Seven * 24, 7 mal 24, das ist nicht nur ein Werbeslogan, das ist auch das Motto, mit dem vor allem Wirtschaftslobbyisten Stimmung machen für eine erzwungene „Rund um die Uhr“-Beliebigkeit in allen Lebenslagen. Es mag zwar sein, dass unbegrenzter Konsum tatsächlich nach verlängerten Arbeitszeiten verlangt, es mag sein, dass die lausigen Arbeitsbedingungen im Detailhandelsgewerbe tatsächlich Menschen dazu bringt, gemäss Abstimmungsinseraten freiwillig und gern an Sonntagen zu arbeiten.
Unbegrenzter Konsum – spätestens seit „Grenzen des Wachstums“ kann und darf unbegrenzter Konsum nicht mehr gesellschaftliche und politische Maxime sein. Und langsam reift die Erkenntnis, dass existenzsichernde Löhne, sinnvolle Arbeitsbedingungen zwingende Erfordernisse einer modernen Gesellschaft sind.
Wenn es auf Plakaten (z.B. der FDP) „Freie Wahl statt Einkaufsverbot“ heisst, so hat Erhard Eppler die Antwort bereits gegeben: „Dass sich Menschen ihren Tag einteilen müssen, zu einer gewissen Zeit aufstehen, frühstücken, zur Arbeit gehen, Sport treiben, zu Abend essen, die Tagesschau sehen, zum Stammtisch gehen müssen, widerspricht nicht ihrer Freiheit, es entspricht sogar dem menschlichen Bedürfnis, die Zeit einzuteilen, ihr durch verlässliche Rhythmen ihre menschenfeindliche Öde zu nehmen. Die Abschaffung all dieser heilsamen Rhythmen als Gebot der Freiheit zu feiern, gelingt wohl nur auf der Basis eines sehr flachen Menschenbildes. Diese Abschaffung auch noch mit der uneingeschränkten Konsumfreiheit zu begründen, sagt mehr aus über die Dominanz der Ökonomie am Ende des Jahrtausends als über menschliche Grundbedürfnisse.“, aus dem Buch „Was braucht der Mensch?“ (Reihe Campus der EXPO 2000 HANNOVER) – anstelle „am Ende des Jahrtausends“ kann einfach „zu Beginn des Jahrtausends“ eingesetzt werden.
Dem muss nichts beigefügt werden.
P.S. Wer aus den vielen (fast rund um die Uhr offenen) Tankstellenläden eine Ungerechtigkeit für Bahnhofsläden ableitet, tut besser daran, sich für eine Einschränkung der Öffnungszeiten von Tankstellenläden einzusetzen als noch längere Öffnungszeiten für Bahnhofsläden zu verlangen.
P.S. Wer davon spricht, es gehe ja nur um Bahnhof-Verkaufsgeschäfte, vergisst eines: der von der Wirtschaft geltend gemachte Sachzwang für längere Ladenöffnungszeiten gilt nicht nur für diese Branche!
Die Stimmberechtigten haben leider sehr sehr knapp ja gesagt zu dieser Vorlage. Auffällig daran: Vor allem die Städte, die schon von diesen Bahnhoföffnungszeiten profitieren, haben zugestimmt, die eher ländlichen Gebiete nicht. Bei den hohen Ja-Anteilen in den Städten waren kaum grundsätzliche politische Ueberlegungen damit verbunden, sondern die simple individuelle Bequemlichkeit und das Ausblenden der negativen Folgen für die generelle Sonntagsruhe. Es handelt sich um eine ausgesprochen apolitische Meinungsäusserung der Beliebigkeits-Konsumgesellschaft.
In einer Demokratie gilt grundsätzlich das Mehrheitsprinzip, zur Annahme braucht eine Vorlage mindestens 50 % plus 1 Stimme. Wer bei 50.6 % von einer „Bodigung“ oder einem „Eigentor“ der Gewerkschaften spricht, hat wesentliche Elemente der Demokratie nicht begriffen und sollte an Abstimmungssonntagen besser den Schnabel halten (z.B. die FDP).
Erste Fassung: 8.11.2005