ehrlich gefragt werden, längst Abschied nehmen von den rückwärtsgewandten Stromproduktionstechniken der Kantonswerke!
Es ist eigenartig, dass das Interview mit Rolf Sägesser im City-Bund des Tages-Anzeigers veröffentlicht wurde. Denn ausgerechnet für die Stromversorgung der Stadt Zürich ist die EKZ nicht zuständig! Hier ist das unmittelbar in die Stadtzürcher Politik eingebundene Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ewz massgebend. Der Stadtrat von Zürich hat in seinen Legislaturschwerpunkten 2006 bis 2010 zur Atomenergie als Massnahme festgehalten: Grundlagen für eine künftige Stromversorgung der Stadt Zürich ohne neue Kernenergieanlagen. Welche energiepolitischen Absichten verfolgt wohl der Tages-Anzeiger, wenn er ein Interview des VR-Präsidenten des kantonalen Stromversorgers EKZ ausgerechnet im Stadtzürcher Bund veröffentlicht?
„Wir müssen alle Energiequellen nutzen„, lautet eine der Aussagen von Herrn Sägesser. Längst bekannt ist, dass die Schweiz und damit auch Bevölkerung und Wirtschaft des Kantons Zürich deutlich übermässig Energie verbrauchen. Die Beurteilung des Nachhaltigkeitsmonitoring MONET des Bundes: Statt von den Zinsen zu leben, zehrt die Schweiz vom Kapital zukünftiger Generationen und anderer Regionen. Wie Instrumente wie der ökologische Fussabdruck (Footprint) zeigen, ist der Überkonsum der Schweiz massiv: um die durchschnittlichen Konsumbedürfnisse der SchweizerInnen abdecken zu können, müssten mehr als 2.5 Planeten zur Verfügung stehen! Es muss also alles daran gesetzt werden, diese übermässige Beanspruchung zu vermindern – zum Beispiel dadurch, dass eben nicht mehr alle möglichen (und unmöglichen) Energiequellen eingesetzt werden. Wie eine seriöse Analyse zeigt, muss die Welt so rasch als möglich ausschliesslich mit erneuerbaren Energien auskommen – als endlicher Rohstoff gehört Uran für den Betrieb von Kernkraftwerken definitiv nicht dazu!
Auch als Beitrag gegen den Mensch gemachten Klimawandel ist die Atomenergie ungeeignet: so haben verschiedene Umweltminister aus EU-Ländern im Oktober 2007 festgehalten, dass sie in der Atomenergie kein Mittel gegen den Klimawandel sehen: „Die Minister unterstrichen ihre Überzeugung, dass eine Steigerung von Energieeinsparungen und Energieeffizienz verbunden mit einer Umstellung auf erneuerbare Energien sowie abgestimmte Anstrengungen zu einer Reduzierung der Entwaldung und der Entwicklung umweltfreundlicher nicht-nuklearer und treibhausgasarmer Technologien der nachhaltigere Weg ist, den Herausforderungen in den Bereichen Klima und Energie zu begegnen.“ Wer behauptet, als Alternative zu Atomkraftwerke gebe es nur zusätzliche fossile Energieträger, betreibt simple Stammtisch-Bequemlichkeits-Polemik, und hat sich mit der gesamten Thematik noch nicht wirklich ernsthaft beschäftigt.
79.01 Prozent des von der EKZ gelieferten Stromes stammten im Jahr 2006 aus Kernenergie (2010: 66.88 %). Dies ist eine direkte Folge der völlig absurden Strommarktliberalisierung in Europa. Die physikalische Stromproduktion und -lieferung wurde vom Stromgeschäft getrennt. So ist es offenbar für die axpo attraktiver, die ökologischen Qualitäten zum Beispiel des Wasserkraftstroms auf dem europäischen Strommarkt für einige Zehntelsrappen pro Kilowattstunde zu verramschen, statt dieses Produkt auf dem Heimmarkt – im übrigen entsprechend den Wünschen der KundInnen!!! – anzubieten. Es wirkt deshalb geradezu zynisch, wenn Herr Sägesser behauptet, das Interesse der Kundschaft an Ökostrom hielte sich in Grenzen. Kunststück, wenn die EKZ zwar tatsächlich Oekostromprodukte anbietet, dieses aber mit fragwürdigen Zertifikaten versieht (statt das in der Schweiz etablierte und von einer breiten Trägerschaft unter Einbezug der Umweltorganisationen unterstützte Label naturemade zu verwenden) und diesen Strom zu Phantasiepreisen anbietet. Statt den KundInnenwünschen entsprechend qualitativ gute Oekostromprodukte zu reelen Konditionen anzubieten, beabsichtigt offenbar die EKZ im Verbund mit der axpo, ein Pseudo-Argument für neue Atomkraftwerke zu basteln.
Es ist eine längst bekannte Tatsache, dass der Regierungsrat des Kantons Zürich anstelle von energiepolitischen Vorgaben im Verhältnis zu EKZ und axpo ausschliesslich Aktionärsinteressen vertritt. Die Praxis der letzten 20 Jahre zeigte, dass diese Politik ausschliesslich auf möglichst tiefe Strompreise ausgerichtet war. Und im Bereich Ökologie und Effizienzsteigerung gehört die EKZ eindeutig zu den Bremsern und nicht zu den Innovationstreibern. Statt die Bedeutung der Schlüsselenergie Strom zu betonen, signalisiert diese Discount-Preispolitik, dass der Kanton dieses Produkt für nicht besonders bedeutungsvoll hält – und offenbar die Verschwendung des begrenzten Energieträgers durchaus im Sinne des Kantons ist. Nur aus dieser Optik kann auch das dumme Geschwätz um eine behauptete Stromlücke nachvollzogen werden.
Gerade die Politik kann erhebliche Auswirkungen auf die Energieversorgung haben. Einen deutlichen Kontrast zu den EKZ bietet das ewz: Ein spezieller Effizienzbonus, der die Energieeffizienzbemühungen von Unternehmen belohnt, ein breites Spektrum unterschiedlicher Stromprodukte mit glaubwürdigen ökologischen Mehrwerten – und die politische Vorgabe, dass das Standard-Stromprodukt für Haushalte erneuerbarer Strom sein müsse. Damit hat die Stadt Zürich klar signalisiert, dass nicht einfach Billigst-Strom gefragt ist, sondern eine nachhaltige Stromversorgung!
Solche Signale gibt es leider aus dem eher undurchsichtigen Geflecht Kanton Zürich – EKZ – NOK – axpo nicht! Und dies ist definitiv weder im Interesse der Stimmberechtigten noch der StromkundInnen.