Albert Leiser, Direktor des Hauseigentümerverbandes Zürich, schlägt im Auto-Anzeiger, früher Tages-Anzeiger vom 29.12.08 ein Verstärkung der Wohneigentumsförderung via Banken vor: gut verdienende „Junge“ (trau keinem über 30) sollen sich Wohneigentum leisten können. Dieses Modell würde allerdings die bestehenden Probleme des Wohnumgsmarktes verstärken, statt reale Lösungen herbeizuführen. Wohneigentum ist nicht erstrebenswert, wohl aber ein Wohnnutzungsrecht!
Die Probleme des Wohnungsmarktes sind bekannt: Es besteht ein erheblicher Rückstau in der Modernisierung der Liegenschaften – es wird zu wenig in den Liegenschaftenunterhalt und die Wertsteigerung investiert, es werden zu wenige ungeeignete Wohnobjekte abgebrochen und durch zeitgemässe Neubauten ersetzt. Dies hat sehr viel mit der Eigentumsstruktur zu tun: sehr viele Bauten sind im Besitze von älteren Menschen, die sich kaum Gedanken über eine zukunftsgerichtete Bewirtschaftung ihrer Liegenschaft machen. Die wenigsten Hauseigentümerschaften professionelles Wissen über die Bewirtschaftung ihrer Liegenschaft – welche letztlich einen Vermögenswert darstellt, den es zu pflegen und erhalten gilt.
Die Wohneigentumsförderung ist ein untaugliches Instrument der Wohnungswirtschaft – sie kümmert sich nur um den Erwerb, nicht aber um den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie.
Der Rückstau bei der Modernisierung der Liegenschaften ist eine mehr oder weniger versteckte Krise der Immobilienwirtschaft: das heutige Wohnungswesen ist weit davon entfernt, nachhaltig zu sein. Viele Eigentümerschaften verzehren Vermögenswerte, statt vom Ertrag des Vermögens zu leben. Oder anders: sehr viele Hypothekar-Kredite haben den Charakter von Konsumkrediten. Hier sind dringliche Verbesserungen erforderlich: so sind Vorschriften zu erlassen über die Amortisation der Hypothekarkredite; ebenso müssen an das Wohnobjekt (und nicht an die Eigentümerschaft) gebundene finanzielle Rücklagen vorgenommen werden.
Das Einfamilienhaus als klassisches Objekt der Wohneigentumsförderung ist aus verschiedenen Gründen in keiner Art und Weise zukunftstauglich:
- Das Einfamilienhaus ist – als Reihenhaussiedlung – möglicherweise passend für Familien mit kleineren Kindern. Beim Auszug der Kinder respektive Jugendlichen ist das Haus sehr schnell viel zu gross. Die von einem Paar oder gar einer Einzelperson bewohnten Einfamilienhäuser sind mit ein Grund für die dauernd zunehmende durchschnittliche Wohnfläche pro Person. Wenn es diese Gebäudeform zukünftig noch geben soll, ist diese zwingend umzugestalten in ein Gebäude, welches mindestens eine Einliegerwohnung mit mindestens zweieinhalb Zimmern enthält.
- Einfamilienhäuser beanspruchen übermässig Boden und Ressourcen, sowohl für das Wohnen selbst wie auch die Erschliessung Infrastruktur.
- Das Einfamilienhaus ist in der Regel schon bei der Erstellung zu teuer für die bewohnende Familie – ein sachgemässer Unterhalt übersteigt die finanziellen Möglichkeiten; besonders dann, wenn die HauseigentümerInnen pensioniert sind und von ihrer Rente leben. Zudem: was man seit Jahren bewohnt, hat sich bewährt und ist gewohnt – „austragen“, „auswohnen“ bietet sich da als bequemste Varainte ohne Baubeeinträchtigung an.
- Selbst in zu Nutzungsbeginn homogene Quartiere (d.h. Familien mit Kindern in ähnlichem Alter) ist das „Generationen“-Alter der einzelnen Objekte sehr unterschiedlich; gerade bei Reihenhaussiedlungen wird dadurch eine zukunftsgerichtete Erneuerungsstrategie erheblich erschwert. Wie sollen sich Nachbarn, von denen die einen seit vierzig Jahren in einem (jetzt für sie günstigen) Reihenhaus wohnen und bereits die Züglete ins Altersheim vorbereiten, während die andern für relativ viel Geld das Haus neu erworben haben, auf eine gemeinsame Erneuerungsstrategie verständigen? Die Erfahrung zeigt:die wenigsten HauseigentümerInnen wissen, wie das Haus ihrer NachbarInnen beheizt wird – und können sich auch nicht vorstellen, eine gemeinsame Lösung anzustreben.
