Geld wurde vor tausenden von Jahren als Tauschmittel eingeführt – und war ein wesentliches Element zur Entstehung von Volkswirtschaften, weil nun nicht nur Waren gegen Waren getauscht werden konnten. Eher neuer ist die Tendenz, Geld als Ware zu betrachten. Die Finanzkrise, von Banken und Versicherungen ausgehend, illustriert, dass es sich dabei allerdings mehr um ein Casino handelt als um einen Beitrag zur Volkswirtschaft und damit zur allgemeinen Existenzsicherung.
Diverse Umstände führen dazu, dass sich sowohl bei Einzelpersonen wie bei Institutionen astronomische Vermögen zusammenhäufen. Diese sind einenteils virtuell, weil sie sich auf die scheinbare Wertsteigerung von Vermögensbestandteilen beziehen (und können damit schnell zu realen und/oder virtuellen Verlusten führen). Häufig handelt es sich dabei um Vermögenswerte, die nicht durch Erwerb, sondern durch generationenlange Vermögensanhäufung entstanden sind, oder die durch Zwangssparen zusammen kommen. Das Schweizerische System der Altersvorsorge etwa führt dazu, dass neben einem Rentensystem ein Vermögenssystem betrieben wird, welches derzeit einen Umfang von über 600 Milliarden Schweizer Franken aufweist – dies entspricht gerade etwa dem Bruttoinlandprodukt BIP. Oder anders: für einen Teil der Altersvorsorge der EinwohnerInnen der Schweiz (etwas mehr als ein Promille der Weltbevölkerung) steht ein Vermögen zur Verfügung, dass etwa dem Volumen des Anfang Oktober 2008 beschlossenen US-Rettungspaketes für die Finanzwirtschaft entspricht!
Viele der Bankinstitute haben eine Eigenkapitalrendite angestrebt (respektive tun dies immer noch), die deutlich zum Beispiel über der Wuchergrenze für Kleinkredite im Kanton Zürich liegt. Eine solche Rendite ist nur möglich mit Instrumenten, die ohne Rücksicht auf Moral und Ethik die Stärken und Schwächen des internationalen Finanzsystems ausnutzen – mit immer neuen Instrumenten, die von ihrer Konstruktion und Hebelwirkung weder intellektuell noch praktisch versteh- oder gar beherrschbar sind. Die Volkswirtschaft dient also als Casino jener, die aus finanzieller Unersättlichkeit immer noch mehr Geld anhäufen wollen. Dass diese Zechpreller genau dann, wenn sich die offensichtlichen Risiken zu offenbaren beginnen, nach der helfenden Hand des Staates respektive der Allgemeinheit schreien, illustriert in grotesker Weise die Rücksichtslosigkeit dieser vermeintlichen Geldaristokratie. Dass dann in den Medien die tränendrüsigen Stories z.B. einer alleinerziehenden Mutter, die einen grossen Teil ihres Vermögens in solch windige Instrumente gesteckt hat, abgedruckt werden, lenkt von den wahren Hintergründen ab: mit den diversen aus Steuergeldern finanzierten Hilfspaketen werden letztlich die ungerechtfertigten virtuellen Riesengewinne der bereits Superreichen zu realen Werten gemacht, oder es wird davon abgelenkt, dass das Geld nicht verloren ging, sondern entweder gar nie vorhanden war oder dem übermässigen Konsum diente.
Zu beachten bleibt: letztlich ist jede Form der Kapitalanlage mit dem Risiko des vollständigen Verlusts verbunden. Dieses Risiko ist bei Anlagen mit hohen Renditeerwartungen deutlich grösser, aber auch bei sogenannt konservativen Anlagestrategien nicht gleich null. Aktien beispielsweise sind selbst bei Publikumsgesellschaften Risikokapital mit dem potentiellen Risiko des vollständigen Verlustes. Wer dieses Risiko nicht tragen kann oder will, hat schlicht auf Aktien in der individuellen Anlagestrategie zu verzichten, erst recht auf deriative Instrumente, die sich auf die Entwicklung von Aktienkursen beziehen.
