Ein Treffen irgendwo in der Schweiz, es kommen Fachleute aus dem Tessin, aus der Westschweiz und aus der Deutschschweiz. Bei der Begrüssung schwirren Laute von drei Sprachen durch den Raum. Die Sitzung wird in englischer Sprache abgehalten.
Die Diskussion über die Reihenfolge und den Zeitpunkt der zu lernenden Sprachen in der Schweiz erfolgt ziemlich aufgeregt und nervös, vergisst aber die Hauptbetroffenen, nämlich jene, die die Sprachen zu lernen haben und sie auch tatsächlich anwenden möchten.
Es ist eine Tatsache, dass Englisch eine hohe Bedeutung im Sprachalltag hat, unabhängig von der Muttersprache im übrigen. Wahrscheinlich lohnt es sich nicht, sich darüber zu unterhalten, ob diese Tatsache als positiv oder negativ einzuschätzen ist – obwohl es durchaus möglich ist, dass mit der Bedeutung der englischen Sprache auch kulturelle, gesellschaftliche und politische Inhalte dieses Sprachraumes global gesehen ein höheres Gewicht erhalten.
Leider hat bis anhin die Idee von Esperanto als globale Verständigungssprache keine besondere Resonanz gefunden. Eine solche künstliche Sprache ist grundsätzlich jeder Welt-Alltagssprache vorzuziehen, da sie von sämtlichen Menschen gelernt werden muss.
Es ist leider davon auszugehen, dass zumindest in der sogenannt westlichen Welt Englisch die Funktion als allgemeine Verständigungssprache übernommen hat und diese Funktion zukünftig an Bedeutung wahrscheinlich zunehmen wird. Es geht hier schlicht nicht um die Frage, ob Englisch eine besonders schöne Sprache ist oder ob es andere, vielleicht sogar geeignetere Sprachen für diese Funktion geben würde.
Wenn akzeptiert wird, dass Englisch eine Funktion als mehr oder weniger globale Verständigungssprache hat, hat das Schulsystem der Schweiz schlicht dafür zu sorgen, dass die SchülerInnen so rasch als möglich in die Lage versetzt werden, sich in dieser Verständigungssprache verständigen zu können. Und zwar hat das genauso ernsthaft zu erfolgen, wie das kleine und das grosse Einmaleins vermittelt werden! Die Ernsthaftigkeit bezieht sich dabei auf das Lernziel. Die Schule hat sich daraufhin auszurichten, dass beispielsweise nach vier Jahren Unterricht die grundsätzliche Verständigungsfähigkeit erreicht wird: SchülerInnen müssen in der Lage sein, einer Alltagskonversation in englischer Sprache zu folgen, das Lesen einer englisch-sprachigen Tageszeitung oder von Internet-Seiten mit allgemeinen Inhalten muss ohne grössere Schwierigkeiten möglich sein. Die Sprachlernmethoden müssen auf jeden Fall der Lern- und Aufnahmefähigkeit der SchülerInnen entsprechen.
Als Grundvoraussetzung gehört dazu die sichere Beherrschung der „eigenen“ Sprache – die „eigene“ Sprache sehr gut anwenden zu können, stärkt auch das Selbstverständnis.
Sollen weitere Sprachen in den Unterricht integriert werden, soll dies nur erfolgen, wenn dadurch der Erwerb der Fähigkeit der Verständigung in Englisch nicht beeinträchtigt wird. Dies schafft die Voraussetzungen, um weitere Sprachen zwar ebenfalls ernsthaft, aber in erster Linie mit Spass und Lust zu lernen! Und dies dürfte dem kulturellen Aspekt einer Sprache wesentlich gerechter werden als das zwanghafte parallele Lernen mehrerer Sprachen.
