Spätestens nach den zweiten Wahlgängen für den Ständerat war klar, dass die Bundesratszusammensetzung nur im „rechten Block“ FDP-$VP ändern könnte. Dies entspricht einigermassen den Wahlergebnissen – und ist somit auch als klares Konkordanzergebnis zu werten. Festzuhalten ist, dass dies nicht einem Linksrutsch entspricht: da insbesondere die „rechten“ Parteien kräftig nach rechts gedriftet und die Mitte und die linken Gruppierungen sich in der Tendenz ebenfalls nach rechts verschoben hat, hat das Mittel der Stimmberechtigten wieder die frühere „Mitte“ hergestellt. Das Hauptergebnis der Bundesratswahlen ist der Wechsel des erst kurz amtierenden Bundesrates Didier Burkhalter in das Departements des Äussern und damit die Übernahme des Departements des Innern durch Neo-Bundesrat Alain Berset.
Der „Ausstieg“ von Bundesrat Burkhalter beim EDI ist eine veritable Bankrott-Erklärung. Viele EDI-Dossiers sind gesellschaftspolitisch umstritten. Erschreckend ist dabei die Erkenntnis, dass selbst im eigenen Land, wo die Selbstbestimmungs-Möglichkeiten gross sind, bis jetzt keine zukunftsgerichtete Politik verfolgt wird. Exemplarisch äussert sich dies an der Bezeichnung „AHV-Revision“: Es ist längst klar, dass das System der sozialen Sicherung weit von einem nachhaltigen Ansatz entfernt ist. Die sogenannten „Drei Säulen“ der Altersvorsorge sind letztlich nur eine Säule: alles stützt sich auf Erwerbsarbeit ab. Nur: Erwerbsarbeit ist eine untaugliche Einzelbasis, um die Altersvorsorge sichern zu können. Das zeigt sich etwa daran, dass immer wieder verlangt wird, die AHV-Altersgrenze deutlich anzuheben, um mehr Vorsorgegelder ansparen zu können, gleichzeitig aber eine beachtliche Erwerbslosenquote, darunter sehr viele BerufsanfängerInnen und Jung-AkademikerInnen, ausgewiesen wird. Es ist offensichtlich: es ist unmöglich, das Wohlergehen der Gesellschaft ausschliesslich über Erwerbsarbeit zu ermöglichen. Es führt nichts daran vorbei, so rasch als möglich auf ein System mit bedingungslosem Grundeinkommen für alle zu wechseln, mit einer Vielzahl von Finanzierungsquellen, um das System der sozialen Sicherung unabhängiger von Einzelfaktoren – wie heute von der Erwerbsarbeit – zu gestalten.
Alain Berset wird als eigentlicher Polit-Superstar beschrieben – im Bundesrat hat es entweder für „TechnokratInnen“ oder für genau solche Superstars Platz. Alain Berset erinnert in einem gewissen Sinn an US-Präsident Barack Obama – „Yes WE Can“ war und ist dessen Botschaft. Dieser Hoffnungsträger wird durch innenpolitische Machtgames und das Aufräumen der Hinterlassenschaften der Vorgängerpräsidentschaft massiv an der Realisierung seiner Vision „Yes WE Can“ gehindert. Dabei ist „WE“ das Schlüsselwort: wie in der Schweiz die $VP verstehen Republikaner und Tea Party das „WE“ sehr begrenzt und interpretieren es als Beschränkung auf die eigenen Vorteile. Barack Obama versteht „WE“ deutlich umfasssender. Oder anders: „We“ verlangt nach den Global Goals, nach den gemeinsamen Zielen – und zwar möglichst aller Menschen auf diesem Planeten. Es wird spannend sein, wie es Alain Berset gelingt, an diesem konstruktiven „Wir“-Verständnis zu arbeiten.
Fast etwas untergegangen angesichts des geradezu grotesken Bundesratswahl-Theaters ist eine andere Meldung dieser Tage: wie nicht anders zu erwarten hat, hat die vorsätzliche Güterverkehrspolitikverhinderung das von der Lastwagenlobby herbeimanipulierte Ergebnis: der Güterverkehr wechselt nicht von der Strasse auf die Schiene! Nur: diese Forderung ist nicht einfach „Nice to Have“, die Güterverkehrsverlagerung ist eine zwingende Notwendigkeit aus Nachhaltigkeitssicht!
Dieses Dossier liegt zwar nicht auf dem Pult von Alain Berset – als Konkordanz-Bundesrat wird er sich auch dazu äussern müssen – ein echtes „Wir“-Verständnis könnte auch hier helfen.
Noch immer ist die Schweizerische Energiepolitik schlicht nicht vorhanden, sondern besteht allenfalls aus Episödchen. Da eine fossil- und nuklearfreie Energieversorgung möglich ist, braucht es hier deutlich mehr Tempo und Intensität.
An die Arbeit: „Yes WE can“ – die Lage ist ist extrem alarmierend, die Gesellschaft war noch nie weiter von einer nachhaltigen Entwicklung entfernt als heute – es braucht also Global Goals, es braucht neue politische Instrumente. Es ist zu hoffen, dass nun die Politik an die Arbeit geht, nicht an den Interessen der LobbyistInnen ausgerichtet, sondern mit Blick auf das Gesamtsystem Erde und die sich daraus ergebenden Handlungsaufträge an die Schweiz!