In einer Konkurrenzmarktwirtschaft ist es legitim, dass der Verband der Reichen und Superreichen (=Economiesuisse) eine schiefe Sicht auf die Einkommenssituation wirft. Steuer-, finanz- und sozialpolitisch dürfen allerdings solche absurden Positionsbezüge keine Auswirkungen zur Folge haben.
Mit Statistiken lässt sich allerhand beweisen – sogar dann, wenn sie nicht selber gefälscht sind. Ein solches exemplarisches Beispiel von alles-und-nichts-sagenden Statistiken hat wieder einmal mehr die Economiesuisse publiziert, mit Aussagen, die im Auto-Anzeiger, früher Tagesanzeiger, zur Schlagzeile „Wer hat, dem wird genommen“ führen. Auch wenn diese Schlagzeile nichts mit den Eonomiesuisse-daten zu tun hat, stellt sie die zentrale Aussage dar, die eben die Economiesuisse-Studie nicht belegt. „Wer hat, dem wird genommen“ steht im Grundsatz für den Kernansatz des Steuersystems eines demokratischen Rechtsstaates, die Besteuerung nach den Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Gini-Koeffizient und weitere Einkommensschiefmasse, auch Aussagen zu den Anteilen der Grossverdienenden am Steueraufkommen, sind absolut ungeeignet, ja geradezu ungeeignet, um Aussagen zur „Gerechtigkeit“ des Steuersystems machen zu können.
Es ist vorerst davon auszugehen, dass prinzipiell alle Steuerberechtigten den Eindruck haben, stärker als andere an den Staatslasten mitzutragen – deshalb ist überhaupt eine $VP-Politik möglich, die jenseits aller politischen und inhaltlichen Forderungen ausschliesslich auf die Verminderung des Steuerfusses ausgerichtet ist (statt auf die Frage, welche Aufgaben der Staat zu erfüllen hat und wie Aufgabenerfüllung zu finanzieren sind), deshalb ist es auch möglich, dass die Sichtweise von economiesuisse immer noch schiefer wird. Angesichts der nachgewiesenen Nicht-Nachhaltigkeit der Schweizerischen Wirtschaft (Zitat „Wir leben auf Kosten anderer Erdteile oder künftiger Generationen„, Nachhaltigkeitsmonitoring MONET des Bundes.
Auch economiesuisse präsentiert keine Angaben, die aufzeigen, dass das Steuersystem dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechen würde – das Verhältnis von verfügbarem Einkommen zu Steuerbelastung lässt allerdings eher vermuten, dass dem nicht so ist!
Auch die neuesten schiefen Zahlen der economiesuisse ändern nicht an den grundlegenden politischen Forderungen:
- Es braucht dringend ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle.
- Es braucht dringend eine Devisentransaktionssteuer.
- Es braucht dringend eine stark lenkende, vollständig an Haushalte und Wirtschaft rückerstattete Lenkungsabgabe auf Energieverbrauch und Ressourcen.
- Es braucht eine Begrenzung der Spanne zwischen höchstem und tiefstem Einkommen – 1:12-Initiative der JUSO beispielsweise.
- Auch wenn das bedingungslose Grundeinkommen für alle die Thematik verändert: das Rentenalter ist in der Tendenz deutlich zu senken, sicher nicht zu erhöhen!
Nachtrag 6.4.2012
Zwei Tage später hat auch TA-Journalist Simon Schmid gemerkt, dass er mit dem Artikel „Wer hat, dem wird genommen“ Teil der Superreiche-Propaganda-Aktion der economiesuisse war. Der Nachfolgeartikel heisst „Trauen Sie keiner Verbandsstatistik“ bringt zwar ein Kontrastprogramm an Statistiken des Bundes und des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, bringt es aber fertig, auch gerade die Gewerkschafts-Statistiken unglaubwürdig zu machen – auch der Gewerkschaftsbund ist ja schliesslich ein Verband, womit der nicht wirklich gute Rat von Herrn Schmid, Verbandsstatistiken generell nicht zu trauen, zur Anwendung kommt. Medien beanspruchen ja immer für sich, vierte Gewalt in diesem Staat zu sein – Herr Schmid wird mit diesen zwei Artikeln allerdings seinem Auftrag überhaupt nicht gerecht.
Erste Fassung 2.4.2012