Auch die Energiewirtschaft ist im Strukturwandel

Fotografieren – das war lange Zeit, schon fast synonymisch, mit Kodak verbunden. Die Firma Kodak ist nach 120 Jahren unternehmerischer Tätigkeit regelmässig von Spekulationen über eine mögliche Insolvenz betroffen. Die Digitalfotografie ist sicher ein wichtiger Hintergrund für die unternehmerischen Schwierigkeiten von Kodak. Die Digitalfotografie ist allerdings kaum der einzige Grund, schaffen es doch andere Unternehmen regelmässig, sich epochalen Entwicklungen anzupassen. Die politisch und gesellschaftlich gewollte Energiewende – hin zu einer fossil- und nuklear-freien Energieversorgung – hat bereits und wird auch zukünftig zu Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und damit auch auf Unternehmen führen.

Braucht die Schweiz innerhalb der Landesgrenzen Erdölraffinerien? Diese Frage stellt sich sowohl wegen der unternehmerischen Schwierigkeiten der Petroplus-Raffinerie in Cressier NE als auch der technischen Unzulänglichkeiten (Nichteinhaltung diverser gesetzlicher Bestimmungen, besonders im Umweltbereich) der Tamoil-Raffinerie in Collombey VS. Die Versorgung der Schweiz mit Erdölprodukten – welche ja nicht in der Schweiz natürlicherweise vorhanden sind, ist nicht wirklich von diesen Raffinerien abhängig, zudem besteht europaweit eine erhebliche Überkapazität. Zur Versorgungssicherheit beitragen kann nur eine glaubwürdige nationale Energiepolitik mit der Forderung „Weg vom Erdöl“.

Ich weise darauf hin, dass parallel Unternehmen zur Herstellung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, etwa Solar Millennium oder Solon, ebenfalls von unternehmerischen Schwierigkeiten geplagt werden (zu einem erheblichen Teil wegen der Überfütterung der Märkte mit nachweislich kontraproduktiven Fördermitteln). In Deutschland „leiden“ auch die grossen Vier, also die Stromproduktions- und -verteilunternehmen Vattenfall, E.ON, RWE und EnBW, welche zusammen rund 80 % der deutschen Stromversorgung ausmachen, bereits an den „Vorwirkungen“ der Energiewende – während gleichzeitig den vielen Stadtwerken eine grosse Zukunft vorausgesagt werden, mit Schlagzeilen wie STADTWERKE ATTACKIEREN STROMKONZERNE: 900 Davids gegen vier Goliaths. Auch in der Schweiz sind etwa für Alpiq und BKW erste dunkle Wolken in Sicht, mit NZZ-Titeln wie Das nicht so sichere Geschäft der Stromproduzenten. Aber auch die Axpo sorgt für ähnliche Schlagzeilen: Axpo kündigt Stellenabbau an. Auch in der Schweiz prägen derzeit eher die kleinen und städtischen Werke die Positiv-Meldungen.

Strukturveränderungen – auch das Entstehen und Verwelken selbst von grossen und bedeutenden Unternehmen – gehören zu den grundlegenden Prinzipien der Wirtschaft. Das gilt so auch für die Energiewirtschaft.

Für den Erdölmarkt kommt ein weiterer Aspekt dazu: Erdöl ist ein endlicher Rohstoff – irgendwann wird sich die Wirtschaft so oder von Erdöl als Energieträger verabschieden müssen, das gleiche gilt auch für Erdgas und ähnlich auch für Uran/Atomenergie. In ähnlicher Art und weise gilt dies auch für weitere endliche Ressourcen: Peak of Everything! Die Welt – und damit auch die Wirtschaft, muss einen Weg finden, von diesen Peak-Gütern wegzukommen.

Gerade für die Schweiz stellt der mögliche Wegfall der beiden Inland-Raffinerien eine einmalige Chance dar, den insgesamt problematischen Energieträger Heizöl so rasch als möglich zu verabschieden. Ich habe dazu bereits mehrfach Vorgehensmöglichkeiten dargestellt, etwa zu einem Teilbereich Heizungen mit Öl und Gas verbieten.


Seit einiger Zeit besteht bei den Technologien zur Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen ein eigentlicher Wettkampf. Eine Zeitlang hatte Concentrated Solar Power (CSP, Konzentrierende Solarthermie) die Nase vorne – DESERTEC wollte in Nordafrika solche Kraftwerke erstellen. Aus diversen Gründen, hauptsächlich wegen der Preisentwicklung vor allem wegen des chinesischen Engagements, lauten derzeit die Schlagzeilen Siegeszug der Photovoltaik, und dies sohar ohne Fragezeichen. Ein wichtiger Aspekt: Unternehmen wie Siemens können bei solchen solarthermischen Kraftwerken ihr weit zurückreichendes Knowhow in thermischer Verfahrenstechnik, etwa für Kohle- oder Atomkraftwerke, weiterhin anwenden. Für Photovoltaik müsste Siemens massiv umbauen – oder den Weg von Kodak gehen.

Analoges gilt für den Verkehrsbereich. Der Automobilindustrie steht erhebliches Knowhow zu Verbrennungsmotoren zur Verfügung; vieles davon ist für Individualfahrzeuge mit Elektroantrieb nicht nutzbar. Es ist zumindest aus technologischer (nicht aber aus energiepolitischer) Sicht nachvollziehbar, dass die Automobilindustrie weiterhin auf Verbrennungsmotoren setzen möchte, die Veränderungen also vor allem beim Wechsel von fossilen zu biogenen Treibstoffen 1. bis n.-ter Generation sucht. Wenn da eben nicht noch der energiepolitische Vorbehalt wäre: beim Verbrennungsmotor kann weniger als 20 Prozent der eingesetzten Energie für den Vortrieb genutzt werden – beim Strom wären es immerhin deutlich über 50 Prozent!


Die Situation ist klar: auch versorgungspolitisch braucht die Schweiz keine Erdöl-Inlandraffinieren, dafür eine eindeutige Energiepolitik „Weg vom Erdöl“ hin zu einer nicht-nuklearen und nicht-fossilen Energieversorgung.


Dieser „selbstverständliche“ Strukurwandel weist darauf hin: es braucht andere Formen zur Existenzsicherung als ausschliesslich Erwerbseinkommen. Darum ist die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen für alle deutlich zu intensivieren.