Einfamilienhäuser sind nur ein Segment der Wohneigentumsförderung – bei Wohnungen in Mehrfamilienhäusern kommt das Prinzip des Stockwerkeigentums zur Anwendung. Die Schwierigkeiten des Einfamilienhauses im Bezug auf Unterhalt und Wertvermehrung steigen exponentiell, weil hier die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Wohnungen noch viel direkter und unmittelbarer erfolgen. Die Horrorstories aus Stockwerkeigentum – zum Beispiel im Hinblick auf die EigentümerInnen-Versammlung – füllen Bücher. Auch diese Wohnform führt zu einer erheblichen Vernichtung von Gebäudesubstanz, führt also zu einem Verzehr von Vermögen.
Wohneigentumsförderung in der heutigen Form führt also zu einer dilettantischen Gebäudebewirtschaftung mit einer erheblichen Vernichtung von Substanz und Vermögen. Ein professioneller Umgang mit Immobilien ist erst möglich bei einem Portfolio mit einem Anlagevermögen 500 Mio bis 1 Mia Franken, also bei 1’000 und mehr Wohnungen!
Eine kluge Wohnungspolitik setzt also nicht auf Wohneigentumsförderung, sondern auf das Schaffen von Wohnnutzungsrechten.
Wohnbaugenossenschaften beispielsweise stellen eine solche Form dar. Die meisten sind als gemeinnützige Wohnbauträger organisiert; es geht also nicht darum, mit der Wohnungsbewirtschaftung einen Gewinn zu erzielen, sondern eigenwirtschaftlich zu sein, das heisst auf lange Sicht eine ausgeglichene Rechnung vorweisen zu können. „100 Jahre mehr als Wohnen“ wurde 2007 in der Stadt Zürich gefeiert – rund ein Viertel des Wohnungsbestandes in der Stadt Zürich gehört Genossenschaften. Wie die regelmässigen Wettbewerbe von Wohnbaugenossenschaften für Ersatzneubauten zeigen, erfolgt hier tatsächlich ein professionelles Liegenschaftenmanagement: der rücksichtsvolle Umgang mit der Bausubstanz verlangt neben einem regelmässigen Unterhalt auch die „ehrenvolle Verabschiedung“ von Gebäuden, die Generationen einen Nutzen gebracht haben, um Platz zu schaffen für neues, welches zukünftigen Generationen einen Nutzen verspricht. Viele Genossenschaften kennen Belegungsvorschriften, die dafür sorgen, dass Familienwohnungen tatsächlich von Familien genutzt werden, die aber gleichzeitig sicherstellen, dass Menschen, die solche Familienwohnungen freigeben, in ihrem gewohnten Wohnumfeld eine neue Bleibe finden können. Genossenschaften bieten häufig demokratische Mitbestimmung; bei vielen Genossenschaften haben sich die Mieterinnen am Kapital der Genossenschaft zu beteiligen, werden also zu GenossenschafterInnen und damit MiteigentümerInnen. Genossenschaften stellen einen Versuch dar, die eigene Wohnung in ein kluges Verhältnis von Miteinander und Gesamtverantwortung zu stellen. Subventionierter Wohnungsbau ist auch bei Genossenschaften nicht zwingend, was dazu führt, dass im Sinne eines Ausgleichs auch klassische Wohnbaugenossenschaften immer häufiger Wohnobjekte für ein breites Einkommensspektrum zur Verfügung stellen, teilweise auch verbunden mit Solidaritätsbeiträgen zugunsten wenig verdienender GenossenschafterInnen.
Diese Genossenschafts-Modelle ermöglichen es breiten Bevölkerungskreisen, in einem von Spekulation unabhängigen Umfeld langfristig gesicherten Wohnraum nutzen zu können, ohne ihn umfassend besitzen zu müssen. Der Ansatz des Wohnraumnutzungsrechtes ist daher multiplizierbar und stellt die bessere Lösung dar als eine auf den Wohnungsbesitz ausgerichtete Wohneigentumsförderung.
Dieser Ansatz lässt sich nicht nur bei Genossenschaften umsetzen; denkbar wären auch privatrechtliche Formen, zum Beispiel als Aktiengesellschaften. Einzelpersonen würden nicht mehr Wohneigentum besitzen, sondern würden Anteile an Wohnungsbewirtschaftungsgesellschaften halten, welche verbunden sind mit dem Wohnrecht in einem Objekt dieser Gesellschaft.