In fast fünf Wochen habe ich mit dem Velo die 5 Länder Schweiz, Österreich, Deutschland, Slowakei und Ungarn „durchfahren“ und dabei regelmässig auch Städte, darunter drei Hauptstädte, besucht (siehe das Reisetagebuch). Klar ist dabei einmal mehr geworden: das Velo hat noch lange nicht die verkehrspolitische Beachtung, die ihm aufgrund der Klimaschutz-Relevanz zukommen sollte. Dies ist dringend zu ändern.
Ich halte vorerst fest: ich bezeichne mich als legalistischer Velofahrer, das heisst, ich bemühe mich nach Kräften, auch für Velofahrende unsinnige Regeln (z.B. Rot auch beim Rechtsabbiegen) zu befolgen.
Idylle: ein Radweg entlang der Donau, auf dem sogenannten Treppelweg, am Waldrand gelegen – ich habe Bilder aus Österreich oder Ungarn vor den Augen. Ein Genuss, hier das Velo zu benutzen. Ganz klar: es handelt sich dabei um ein touristisches Angebot, wird entsprechend vermarktet – die gut besuchten Radlerbeizen sind ein Beleg für die touristische Relevanz. Klar ist auch: die meistem NutzerInnen dieser Radwege sind sonst nicht mit dem Fahrrad respektive dem Velo unterwegs – die AlltagsvelofahrerInnen sind auf diesen Tourismusstrecken eindeutig in der Unterzahl.
Dann in Städten wie Wien oder Budapest: da ist trotz Ferienzeit Alltag, auch für die Radfahrenden respektive Velofahrenden. Alltag heisst: ja, es gibt Rad- oder Velowege. Aber, …
Velowege sind nicht nur in den Städten schwierig zu finden. Velowege sind Stückwerk – als VelofahrerIn findet man sich regelmässig nach dem Signal „Radweg-Ende“ häufig mitten in einer autogeprägten Verkehrslandschaft. So technisch gelungen die Velostadt-Plan-App der Stadt Zürich ist: die (zwingende) Notwendigkeit einer solchen App illustriert dieses Stückwerk bestens.
Velowege sind viel zu häufig mit Fussgängerbereichen kombiniert – dies ist für die Velofahrenden häufig die kleinere Schwierigkeit als für die zu Fuss gehenden. Wer zügig mit dem Velo unterwegs ist, braucht sehr gute Bremsen, weil zu Fuss Gehende sich in der Regel nach dem Chaos-Prinzip und ohne links oder rechts zu schauen bewegen. Besonders dort, wo es touristisch interessant ist. Wers nicht glaubt: ganz einfach mal in Zürich mit dem Velo vom Bürkliplatz über das Bellevue nach dem Zürichhorn fahren … Bei Bedarf kann ich solche Strecken auch in Wien oder Budapest nennen.
Ganz ärgerlich ist die Kombination von Radwegen mit Autoparkplätzen, dabei ist völlig egal, ob die Autos längs oder quer zur Strasse abgestellt werden. Ganz einfach: die Regel „mindestens 1 Meter Abstand auch zu stehenden Autos“ reicht nicht aus, um für Velofahrende gesundheitsgefährdende Situationen zuverlässig zu vermeiden.
Der „Hysterische Parkplatzkompromist“ in Zürich – Konstanthaltung der Parkplatzzahl in der Innenstadt auf einem aus verkehrs- und klimschutzpolitischer Sicht steinzeitlichen Niveau – verkennt, dass Autos nur in Ausnahmefällen ein zweckmässiges Verkehrsmittel für die Innenstadt sind. Und da Autos in erster Linie Stehzeuge sind, haben sie nicht nur in Innenstädten eigentlich nichts verloren. Unternehmen, die behaupten, auf KundInnen-Kurzzeitparkplätze in der Innenstadt angewiesen zu sein, haben kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell – Parkplätze in der Innenstadt sind Strukturerhaltung und haben weder mit Klimaschutz noch mit Wirtschafts- oder Verkehrspolitik zu tun.
Die Verkehrspolitik wird nach wie vor dadurch geprägt, dass Automobil- und Erdöl-Lobby ein viel zu teures Gadget (=Auto mit übermässigem Treibstoffverbrauch und damit vebunden übermässigem Ausstoss von Treibhausgasen) im Markt platzieren wollen. Und dann dafür sorgen müssen, dass man dieses massiv zu kostspielige Spiel- und Stehzeug auch gelegentlich benutzen kann, damit sich die Auto-KundInnen nicht zu offensichtlich hinters Licht geführt vorkommen. Denn: die Benutzung des öffentlichen Verkehrs, die Benutzung des Velos als Verkehrsmittel sind deutlich günstiger – und komfortabler (dies gilt bei regelmässiger Benutzung ausser in meteorologischen Ausnahmesituationen auch für das Velo).
Es braucht endlich eine Verkehrspolitik, die die kurzen Wege und das für solche Zwecke bestens geeignete Velo in das Zentrum stellt – dazu gehört auch, dass endlich das Strassenverkehrsgesetz so angepasst wird, dass die Eigenheiten des Velos berücksichtigt werden.
Für die Stadt Zürich heisst dies: Ja am 4. September 2011 zur Volksinitiative «Zur Förderung des öV, Fuss- und Veloverkehrs in der Stadt Zürich».