Der Bundesrat hat am 1. Dezember 2017 die Klimaschutzpolitik für die nächsten Jahre beschlossen. Diese ist verfassungswidrig, weil sie die Nachhaltigkeitsvorgaben der Bundesverfassung (Art. 2, Art. 73) missachtet: Die Klimaschutzpolitik des Bundesrates ist nicht enkel-, schon gar nicht urenkeltauglich! Wenn die Schweiz ihren Beitrag zur Minderung des Mensch gemachten Klimawandels erbringen will, hat die Schweiz um 2040 bis spätestens 2050 aus den fossilen Energien auszusteigen! Bis dann ist die gesamte Energieversorgung auf dezentral und nachhaltig nutzbare erneuerbare Energien umzustellen. Die Zivilgesellschaft ist gefordert!
Das Pariser Klimaschutz-Übereinkommen von 2015 gibt vor, dass der Mensch gemachte Klimawandel bis Ende dieses Jahrhunderts auf deutlich unter 2 °C, besser höchstens 1.5 °C Temperaturerhöhung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen ist. Was dies bedeutet, ist etwa auf der Wikipedia-Seite zur Pariser COP 21-Konferenz festgehalten: Soll das 1,5°-Ziel ohne Einsatz der CCS*-Technik erreicht werden, muss die Verbrennung fossiler Energieträger bis ca. 2040 komplett eingestellt werden und die Energieversorgung – d. h. Strom, Wärme und Verkehr – in diesem Zeitraum vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden.
Es gibt diverse Studien darüber, die diese Aussage bestätigen oder sogar einen schnelleren Ausstieg aus den fossilen Energien fordern. Einige Beispiele:
- WWF Schweiz, Medienmitteilung: Klimaabkommen von Paris: In 20 Jahren weg vom Erdöl und Erdgas
- sonnenseite.com/Franz Alt, 12.11.2017: Klimaschutz? Die Zeit rennt uns davon – Klimawissenschafter zeigen, dass fossile Energieträger spätestens 2035 weitgehend ersetzt werden müssen. Wir müssen weit schneller handeln, als viele dies wollen.
- Caritas Schweiz, 4.9.2017: Die Schweiz muss mehr tun für die Bewältigung des Klimawandels / Keine Klimapolitik auf Kosten der Ärmsten
Spätestens seit der COP 23 im November 2017 in Bonn ist bekannt, dass die bisherigen Klimaschutz-Verpflichtungen der Staaten überhaupt nicht ausreichend sind.
Die Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. Dezember 2017 ist ein Meisterstück im Verharmlosen und Weglassen – da wird schlicht nicht die gesamte Wahrheit erzählt. «Dadurch verstärkt die Schweiz ihren Beitrag zur Begrenzung der globalen Klimaerwärmung …» (Ende erster Textblock) ist eine dieser offensichtlichen Fehlleitungsformulierungen. Hier sagt der Bundesrat ausdrücklich, dass es ihm nur darum geht, den bisherigen zu schwachen Klimaschutz zu verstärken – der Bundesrat sagt damit ausdrücklich, dass die Schweiz nicht die Absicht hat, die Vorgaben des Pariser Klimaschutz-Übereinkommens einzuhalten! Im Kasten der Medienmitteilugn bezieht sich der Bundesrat auf die Verpflichtungsabsicht, die der Bundesrat VOR der Pariser Klimaschutz-Konferenz abgegeben hat. Diese ging damals noch vom 2 °C-Ziel aus, nicht von der beachtlich stärkeren Formulierung im Pariser Klimaschutz-Übereinkommen vom Dezember 2015.
Wenn so rasch als möglich aus den fossilen Energien ausgestiegen werden soll, macht eine Kompensation der Treibhausgasemissionen im Ausland längerfristig keinen Sinn – höchstens in der Anfangsphase oder zur Beruhigung des schlechten Gewissens.
Der Bundesrat setzt damit das um, was die «alten Männer» des fossilen Imperiums (oder eher sogar der fossilen Mafia) zulassen wollen.
