Offene E-Mail an die UREK-N: Klimaschutz und Atomausstieg gehören zusammen

Was ist wichtiger, Klimaschutz oder Atomausstieg? Mit dieser absurden Frage scheint sich derzeit die nationale Politik zu beschäftigen, etwa im Zusammenhang mit der Klimaschutz-Gesetzgebung auf nationaler Ebene. Jede ernsthafte Energiepolitik ist eine Energiepolitik, die sich auf den Weg macht aus der fossil-nuklearen Sackgasse, die sich bereit macht für eine post-nukleare und post-fossile Energiezukunft. Die absurde Frage nach dem Primat von Klimaschutz oder Atomausstieg signalisiert, dass die Schweiz keine ernsthafte und glaubwürdige Energiepolitik betreibt.

Einzelne Mitglieder der UREK-N (nationalrätliche Kommission für Umwelt, Raumplanung und Verkehr) erwägen offenbar mit Hinweis auf die sich abzeichnenden energiepolitischen Massnahmen aufgrund der politischen Aufarbeitung des schweren Atomunfalls im japanischen Fukushima, den Klimaschutz zu schwächen und einmal mehr symbolische Klimaschutzmassnahmen zu beschliessen.

Diverse Studien aus aller Welt zeigen eindeutig, dass nur eine Kombination von Klimaschutzmassnahmen und der Umstellung der gesamten Energieversorgung auf erneuerbare, nachhaltig genutzte Energiefomen zukunftsfähig sind. Auf polit-strategischer Ebene zeigt das Hauptgutachten 2011 “Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Grosse Transformation” des Wissenschaftlichen Beirats der (deutschen) Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), dass ein entschlossenes und zielorientiertes Handeln erforderlich ist, um die sich stellenden globalen Herausforderung bewältigen zu können. All die Studien zeigen zudem: die aktuelle Politik ist das grösste Hemmnis zur Umsetzung einer zukunftsfähigen Energie- und Klimaschutzpolitik!

Eine ernsthafte und glaubwürdige Energie- und Klimaschutzpolitik ist in der Schweiz nicht einmal in Ansätzen erkennbar. Die Interessen der Erdölwirtschaft, die vermeintlichen Interessen der zögerlichen Hauseigentümerverbände, die Interessen der vereinigten Lobby der Stromindustrie-VerwaltungsrätInnen insbesondere bürgerlicher PolitikerInnen, die Interessen der nach wie vor autozentrierten Verkehrspolitik mit ihren vielen in der Regel nicht relevanten Partikuläranliegen führt zu grotesken Politikentscheiden. Das Einverständnis der Erdölwirtschaft oder der trägen vorgeblich öffentlichen Stromversorgungsunternehmen mit den beschlossenen Massnahmen ist wegen der traditionellen Verflechtung von Politik und Energiewirtschaft wichtiger als die Erreichung der wissenschaftlich begründeten Energie- und Klimaschutzziele. Damit die zivilgesellschaftlichen PionierInnen einer zukunftsfähigen Energieversorgung und ihre willigen NachahmerInnen einigermassen zufrieden gestellt sind, erfindet die Politik immer wieder Zückerchen wie die völlig unbrauchbare und unwirksame Einspeisevergütung oder die kontraproduktive Teilzweckbindung der als stark lenkend angedachten CO2-Abgabe.

Auf umweltnetz.ch sind bereits mehrfach die Hauptstränge einer zukunftsgerichteten Energie- und Klimaschutzpolitik für das post-fossile und post-nukleare Zeitalter, beispielsweise zur Konkretisierung der Vision der 2000-Watt-Gesellschaft, dargelegt worden – als Copy-Paste aus dem Beitrag post-nukleare und post-fossile Energiezukunft. Als Quintessenz: Klimaschutz und Atomausstieg gehören zusammen – wie schnell sich die angestrebten Ziele erreichen lassen, wird durch die Vorgaben der Politik bestimmt:

