Der Entscheid der Schweizerischen Stimmbevölkerung vom 8. Februar 2009 zu den Verträgen mit der EU (u.a. Freizügigkeit) ist etwa so ausgefallen, wie dies angesichts der bisherigen Abstimmungen erwartet werden konnte. Wenn die SVPlerInnen im Nachgang der Abstimmung ausfällig werden, so ist dies darauf zurückzuführen, dass die SVP als erfolgsorientierte Partei zwingend ein schlechter Verlierer ist. Ihr Hang zur Autokratie trägt weiteres zu diesem eher unüblichen Verhalten bei.
Demokratie ist bis zu einem bestimmten Mass käuflich. Und es war definitiv kein klassischer Abstimmungsvorgang – es ging für die offizielle Schweiz nicht so sehr um Inhalte, sondern um das Prestige. Die meisten europäischen Staaten funktionieren ausgeprägt indirekt-demokratisch, ganz im Gegensatz zur Schweiz, wo die Stimmberechtigten regelmässig auch zu inhaltlichen Fragen Stellung nehmen können (in den meisten Ländern Europas ist die demokratische Mitbestimmung im wesentlichen auf die Wahlberechtigung beschränkt). Da die EU mit direkter Demokratie ausgesprochen Mühe hat – die EU ist ein Demokratiedefizit -, ist es für die Verantwortlichen der EU, welche 500 Mio Menschen repräsentieren, schlicht nicht denkbar, auf 3 Mio Stimmberechtigte in der Schweiz in irgend einer Form Rücksicht nehmen zu müssen. Nochmals: Bei dieser Abstimmung ging es nicht um Inhalte, sondern um die Machtfrage: kann/darf/muss die EU den Bundesrat als Verhandlungspartner ernst nehmen, oder verhandelt der Bundesrat unter dem Druck der Stimmberechtigten. Mit etwa 60 % Ja-Anteil ist die Sache klar: der Bundesrat hat den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung bei den die Zusammenarbeit mit der EU betreffenden Dossiers!
Letztlich ist dies auch eine direkte Folge der dümmlichen und trötzlerischen Arbeit der SVP – diese Partei hat bei jenen, die sie nicht wählen, kaum mehr Glaubwürdigkeit! Da es bei derartigen Fragen ausschliesslich um Image und nicht um Inhalte geht, ist es folgerichtig, dass es der SVP nicht gelingt, derartige Abstimmungen in ihrem Sinn zu entscheiden.
Ich bin durchaus der Meinung, dass sowohl SVP wie Bundesrat und Pro-Gruppierungen den politischen Anstand vergessen haben vor dem 8. Februar 09. Solche Abstimmungen sollte man schlicht nicht durchführen (dies auch als Hinweis an Referendumskomites) – weil es absehbar war, dass nicht um Inhalte, sondern um Image und Glaubwürdigkeit gerungen werden würde. Demokratie ist leider (auch) käuflich…
Es darf nicht ausser acht gelassen werden, dass es nahezu sämtlichen politischen Kräfte in den letzten Jahren darauf angelegt haben, nicht mehr wegen Inhalten zu politisieren, sondern wegen der Distanzierung von der SVP! Es gab und gibt sehr viele gute Argumente gegen die EU in der heutigen Form, die Nahost-, Klimaschutz- und Marktliberalisierungspolitik der EU sind weder auf Nachhaltigkeit noch auf Gerechtigkeit ausgerichtet, sondern billigster Opportunismus. Nur: weil es ja ums Image der SVP geht, wollen die BefürworterInnen einer Zusammenarbeit mit der EU solche Dinge gar nicht hören. Oder anders: viele möchten am liebsten in die EU, weil es dann mehr Menschen gibt, die sich bei politischen Niederlagen oder dem Versagen der Institutionen gegenseitig trösten können (dieser Satz ist polemikfrei und entspricht Originalzitaten von Menschen sowohl aus der Schweiz als auch aus dem EU-Raum).
Eines noch: die lautstarke Präsenz der SVP der letzten 20 Jahre geht offensichtlich und zum Glück dem Ende entgegen. Es ist sowohl Bundesrat als auch den anderen Parteien dringend zu raten, endlich wieder eine Politik zu machen, die sich an Inhalten und Zielen orientiert und nicht ausschliesslich am Image.