Die Stadt Zürich, vertreten durch das Amt für Städtebau, hat Ende März 2006 15 Bauvorhaben aus den Jahren 2002 bis 2005 als gute Bauten bezeichnet – erklärtermassen einzig aus Sicht Architektur.
Der Blick in den Katalog zeigt: hier wird die gemeinsame Subjektivität einer willkürlich zusammengesetzt Jury, 2 Frauen und sieben Männer, zelebriert – mit grosser Wahrscheinlichkeit wäre eine anders zusammengesetzte Jury zu anderen Schlüssen gekommen. Gerade bei Bauten stellt sich die Frage der Schönheit – siehe auch die Diskussion um die neue Beleuchtung der Bahnhofstrasse – anders als etwa bei Mister oder Miss Schweiz: die ästhetische Wahrnehmung von Bauten hat sehr viel mit Gewöhnung und Gewohnheiten zu tun. Was aber nichts daran ändert, dass – und zwar individuell unterschiedlich – gewisse Bauten erduldet werden, während andere geschätzt werden. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind die „Schönheitselemente“ der ausgezeichneten Bauten nicht übertragbar auf andere Bauvorhaben, zu stark sind die Abhängigkeiten von den spezifischen Randbedingungen eines Grundstückes.
Die Auszeichung fokussiert einzig auf die Ästhetik von Bauten – also das, was auf ersten und vielleicht einen zweiten Blick erkennbar ist. Nun, gute Architektur ist wesentlich mehr. Schliesslich werden Bauten für eine lange Nutzungsdauer von mindestens 80 Jahren erstellt. Dazwischen ist allenfalls eine Instandsetzung erforderlich. Prämiert werden Bauten zu Beginn einer neuen „Lebensphase“. Wie sehen diese Bauten in 10, 15, 20 oder gar 50 Jahren aus? Bauten werden für Nutzungen erstellt. Wie gebrauchstauglich sind wohl die ausgezeichneten Bauten? Und wie flexibel kann auf Nutzungsveränderungen reagiert werden? Auffällig zudem, dass in erster Linie Neubauten ausgezeichnet werden, obwohl die reale Herausforderung der Stadtarchitektur in der Weiterentwicklung bereits bestehender Bauten liegt.
Nicht zuletzt: Bauten sind mit erheblichen Stoff- und Energieflüssen verbunden, sowohl während der Erstellung als auch während der Nutzung und Bewirtschaftung. Die Erstellunbg bestimmt nur einen kleinen Teil ddieser Flüsse und der damit verbundenen Kosten. Kein Wort ist im Katalog dazu zu finden – und dies, obwohl das „Mutterdepartement“ des Amtes für Städtebau, das Hochbaudepartement unter Führung von Stadträtin Kathrin Martelli, sich einen Ruf geschaffen hat im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit des Bauens. Was dies beispielsweise aus energetischer Sicht heisst, wurde im „SIA Effizienzpfad Energie“ als Strategie für energieeffizientes Bauen in der Schweiz, basierend auf der Idee der 2000-Watt-Gesellschaft, dargestellt. Bei Wohnbauten wurden dazu Zielwerte für Baumaterialien, Raumklima, Warmwasser, Licht/Apparate, Mobilität erarbeitet. Angesichts der Nutzungsdauer von bauten ist es aus dieser Sicht erforderlich, dass Bauten in etwa den Anforderungen des Minergie-P-Standards entsprechen. Dies erfüllt keines der ausgezeichneten Objekte – einige wenige genügen den weniger weit gehenden Anforderungen von Minergie.
Fazit: Diese Bauten mögen zwar aus der subjektiven Sicht der Jury-Mitglieder „schön“ sein – in einem ganzheitlichen Sinn „gut“ sind sie es nur zu einem geringen Teil. Denn schliesslich ist Architektur, ist Bauen, mehr als Schein!
Wenn ein solcher Wettbewerb gültige Akzente für das Architekturgeschehen setzen soll, ist zwingend der Blick von der „Schönheit“ auch auf die inneren Werte der auszuzeichnenden Bauten – Qualität erfordert einen umfassenden Blick!