Die Stimmberechtigen der Stadt Zürich haben am 7. September 2003 entschieden: 59.2 Prozent Ja zum Einkaufszentrum mit Stadion (bei zwei Entscheiden zum gleichen Thema bestimmt jener mit dem tieferen Ja-Anteil das Ergebnis). Dabei haben sicher auch die Marktkräfte gespielt – Stimmen lassen sich mit erheblichem Werbeaufwand kaufen, der Inserateteil in den Zeitungen lässt sich mit genügend Geld auch in den readaktionellen Teil verlagern. Real existierende Demokratie halt.
Jetzt hat die „Demokratie“ gesprochen. Und jetzt ist der Rechtsstaat gefragt. Schon im Vorfeld hat sich die hohe Politik ziemlich ungebührlich geäussert: die Deutlichkeit des Abstimmungsergebnis müsse auch Einfluss auf die Rechtsmittelverfahren haben, von schnellen Verfahren, vom Entzug der aufschiebenden Wirkung war die Rede (hier mehr dazu). Der Rechtsstaat kann mit Deutlichkeit nicht funktionieren. Jeder Entscheid, ob mit einer Stimme Mehrheit oder ob einstimmig, muss der rechtsstaatlichen Überprüfung standhalten. 13.3 % betrug im Gemeinderat der Nein-Stimmenanteil zum Einkaufszentrum mit Stadion, in der Volksabstimmung bereits 40.8 %, der direkt betroffenee Stadtkreis hat gar Nein gesagt. Und das soll deutlich sein? Wann ist ein Entscheid deutlich? Schlicht und einfach: Deutlichkeit darf in einem Rechtsstaat keine Bedeutung haben, da muss jeder, wirklich jeder Entscheid der Stimmberechtigten mit den Rahmenvorgaben der Verfassung und der Gesetze übereinstimmen!
Wenn nun die Einkaufszentrum-Promotoren aus Wirtschaft und Politik zum Verzicht auf die Rechtsmittel auffordern, erneut schnelle Verfahren verlangen, erwecken sie den Eindruck, etwas verstecken zu wollen. Offenssichtlich haben sie den Stimmberechtigten „die Katze im Sack“ verkauft und wollen nicht zulassen, dass dies bekannt ist.
So geht das nicht – im Gegenteil: gerade Entscheide von derartiger Tragweite machen es erforderlich, dass deren Verträglichkeit mit Verfassung und Gesetz ohne Vorbehalte, ohne irgendwelche Vorbefassheiten grundsätzlich überprüft werden können, überprüft werden müssen. Erst eine unabhängige, seriöse Überprüfung macht aus einem Volksentscheid einen demokratisch gefassten Beschluss!
1. Fassung 7.9.2003