Es ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil des Kapitals (also nicht der Ertrag des Kapitals) zur Finanzierung von Konsumausgaben herangezogen worden ist. Die „Subprime“-Krise in den USA ist ein illustratives Beispiel dafür: da wurden Hypotheken für den Erwerb von Wohneigentum ausgegeben, deren Belastung für die Neo-Hauseigentümerschaften auf Dauer offensichtlich untragbar waren, durchaus eine sehr direkte Folge der dümmlichen Wohneigentumsförderung – untauglich nicht zuletzt wegen der Begrenztheit der Ressource Boden. Eine solche Politik ist definitiv nicht nachhaltig – sie verlagert erhebliche Kosten einfach auf nachfolgende Generationen oder auf Gesellschaften/Volkswirtschaften in anderen lokalen oder Welt-Regionen.
Was ist zu tun?
- Wie Hans Küng, Präsident der Stiftung Weltethos ausführt, braucht es ein globales Ethos für die Weltwirtschaft mit einem Minimum an Werten, Grundhaltungen und Massstäben, auf das sich alle Nationen und Interessengruppen verpflichten können.
- Vorerst und hoch prioritär: Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle! Dann könnten Pensionskassen mit ihrer Anhäufung von Vermögenswerten in der Grössenordnung des BIP verhindert werden.
- Finanziert wird das bedingungslose Grundeinkommen durch lenkende Abgaben auf Ressourcen, z.B. Energie und Finanzmarkttransaktionen, Stichwort Tobin-Tax und Weiterentwicklungen dazu. Wichtig ist hier eine breite Diversifizierung der Mittelbeschaffung – der Zufluss z.B. von Erträgen einer Energielenkungsabgabe darf nicht dazu führen, dass Staaten auf eine Energiepolitik verzichten.
- Beschränkung der Eigenkapitalrendite.
- Anbieter von „Anlagevehikeln“ dürfen KundInnen nicht mehr beraten – dies ist nur noch möglich für Beraterinnen, die ihre Unabhängigkeit von den empfohlenen Produkten regelmässig durch externe Sachverständige überprüfen lassen müssen.
- Grundsätzlich ist auf staatliche Beihilfen für die Finanzwirtschaft zu verzichten – das bedingungslose Grundeinkommen dient ja bereits der Existenzsicherung. Auf diese Weise kann auch der Einfluss der Finanzwirtschaft deutlich vermindert werden. Zudem wird die Selbstregulation verstärkt, was letztlich ethische und moralische Aspekte der Finanzwirtschaft betont. Staatliche Leistungen sind als kurzfristige Darlehen zu betrachten, die vollumfänglich zurückzuerstatten sind.
- Jede Politik, die eine Überbetonung der Privatwirtschaft anstrebt, ist zu ächten. Es braucht die generelle Anerkennung, dass jedes menschliche Handeln in Übereinstimmung mit den Gesamtinteressen der Gemeinschaft aller Menschen auf diesem Planeten zu erfolgen hat.
- Durch das bedingungslose Grundeinkommen für alle bekommt die Wohnraumpolitik einen neuen Charakter. Das Recht auf ein gesundes und ökologisch verantwortbares Dach über dem Kopf – variabel entsprechend den sich verändernden Bedürfnisse in den unterschiedlichen Lebensphasen – bekommt ein höheres Gewicht als der Eigentums- und Investitionscharakter von Grund und Boden.
- Einführung eines gerechten Welthandels – nicht im Sinne des WTO, sondern unter Stärkung der lokalen Eigenständigkeit – nach dem Motto „Global denken, lokal handeln“. Beispielsweise fördert die Konzentration der Nahrungsmittelproduktion in sogenannten Entwicklungsländern die Schieflage der globalen Wohlstandsverteilung. Nötig sind daher Entwicklungen hin zu Volkswirtschaftsverbünden, die zumindest auf grossregionaler Ebene umfassend selbstversorgend sind.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit braucht es eine Weiterentwicklung der Finanzwirtschaft, damit Geld wieder den Charakter als Tauschmittel zurückbekommt und nicht als eigenständige Ware betrachtet wird.
Erste Fassung: 6.10.2008