Am 21. Februar 2007 hat der Bund eine „neue Energiepolitik“ beschlossen – er will sowohl neue Atomkraftwerke und auch neue Gaskraftwerke. Ganz sanft wird auch auf die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien hingewiesen.
Dieser Beschluss ist bestenfalls alter Wein in neuen Schläuchen – und energiepolitisch ist dieser Beschluss nicht wirklich. Es handelt sich um einen wirtschaftpolitischen Entscheid für die Wirtschaftsbranche Elektrizitätswirtschaft. Diese redet und schreibt seit einiger Zeit eine Stromversorgungslücke herbei – jetzt hat der Bundesrat die PR-Anstrengungen der Elektrizitätswirtschaft erhört. Da die Stromwirtschaft weit von einer nachhaltigen Wirtschaftsweise entfernt ist, ist sie zwingend auf eine dauernde Stromverbrauchszunahme angewiesen. Hier braucht es dringend Gegensteuer: die Politik muss Szenarien entwicklen, wie Unternehmen mit ökologisch belastenden Produkten auch bei abnehmendem Produkteabsatz ökonomisch und sozial gut wirtschaften können. Das gilt nicht nur für die Stromwirtschaft, sondern ebenso für die Erdgas- und Erdölwirtschaft oder die Wasserversorgungen.
Elektrizitätsunternehmungen sind in der Regel völlig ungeeignet, Stromeffizienz bei den Endverbrauchern zu erreichen, dies ist schlicht nicht deren Kernkompetenz – ausser sie haben einen knallharten Leistungsauftrag, zum Beispiel von der Politik. Es gibt dazu auch in der Schweiz einige Beispiele, zum Beispiel das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ewz mit dem Energieeffizienz-Bonus. Im Interesse der KonsumentInnen hat eigentlich die Energieeffizienz eine höhere Bedeutung, weil das Geldsparpotential wesentlich grösser ist als beim „Spielen“ mit den Stromtarifen.
Atomkraftwerke – oder halt eben Kernkraftwerke – sind schlicht und einfach unnötig,
und zwar sowohl die bestehenden und erst recht neue Anlagen! Und es braucht auch keine neuen Gaskraftwerke!
Stromlücke – das ist ein Phantombegriff, eine reine PR-Worthülse der Elektrowirtschaft! Ein ganz banaler ökonomischer Ansatz: wird ein Produkt knapp, steigen die Preise, was den bewussteren Umgang mit diesem knappen Gut wesentlich erleichert. Dummerweise sind Strompreise der Preisüberwachung unterstellt – und obwohl der gegenwärtige Preisüberwacher immer ein Standbein in der Ökologie hatte, nötigt er Stromversorgungsunternehmen, die Strompreise ungebührlich tief zu vermindern. Hier besteht dringender Revisionsbedarf: aktuell sinken die Strompreise, während die Stromkonzerne eine Stromlücke ausmachen. Irgendetwas lügt hier! Wenn eine Stromlücke droht, müssen die Stromkonzerne die Strompreise anheben – tun sie dies nicht, ist die Stromlücke ein Hirngespinst.
Interessant ist die Reaktion von FDP und SVP auf die „neue Energiepolitik“. Die FDP will auf keinen Fall ein neues Gaskraftwerk, setzt dafür mit eigenartigen Begründungen auf AKWs. Nun, diese Partei ist massgeblich verantwortlich für die aktuelle Situation: viele ihrer RegierungsrätInnen sitzen in den Verwaltungsräten der Energieversorgungsunternehmen – und wie im Fall des Kantons Zürich/EKZ setzen diese RegierungsrätInnen einzig auf eine Aktionärsstrategie, die möglichst viel kurzfristige Rendite verspricht – und die SVP hat noch gar nicht bemerkt, auch wenn auch ihre VertreterInnen mit Inkompetenz und Eigeninteressen viele Verwaltungsräte im Strombereich mitgestalten. Das Dilemma, sich zwischen Atomkraftwerken und Gaskraftwerken entscheiden zu müssen, haben nur Parteien, die bis jetzt Stromeffizienz belächelt und ignoriert haben. Ehrlicherweise wäre es an der Zeit, dass sich FDP und SVP aus der Energiepolitik und insbesondere den prestigeträchtigen Verwaltungsratsmandaten zurückziehen – auch in diesem Bereich wird das Versagen der ausschliesslich gewinnorientierten Unternehmenspolitik immer augenfälliger.
Nachdem vor Wochen Bundesräte in den Medien zitiert wurden mit abschätzigen Äusserungen über Stromeffizienz und erneuerbare Energien, kommen diese Stichworte sogar in der „neuen Energiepolitik“ vor. Allerdings fällt auf, dass die Entscheide für die bundesrätliche Unterstützung von neuen Atomkraftwerken und Gaskraftwerken offenbar bereits gefallen sind, während für die Stromeffizienz noch Programme erarbeitet werden müssen. Dies zeigt, dass für den Bundesrat Energieeffizienz nach wie vor kein echtes Thema ist – wäre es dies, hätte der Bundesrat mit seinen Aussagen zu neuen Kraftwerken zugewartet, bis die Effizienzfrage geklärt ist. Denn: weil die Stromeffizienz ein erhebliches Potential hat – Grössenordnung 50 % des heutigen Verbrauchs – sind bei einer ernsthaften Umsetzung der Stromeffizienz neue Atom- und Gaskraftwerke schlicht obsolet. Oder anders: mit seinen Entscheiden zur Unzeit verursacht der Bundesrat „nicht-amortisierbare Investitionen (NAI)“! Allerdings: damit die Stromeffizienz ihr Potential realisieren kann, muss die unselige Phase der Beliebigkeits-Freiwilligkeit endlich vorbei sein. Der Bundesrat hat diverse Vereinbarungen mit diversen Branchen eingegangen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind: sehr sanfte Anforderungen, null Sanktionen bei Nicht-Erreichung – kein Wunder, dass nicht passiert. Verbindliche, ambitiöse und dynamische Vorgaben für stromverbrauchende Einrichtungen sind dringlich. Allein das Thema Standby verlangt hochwirksame Massnahmen.
Es fällt auf, dass die energiepolitischen Aussagen des Bundesrates auf den Strombereich beschränkt sind. Der Handlungsbedarf ist im Bezug auf Massnahmen gegen die globale menschgemachte Klimaveränderung ausgewiesen und dringlich. Es braucht endlich eine ökologische Finanzreform mit einer stark lenkenden Energieabgabe auf alle Energieträger.
Internet-Instrumente zur Beurteilung des Stromverbrauchs
- energybox.ch – die interaktive Beratungsmaschine für Strom in Ihrem Haushalt
- Stromverbrauchskalkulator von umweltnetz.ch – Einfachstversion mit Ausgangsdaten von 1990
siehe auch: axpo: Weniger ist besser als mehr!