  • Auch wenn mich die Verwendung der militärnahen Terminologie stört: es braucht eine Anbauschlacht, es braucht einen „Plan Wahlen„.
  • Auch wenn dies auf den ersten Blick überrascht: sämtliche Subventionen und Förderbeiträge im Energiebereich sind blitzartig abzuschaffen, egal, ob sie Das Gebäudeprogramm, Einspeisevergütung oder Stromsparfonds heissen. Förderbeiträge signalisieren, dass es um Aktivitäten für Willige, für First Mover, geht. Diese Phase ist in der Energiepolitik nicht erst seit Fukushima-Daiichi vorbei: Energie- und Klimaschutzpolitik gehören zum „Standardprogramm“ und erfordern keine Förderung.
    Festzuhalten ist, dass finanzielle Förderungen (siehe die früheren Landwirtschaftssubventionen) schlussendlich kontraproduktiv sind, da sie die Entwicklung blockieren: was gefördert wird, darf relativ viel kosten, mit Förderung werden häufig die Knowhow-Defizite aller EntscheiderInnen und AkteurInnen zum Beispiel in der Wohnungswirtschaft kompensiert.
  • Anstelle der Subventionen tritt eine sehr stark lenkende, vollständig rückerstattete Energieabgabe. Das Gejammer von SVP FDP und CVP (z.B. bei den Diskussionen März 2011 im Ständerat anlässlich der Revision der Bestimmungen des CO2-Gesetzes zur CO2-Abgabe), dies erhöhe die Energiekosten, ist pure Dummheit. Volkswirtschaftlich betrachtet handelt es sich bis auf die Administrativkosten um ein Nullsummenspiel: Jene, die deutlich über dem Durchschnitt Energie verbrauchen, haben zwar mehr zu bezahlen; dafür werden jene entlastet, die bereits Massnahmen realisiert hat. Wichtig sind auch weitere Lenkungsabgaben – zum Beispiel eine Wohnflächen-Lenkungsabgabe!
  • Mit der Freiwilligkeit im Energie- und Klimaschutzbereich wurde in den letzten 30 Jahren ausreichend experimentiert. Klares Fazit: viel zu wenig wirksam, man spricht immer die gleichen Marktsegmente an – für den Gesamtmarkt braucht es einen klaren gesetzlichen Rahmen. Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind wichtige Handlungsebenen für Haushalte und Wirtschaft – die Erreichung der energie- und klimaschutzpolitischen Ziele wird wesentlich vereinfacht durch den Einbezug der Suffizienz, der Strategie der freiwilligen Einfachheit (LOVOS)
  • Gerade im Gebäudebereich dominiert Massnahmen- statt Wirkungspolitik. Es werden Sonnenkollektorflächen unabhängig von ihrem Ertrag gefördert – und es interessiert folglich auch niemanden, was die Wirkung dieses Kollektors ist (P.S. Im Mittel aller Anlagen: erschreckend mager!). In den Gesetzen sind Wirkungsziele festzuhalten. Im Gebäudebereich etwa: Alle Gebäude erreichen bis z.B. 2025 den Energieverbrauchslevel B (besser wäre sogar A). Bei den elektrischen Geräten ist endlich die Energieetikette so zu gestalten, dass A die besten und C die schlechtesten im Markt verfügbaren Geräte sind – die A+-, A++- und A+++-Klassen etwa bei den Kühlgeräten als kommunikativer Killer (A ist doch am Anfang, also das beste, da ist nicht nachvollziehbar, dass A+++ noch besser sein soll) sind abzuschaffen.
  • Es braucht eine massive Aus- und Weiterbildungsinitiative: es gibt nicht nur in der Schweiz bei weitem nicht genügend Fachleute, die in der Lage sind, die erforderlichen Massnahmen zur Erreichung der ambitiösen Energie- und Klimaschutzpolitik-Ziele zu erreichen. Ein Link aus Deutschland: Klimaschutz: Fachkräftemangel behindert energetische Gebäudesanierung – wie diverse Untersuchungen belegen, ist die Situation in der Schweiz vergleichbar!
  • Es braucht Massnahmen zur Verminderung des PendlerInnen-Verkehrs, auch wenn derzeit noch wenig Begeisterung für derartige Ideen vorhanden ist. Ebenfalls ist die Verkehrsfläche deutlich zu vermindern.

Als Idee: ein E-Mail an die Mitglieder der UREK-N als Hinweis darauf, dass Klimaschutz und Atomausstieg zusammengehören!


Im übrigen: Der Computer und die IT-Infrastruktur zur Erstellung dieser Internet-Seite werden mit ewz.solartop, dem Solarstromangebot von ewz, betrieben – als ein persönlicher Beitrag zur Abwahl der Atomenergie!