Endlich Strassen stilllegen und beruhigen!

Vielleicht sind Sie Ihnen auch aufgefallen, die Inserate des Gewerbeverein Seefeld mit dem Titel „Appell an den Zürcher Stadtrat“ – zum Beispiel im Tages-Anzeiger vom 14.6.2008 auf Seite 28?

Um was ging es? Die Gewerbler(Innen) aus dem Seefeld wollten, dass der Stadtrat die Strassenverbindung Utoquai – Quaibrücke nicht weiterhin für die Fanzone der Euro 08 sperren würde.

Dies ist in meiner Einschätzung nur die Kulisse – dahinter liegen handfeste Interessen der AutoverkäuferInnen. Denn: die Strassensperrungen während der Euro 08 haben nämlich gezeigt: der Verkehr funktioniert auch ohne diese Strassen! So titelt das Polizeidepartement nach der Euro 08: „Verkehr verlief auch während der EURO 2008 flüssig„! So wurden beispielsweise die für die MatchbesucherInnen bereitgestellten Parkplätze zu weniger als 10 % benutzt. Unter dem Untertitel „Mobilitätsverhalten angepasst“ schreibt das Polizeidepartement der Stadt Zürich weiter: Einen wichtigen Beitrag zum hervorragenden Funktionieren des Verkehrskonzepts leisteten die Verkehrsteilnehmenden selber. Sie passten nämlich ihr Mobilitätsverhalten in zeitlicher Hinsicht und bezüglich der Verkehrsmittelwahl offensichtlich der speziellen EURO-Situation an. Dafür gebührt Ihnen ein besonderer Dank und ein grosses Lob.

Die spezielle Euro-Situation hat belegt, was andernorts schon mehrfach bewiesen wurde: gibt es weniger Strassenangebote, gibt es auch weniger Verkehr (in Umkehrung der Erkenntnis, dass mehr Strassen mehr Verkehr zur Folge haben!).

Die spezielle Euro-Situation ist vorbei – nicht aber die Klimawandel-Situation: mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verursacht der übermässige Treibhausgasausstoss einen menschgemachten Klimawandel mit nach wie vor nicht abschätzbaren Folgen für Mensch und Umwelt – der übermässige Verbrauch der Treibstoffe Benzin und Diesel ist dabei eine der treibenden Kräfte. Weil zumindest auf nationalem Niveau die Zunahme der Verkehrsleistung die Effizienzsteigerung beim Fahrzeugbau überkompensiert, gibts nur eine Lösung: ES BRAUCHT SO SCHNELL ALS MÖGLICH WENIGER AUTOVERKEHR! Die Euro hats gezeigt: das geht am einfachsten mit weniger Strassen!

Als eine Sofortmassnahme für die Stadt Zürich: Sofort die Hardbrücke für den Autoverkehr schliessen und nur noch für Bus und Velo zur Verfügung stellen. Diese Monsterbrücke ist eigentlich kaputt und wird mit Pflästerli-Politik benutzungsfähig gehalten – siehe dazu mehr! Die Sperrung der Brücke hätte einen positiven Nebeneffekt: Einmal mehr berichtet der Tages-Anzeiger in seiner Online-Ausgabe vom 1. Juli 08 von der schon lange nicht mehr zumutbaren Situation beim Schulhaus Nordstrasse in Zürich – direkt an der Westtangente gelegen (Stichwort Autobahn Hamburg-Palermo direkt durch die Stadt Zürich). Trotz Komfortlüftung und gedecktem Pausenhof (auch bei schönem Wetter ist die Schadstoff- und Lärmbelastung in diesem Wohnquartier unerträglich) – dazu passt auch die Meldung vom gleichen Tag: Strassenverkehr erhöht Allergie-Risiko.

Würde die Hardbrücke für den MIEF (sorry) MIV (Motorisierter Individual-Verkehr) gesperrt, gäbe es auch beim Schulhaus Nordbrücke (und bei einigen weiteren städtischen Schulhäusern) weniger Verkehr und damit weniger Luftschadstoffe.