Wie vertragen sich diese Zielsetzungen – englische Sprache als allgemeine Verständigungssprache, weitere Sprachen mit Spass und Lust – mit dem Status der Schweiz als viersprachige Nation? Ist es aus regional- und bildungspolitischen Zwängen erforderlich, dass SchülerInnen zwingend zuerst eine weitere Landessprache als ihre „eigene“ Sprache lernen? Im Gegenteil! Wenn jemand aus der Deutschschweiz als erste fremde Sprache beispielsweise Französisch lernt, ist damit bereits ein Entscheid gegen zwei andere Landessprachen erfolgt. Es entspricht zudem einem Gebot der Fairness, prioritär eine Sprache zu lernen, die der gemeinsamen Verständigung dient und nicht eine, die einen anderen Menschen zwingt, sich zu befähigen, mit anderen in deren Muttersprache zu sprechen (im vollen Wissen darum, dass diese Aussage eine Bevorteilung von Menschen im anglophonen Sprachraum darstellt). Sowohl für das Berufsleben als auch für das gesellschaftliche Verständnis ist es vorteilhaft, wenn möglichst viele Menschen sich sicher in der allgemeinen Verständigungssprache ausdrücken können – dies führt auch in multilingualen Gruppen dazu, dass sich nicht nur Menschen als dem anglophonen Raum bemerkbar und verständlich machen können.
Nochmals, dies ist keine regionalpolitische, keine sprachhistorische, keine sprachkulturelle Argumentation, sondern schlichter Pragmatismus der Form!
Die Diskussion über den Fremdsprachenunterricht – zum Beispiel im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Initiative „Nur eine Fremdsprache an der Primarschule“ im Kanton Schaffhausen (weitere werden folgen) – behauptet, dass ein seriöser Fremdsprachen-Unterricht an der Primarschule, welcher auf der Fremdsprache Englisch und der „eigenen“ Sprache aufbaut, ein „Lernverbot“ darstelle. Dies ist wirklich ein sehr dummes Argument, aber leider populistisch knapp wirksam, wie das knappe Abstimmungsergebnis in Schaffhausen zeigt.
Dieses Argument ist darum dumm, weil es von der Voraussetzung ausgeht, dass Fremdsprachenkenntnisse eine Schlüsselkompetenz seien und diese Schlüsselkompetenz nur durch das frühere Heranführen an Fremdsprachen (Mehrzahl) erreicht werden könne. Es ist durchaus so, dass Fremdsprachen-Kenntnis eine wichtige Ressource darstellen – allerdings ist ernsthaft zu diskutieren, wie viele Fremdsprachen erforderlich sind. Ob es denn für die Schweiz primär Englisch und Französisch sind? Wie wärs mit Spanisch, Chinesisch oder Russisch? Und warum nicht gleich alle? – Und warum eigentlich nur Sprachen? Mindestens so wichtig sind logische und kreative Fähigkeiten, sachbezogenes Wissen zum Beispiel aus der Naturwissenschaft, gerade für die immer wichtiger werdenden Aspekte des Umweltschutzes; dazu hat sich damals auch Nobelpreisträger Richard R. Ernst geäussert, dieser Beitrag ist allerdings im Internet nicht mehr verfügbar!
Wer wie die FDP behauptet, dass Fremdsprachen-Lernen die Kernaufgabe der Primarschule sei, hat ziemlich viel nicht begriffen. Kernaufgabe der Schule, insbesondere der Primar-Schule ist neben der Einführung in die Kulturtechniken Rechnen, Lesen und Schreiben die Vermittlung von Lernfähigkeit und Lernfreude – schliesslich ist lebenslanges Lernen angesagt. Wie viele junge Menschen haben einen regelrechten Schulverleider – aus vielfältigen Gründen sicherlich. Der gewichtigste Faktor dürfte allerdings sein, dass das Lernen als Pflichtübung behandelt und nicht mit der gebührenden Ernsthaftigkeit vermittelt wird.
Wer behauptet, die Beschränkung auf eine Fremdsprache an der Primarschule sei ein Lernverbot, verwechselt Quantität mit Qualität, denn auch beim Lernen gilt: Weniger ist meistens mehr!
Deshalb: am 26. November 2006 Ja zur kantonalzürcherischen Volksinitiative „Nur eine Fremdsprache an der Primarschule„!
1. Fassung: 31.10.2005