Die Transformation zu einer Energieversorgung mit ausschliesslich dezentral und nachhaltig genutzten erneuerbaren Energien ist um etwa 2040 bis spätestens 2050 möglich, wenn wir dies wirklich wollen! Klar ist auch, dass der Mensch gemachte Klimawandel zu erheblichen Anpassungsmassnahmen führen wird respektive schon führt. Diesbezüglich ist die Botschaft des Bundesrates in der Antwort auf eine dringliche Anfrage aus dem Nationalrat eindeutig: Ein ungebremster Klimawandel über die nächsten beiden Jahrhunderte wäre gemäss dem Stern-Report aus dem Jahr 2006 mit einer Reduktion des globalen Bruttoinlandprodukts (BIP) von durchschnittlich 5 bis 20 Prozent pro Jahr verbunden (Kosten des Nichthandelns). Die Kosten einer Stabilisierung der Emissionen auf einem Niveau, das die globale Erwärmung unter 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt, liegen hingegen nur bei etwa 2 Prozent des globalen BIP. Ein engagiertes Handeln der Schweiz kann die Kosten also erheblich reduzieren, vorausgesetzt, dass die internationale Staatengemeinschaft bei der Umsetzung des Übereinkommens von Paris Fortschritte erzielt.
Jetzt ist die Zivilgesellschaft gefordert – sie hat dafür zu sorgen, dass der raschestmögliche Ausstieg aus den fossilen Energien konkret wird!
Was ist zu tun?
Es ist längst bekannt, was getan werden muss: Der Transformationspfad hin zu einer nachhaltigeren fossil- und atomfreien Energieversorgung betrifft alle Lebensbereiche. Es geht um eine Vielzahl von Einzelmassnahmen in vielen Alltagshandlungen. «Wäre es nicht besser, wenn …» gilt nicht mehr, es heisst schon lange nicht mehr «Oder», sondern nur noch «Und». Bis anhin zeigen die Erfahrungen, dass selbst Engagierte auf diesem Transformationspfad tendenziell zu wenig tun!
- Suffizienz, Effizienz, Konsistenz – diese drei handlungsleitenden Nachhaltigkeitsprinzipien haben an erster Stelle der Überlegungen zu stehen. Ein Beispiel: E-Autos sind mit erneuerbarem Strom betrieben und mit funktionierender Von-der-Wiege-zur-Bahre-Ressourcenstrategie sicher eine gute Sache – weniger Verkehr und der Verkehr zu Fuss, mit dem (Elektro-)Velo oder bei längeren Strecken mit dem öffentlichen Verkehr sind immer die bessere Lösung.
- Spätestens 2040 hat die gesamte Energieversorgung aller Bauten ausschliesslich mit erneuerbaren Energien zu erfolgen, möglichst viel davon auf dem eigenen Grundstück genutzt. Es gibt bereits heute eine Vielzahl von mustergültigen Lösungen – Eigentümerschaften, Planende, UnternehmerInnen haben dafür zu sorgen, dass diese zum Normalfall werden. Zum Beispiel: Wer sich heute noch für eine Heizung mit Öl- oder Gasfeuerung entscheidet, liegt ganz einfach falsch (und wurde falsch beraten). Dies gilt sowohl für Neubauten als auch für bestehende Gebäude!
- Eine vegetarische Ernährung oder zumindest eien mit deutlich weniger Lebensmitteln tierischer Herkunft ist zu bevorzugen – erstaunlich dabei ist bloss, wie viele Emotionen diese einfache Empfehlung auslöst.
- «Weniger ist mehr» gilt insbesondere im Konsum. Beispielsweise könnte Sharing Economy helfen, die vielen «Herumstehzeuge» in unseres Alltags zu vermindern.
- Gerade für den Flugverkehr sind Suffizienz, Effizienz und Konsistenz im besonderen Mass zu beachten. Flugreisen CO2-mässig zu kompensieren, ist derzeit geradezu zwingend – die Vermeidung von Flugreisen ist die bessere Lösung!
Und: Es lohnt sich sicher, die National- und StänderätInnen, welche in nächster Zeit die bundesrätliche Klimaschutzpolitik beraten, an ihre Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung zu erinnern!
*CCS steht für «Carbon Capture and Storage», (Details im Wikipedia-Beitrag), die Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre mit dauerhafter und sicherer Endlagerung (tönt exakt wie beim Atommüll). Bis jetzt sind keine Verfahren bekannt, die eine globale Anwendung zulassen würden. CCS wäre somit «Klimaschutz», welcher den nachfolgenden Generationen überlassen würde – das hat mit Nachhaltigkeit definitiv nichts zu tun!
Ich stimme ihrer Analyse grundsätzlich zu. Die neue CO2-Gesetzes-Vorlage geht komplett am Pariser Klimaabkommen vorbei. Wie die Klima-Allianz mit ihren über 70 Mitgliederorganisationen moniert, müssten die Ambitionen mindestens verdoppelt werden: http://www.alliancesud.ch/de/politik/klima-und-umwelt/co2-gesetzesvorschlag-komplett-ungenuegend. Und im Bereich Klimafinanzierung steht in der Vorlage gar nichts…