Nur: die Stadtregierung von Zürich tut schlicht zu wenig, um die Einwohnenden vor den schlimmen Folgen des Strassenverkehrs zu schützen – und insbesondere FDP und SVP (und die mit ihr liierten Gewerbe- und Quartiervereine) unternehmen alles, um den Strassenverkehr zu erhalten oder gar zu fördern. Stichwort dazu beispielsweise der unverständliche Widerstand der vereinigten Sektionen von SVP, FDP, Gewerbe- und Quartierverein gegen die längst fällige Befreiung des Platzes bei der Schmiede Wiedikon.

Ein weiteres Beispiel: Schweighofstrasse im Quartier Friesenberg. Diese Strasse verläuft von Blochers Albisgüetli quer durch das Quartier Friesenberg bis zur Birmensdorferstrasse – rund 10’000 BewohnerInnen, mehr als in den meisten Schweizer Gemeinden, wohnen in unmittelbarer Nähe dieser Strassen, müssen regelmässig diese Strasse queren. Diese Quartierstrasse und insbesondere die Anwohnenden haben einen grösseren durchschnittlichen Verkehr zu erdulden als die Gotthardautobahn!

Vorgesehen ist nun ein Ausbauprojekt – die Strassenböschung soll teilweise entfernt werden, um Platz zu schaffen für einen schmalen Velostreifen, damit die Autos noch rücksichtsloser rasen können. Zudem soll die Sache mit einigen Alibi-Lärmschutzwändchen garniert werden. In diesem Zusammenhang festzuhalten: auch wenn die deutsche Sprache ziemlich eigenartig ist: Schokoladen-Crème ist eine Crème mit einem erheblichen Anteil Schokolade, Sonnencrème demgegenüber besteht ist nicht aus Sonne hergestellt, sondern schützt vor der Sonneneinstrahlung. Ähnlich geht es beim Klimaschutz darum, das globale Klima vor den Auswirkungen des überbordenden Verhaltens eines Teils der Menschheit zu schützen – während es bei „Lärmschutz“ um den Schutz des Menschen vor dem Lärm geht, und nicht um den Schutz des Lärms. Auch der Stadtrat von Zürich verhält sich allerdings so, als wenn ihm der Schutz der Lärmverursachenden wichtiger wäre als der Schutz der Belärmten! Tempo 30 auf der Schweighofstrasse, Pförtnerung bei den beiden Enden der Strasse, ein Ausbau des Angebots des öffentlichen Verkehrs, aktive Mobilitätsberatung der StrassenanwohnerInnen (ein beachtlicher Anteil des Verkehrs auf der Schweighofstrasse stammt aus dem Quartier selbst), eine Gestaltung der gesamten Schweighofstrasse wären die minimalsten Schritte Richtung Lärm- und Klimaschutz!

Die Euro 08 hat es gezeigt: das Stilllegen und Beruhigen von Strassen ist eine hochwirksame Massnahme, damit die Verkehrsteilnehmenden ihr Mobilitätsverhalten endlich an die alarmierende Klimawandel-Situation anpassen!


Ergänzung 18. August 2008

Am 11. August 2008 berichteten die Medien empört über die Auswirkungen der Spurreduktion auf der Quaibrücke – als Beispiele:

Am Montag, 18. August 2008 wurden einige weitere Strassen gesperrt oder wegen Bauarbeiten vermindert sich die Leistungsfähigkeit. Um 10:06 Uhr war im Tages-Anzeiger Newsnetz der Titel Kein Stau trotz Baustellenchaos zu lesen, Zitate daraus: Jetzt lassen die Aufolenker ihre Autos stehen.Umso erstaunlicher war das Bild, das sich heute Montagmorgen zur Hauptverkehrszeit am Bellevue bot: Der Verkehr floss praktisch ungehindert über die nur einspurig befahrbare Quaibrücke. Die Bellerivestrasse war völlig frei, die Falkenstrasse ebenfalls,…Gähnende Leere auch an der Weinbergstrasse.

Mit anderen Worten: höchstens eine Woche hat die Lernphase gedauert! Was die Theorie bestätigt, dass – zum Beispiel auch zum Schutze des Klimas – endlich Strassen stillzulegen und zu beruhigen sind!


1. Fassung 1. Juli 2008

Ein Gedanke zu „Endlich Strassen stilllegen und beruhigen!“

  1. Wunderbar, dass die Pendler von ausserhalb umlernen! Staus gibt es nämlich nur ihretwegen. Drei von vier Stadtzürchern ab 18 Jahren haben kein Auto.

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