Abstimmung Kanton Zürich 15. Mai 2011: Politik funktioniert nicht als Multiple Choice

Der Stimmzettel für die erste Abstimmungsfrage zu einer allfälligen Änderung des Kantons Zürich sieht fast aus wie ein Spielzettel für Lotto oder Lotto. Da haben Kantons- und Regierungsrat nicht seriös gearbeitet: Volksabstimmungen sind nicht dazu geeignet, Lösungen zu diskutieren, die Stimmberechtigten sind dazu aufgerufen, einfache und klare Entscheide zu fällen. Derartige Vorlagen verunmöglichen dies. Da gibts nur eine mögliche Parole: 3 mal Nein zu jeder Teilfrage – ignorieren der Multiple-Choice-Stichfragen.



Vorschläge für das Ausfüllen der Stimmzettel für die Abstimmungen im Kanton Zürich am 15. Mai 2011

  • 1. Diverse Aenderungsvorschläge zum kantonalen Steuergesetz, nämlich 1.A. knappe 53 %-Mehrheit des Kantonsrates für eine selektive und zumindest teilweise ungerechtfertigte Entlastung von natürlichen Personen, 1.B. und 1.C. partielle Gegenvorschläge von SP und GLP: 3 mal NEIN – aufgrund der Parteienanteile im Kanton Zürich ist dieses Nein besonders bei 1.A. zwingend. Da ein dreifaches Ja nicht möglich ist, obwohl sich die Anliegen der drei Teilvorlagen nicht zwingend ausschliessen, ist es den Stimmberechtigten gar nicht möglich, ihre Meinung klar auszudrücken.
  • 2.A. Finanzausgleichsgesetz: JA – 2.B. Gegenvorschlag NEIN – und damit bei der Stichfrage Vorlage A ankreuzen.
    Diverse Untersuchungen haben gezeigt, dass die grossen Zentrumsgemeinden Zürich und Winterthur erhebliche Lasten zugunsten des Millionen-Zürich schultern. Wenn die von der Landschaft dominierte Regierungsrats- und Kantonsratsmehrheit einem Finanzausgleichsgesetz zustimmt, ist dies mit Sicherheit eine Vorlage, die den Anliegen der Städte nur marginal entgegenkommt – der Gegenvorschlag kommt aus der $VP- und FDP-Zechprellerecke.
  • 3. Reduktion der Krankenversicherungs-Prämienverbilligungen: NEIN und 7. Volksinitiative „Tragbare Krankenkassenprämien für alle“: JA.
    Auch wenn es einmal mehr darum geht, das „Krankheitswesen“ zu unterstützen, ist klar: nicht die sozial Schwächsten sollen es sein, die an den Kostenfolgen des kranken „Gesundheitssystem“ zu leiden haben.
  • 4. Volksinitiative „Ja zur Mundart im Kindergarten“: NEIN
    Einmal mehr eine verlogene Initiative: Es geht um eine nicht situationsgerechte Zwangsnutzung der Mundart – als Kontrastprogramm zur von der Regierung vorgeschlagenen ausgewogenen Förderung von Dialekt und Hochsprache. Ich verstehe wie Peter von Matt Dialekt und Hochsprache als Deutsch in zwei Gestalten – und kann der Beurteilung von Pedro Lenz von deutscher Hochsprache als Fremdsprache nicht folgen. Da es zu den frühen Erfahrungen eines Kindes in der Deutschschweiz gehört, dass die geschriebene und die auf der Strasse und möglicherweise zu Hause gesprochene Sprache unterschiedlich sind, muss die Hochsprache bereits auch im Kindergarten möglich sein. Eine einheitliche „Mundart“ gibt es zudem nicht (man hört etwa bei der Mundart „autochtoner“ LimmattalerInnen deutliche Unterschiede zur Dialektsprache der „eingeborenen“ BewohnerInnen von Gold- oder Pfnüselküste), eine solche Standardmundart kann es in einem Land mit grossen auch internen Migrationsbewegungen gar nicht geben. Wichtig ist, dass Kinder die Elternsprache(n) möglichst gut beherrschen – Deutsch als Elternsprache (wer unbedingt will Muttersprache) besteht in der Schweiz sowohl als Mundart (gesprochen) als auch aus der Hochsprache (gesprochen und geschrieben). Wer wie die InitiantInnen die Hochsprache im Kindergarten ausschliessen will, behindert somit die vollständige (und gute) Erlernung der Mutter- oder eben Elternsprache – und beeinträchtigt damit die Sprachlernkompetenz der Kinder!
  • 5. Volksinitiative „Nein zum Sterbetourismus im Kanton Zürich!“ und 6. Volksinitiative zur Einreichung einer Standesinitiative „Stopp der Suizidhilfe“: 2 mal NEIN
    Ob Menschen ihrem Leben selber respektive begleitet ein Ende setzen können oder den „natürlichen“ Tod palliativ unterstützt erleben wollen, gehört ausschliesslich in den individuellen Entscheidungsbereich; hier hat somit der Staat gar nichts zu suchen. Der Staat hat sich (wenn überhaupt) darauf zu beschränken, die Suizidhilfe zurückhaltend zu regeln und die Palliativpflege anzubieten, und zwar auf nationaler und sicher nicht kantonaler Ebene. Die beiden Volksinitiativen stehen in einem erheblichen Gegensatz zur Freiheit der individuellen Gestaltung des Lebensendes und sind daher abzulehnen.