Die Situation ist tatsächlich unhaltbar: an vielen Orten ist der Verkehr ein tägliches Ärgernis. Da lärmt es mitten durch Wohnquartiere, es stinkt, es dröhnt, der Verkehr ist viel zu schnell, gefährdet VelofahrerInnen, FussgängerInnen. So kann es tatsächlich nicht weitergehen.
So unhaltbar ist die Situation auch im Brückenstädtchen Eglisau am Rhein: Der Verkehr ist untragbar. Der Gemeinderat von Eglisau wollte etwas tun für die geplagte Bevölkerung, und hat beim Kantonsrat eine Behördeninitiative für den Bau einer Umfahrungsstrasse eingereicht. Nur: das ist nicht einmal eine Scheinlösung! Denn auf diese Art wird der Verkehr nicht weniger, eher noch mehr, und lärmt, stinkt, dröhnt, gefährdet einfach an anderen Orten. Zudem: den direkt betroffenen Menschen bringt die vorläufige Unterstützung durch den Kantonsrat am 20. Dezember 1999 überhaupt nichts: es ist abzusehen, dass in nächster Zeit, wahrscheinlich sogar in den nächsten 20 bis 30 Jahren, keine Umfahrung gebaut werden kann. Da verkommt die gut gemeinte Aktion zur Beschwichtigung.
Helfen tut nur eins: Wir brauchen neue Ideen!
Wir müssen endlich die Menschen in den Gemeinden und Quartieren in den Vordergrund stellen und nicht jene, die unterwegs sein wollen. Ins Blickfeld der Politik gehören Menschen, die wohnen, die an einem Ort arbeiten, Menschen, die einkaufen, die zur Schule gehen: auf diese Menschen müssen wir unsere Politik ausrichten! Die Strassenpolitik muss sich endlich auf die Bedürfnisse der wohnenden Menschen ausrichten, zum Beispiel durch längst fällige Lärmschutzmassnahmen oder durch Tempo 30 generell innerorts. Wir müssen uns orientieren an den Fussgängerinnen und Fussgängern, zum Beispiel durch die Realisierung von attraktiven Fusswegen innerorts. Wir müssen schauen, was die Velofahrerinnen und Velofahrer benötigen, zum Beispiel zusammenhängende, sichere und angenehme Verbindungen innerorts und von Ort zu Ort.
Drei konkrete Handlungsvorschläge, um die Folgen des Verkehrs einigermassen in den Griff zu bekommen:
- Verkehr entsteht nicht von alleine, wir alle sind die Verursachenden. Verkehrssparen beginnt bei der kritischen Beurteilung des eigenen Verkehrsverhaltens. Braucht es wirklich das Auto, oder geht es auch zu Fuss, mit dem Velo oder dem öffentlichen Verkehr? Falls es wirklich nicht anders geht: Wie wäre es mit der Mitgliedschaft bei Mobility?
- Falls Sie die Entscheidungsmöglichkeit haben: sorgen Sie dafür, dass möglichst viele Güter per Bahn transportiert werden!
- Der Verkehr muss beruhigt werden, zuerst innerorts. Tempo 30 innerorts ist an vielen Orten eine Selbstverständlichkeit, andernorts brauchts vielleicht noch ein bisschen länger.
Nachtrag 12.12.2009
Der Auto-Anzeiger (früher Tages-Anzeiger) nimmt im Dezember 2009 das Thema wieder einmal auf. Zitiert wird unter anderem der Mediensprecher des kantonalen Amtes für Verkehr, Anselm Schwyn. Dieser lässt sich zitieren, dass sein Arbeitsweg über diese Strassenabschnitte bei Eglisau führt. In der Schweiz gibt es genau eine Person mit Namen Anselm Schwyn, wohnhaft in Thayngen – nach Zürich am Neumühlequai, Standort des Amtes, sind es gemäss Google maps via Bülach (A51) 55.3 km oder 59 Minuten für einen Arbeitsweg – dies macht bei 200 Arbeitstagen pro Jahr über 22’000 km Autofahrt – selbst bei einem Auto mit tiefem Verbrauch 2.5 Tonnen CO2 pro Jahr, und dies allein für den Arbeitsweg! Immerhin gäbe es auch noch die Option öffentlicher Verkehr – mit Fahrzeiten von 63 bis 71 Minuten für einen Weg von Bahnhof zu Bahnhof. Bei allem Verständnis für die Attraktivität des spannenden Arbeitsplatzes beim Amt für Verkehr: machen solche Arbeitswege Sinn? 2000-Watt-Gesellschaft-verträglich sind sie auf jeden Fall nicht! Es ist davon auszugehen, dass es viele Menschen wie Anselm Schwyn gibt, die sich im Verkehr nicht nachhaltig verhalten – es geht also nicht etwa darum, Herrn Schwyn anzuprangern, sondern an exemplarischen Beispielen aufzuzeigen, wie Verkehr entsteht. Darum stimmt der bald Jahre alte Titel immer noch: Eglisau ist überall! – Umfahrungsstrassen sind nicht einmal Scheinlösungen.
Nachtrag 19.4.2013
Offenbar sind es tatsächlich die ewiggestrigen Windschutzscheibenbeschränkthorizontler, die eine Umfahrung von Eglisau wollen. Nach wie vor: gar nicht fahren, egal ob mit Auto oder ÖV, ist die beste Lösung. Jeder Tag Home Office reduziert den eigenen Verkehrsbeitrag um 20 %. Ganz einfach: was nicht zu Fuss oder mit dem Velo bewältigbar ist, ist aus Nachhaltigkeitssicht eine zu lange Pendelstrecke! Alles andere ist eben Windschutzscheibenoptik – und führt zu Symptombekämpfung statt zu Lösungen.
Erste Fassung 15. Januar 2000