„Ökostädte verhindern Katastrophen“ – der Titel eines Blogbeitrages von nachhaltigkeit.org – ein Interview mit Richard Register, Gründer von Ecocity Builders. Richard Register fordert kompakte Städte, die sich an den zu Fuss gehenden ausrichten.
An diese Aussage erinnerte ich mich heute bei einer kurzen Velofahrt durch Zürich an der Kreuzung West- und Birmensdorferstrasse. Weststrasse: das ist die Strasse, die vor der Eröffnung des Uetlibergtunnels Teil der Doppelspur-Autobahn Hamburg-Palermo war. Jetzt, viele Monate später, ist erkennbar, dass die Weststrasse wieder zur Quartierstrasse wird – siehe Bild.
Dies erinnert an einen anderen Strassenbau, etwas weiter südwestlich: Schweighofstrasse – da wurde eine neue Pseudo-Autobahnachse mitten durch das Wohnquartier Friesenberg geschlagen – die Häuser hat man zumindest teilweise abgedeckt mit Lärmschutzwänden und einer Staumauer. „Ein Anblick, grässlich und gemein, drum zog ihn der Senat auch ein“ – so dichtete Christian Morgenstern im Gedicht Ein Lattenzaun. Leider leider gibt es in Zürich keinen Senat, dafür einen mehrheitlich rotgrünen Stadtrat, der solche Strassenausbauten mitten im Quartier aktiv fördert.
Ein wesentlicher Akteur im Quartier Friesenberg ist die Familienheim-Genossenschaft Zürich (FGZ). Gegen den Ausbau der Schweighofstrasse hat sie sich nicht aktiv gewehrt, sondern die FGZ hat diesen Ausbau zusammen mit der Stadt Zürich gefördert und gewollt. Jetzt gibt es eine Veranstaltung mit der nicht rhetorisch gemeinten Frage „Verträglichkeit der Schweighofstrasse mit dem Zentrum Friesenberg?“ am 19. Mai 2011. Das Zentrum Friesenberg soll an einem künstlich bestimmten Ort mit grösstmöglichem Abstand von ÖV-Haltestellen, welche von zwei Buslinien bedient werden, entstehen, direkt an der autozentrierten Schweighofstrasse, völlig an sämtlichen städtebaulichen Vorstellungen vorbei – bei aller Offenheit: die reformierte und die katholische Kirche gleichen nebenan haben auch nicht wirklich das Potential zur Zentrumsaufwertung.
Die Familienheim-Genossenschaft Zürich hat sich bis jetzt nicht gerade als Öko-Leader hervorgetan, ganz im Gegenteil:
- Der Ersatzneubau 3. Etappe wird zu einer Nicht-Grünmatt.
- Das zeigt sich auch daran, dass auch der Zugang zu erneuerbaren Energien nicht so problemlos klappt.
- Und dazu gehört auch ein fahrlässiges Energiekonzept.
Der Friesenberg ist weit weit weit weg davon, ein Ökoquartier der visionären 2000-Watt-Gesellschaft-Stadt Zürich zu sein. Das könnte sich mit eine deutlich anderen Zentrumsplanung ändern – und dann würde auch die Verträglichkeit mit der Schweighofstrasse keine Rolle mehr spielen. Dieses Alternativszenario ist bewusst provokativ, wie es sich für ökologische Überlegungen gehört. Der Friesenberg gilt als Gartenstadt – im wesentlich viel mit hin und wieder etwas Naturnähe ergänztes Abstandsgrün, und hin und wieder etwas Bäumiges. Diese Gartenstadt ist vor allem eine Wohnoase – die erwerbsfähigen FriesenberglerInnen müssen meist das Quartier verlassen, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen, selbst dann, wenn sie ihre Arbeitszeit vor allem mit der Computerbenutzung leisten. Da entsteht viel Verkehr – ein beachtlicher Teil des Schweighofstrasse-Strassenverkehrs ist also hausgemacht! Ökostädte als kompakte Städte bieten kurze Wege. Ökostädte sind möglicherweise künstliche Hügelstädte – Hochhäuser mit gemischter Nutzung – Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Kultur, Lernen, Freizeit, Erholung zum Beispiel. Eine solche Hochhaus-Hügelstadt kann auch weiterhin eine Gartenstadt sein – Urban Farming trägt (im Gegensatz zum Abstandsgrün) sogar zur Nahrungsgrundlage der BewohnerInnen der Ökostadt bei. Und statt neben der Schweighofstrasse gibt es einen idealeren Raum für das Friesenberg-Zentrum: rund um die Haltestelle Schweighof der Uetlibergbahn (respektive Linie S10 der Zürcher S-Bahn).
Wir müssen unsere Städte und ihre Quartiere neu denken – in einer Welt mit begrenztem Raum, mit begrenzten Ressourcen ist alles daran zu setzen, eine Stadt zu schaffen, die zu Fuss, mit dem Velo belebt werden kann, die darüber hinaus ausschliesslich den öffentlichen Verkehr nutzt. Lebensräume der Zukunft sind Räume der Nähe – alle alltäglichen Zwecke sind in Fusswegdistanz erreichbar. Die Städterinnen und Städter gestalten die Zukunft des Raumschiffes Erde – lasst uns die Stadt in Richtung dieser Zukunft umbauen. Ob nun eine Strassen- und Lärmachse wie die Schweighofstrasse nicht verträglich ist mit dem Wohnquartier, ist im Vergleich zu den echten Herausforderungen einer Ökostadt unbedeutend.
Der Schweighofstrasse hilft eine ganz einfache Kur: diese Strasse ist an mindestens zwei Orten für den Durchgangsverkehr zu unterbrechen (z.B. Bahnübergang Schweighof und bei der Kreuzung Bachtobelstrasse), wobei diese Strasse weiterhin durchlässig bleibt für die VBZ-Busse, sicher die Linien 32 und 89, idealerweise auch die von der Endhaltestelle Triemli bis zum Strassenverkehrsamt oder gar bis zu Sihlcity verlängerte Linie 72. Dazu kann auch die FGZ einen Beitrag leisten: die Zahl der Parkplätze wird auf einen Viertel verringert, die Hälfte der verbleibenden Fahrzeuge wird für Mobility-Fahrzeuge reserviert!
Mal einen Gruß an alle die diese Seite genauso gerne und häufig besuchen wie ich 🙂