Die Vernehmlassung über die mehr als bescheidene Energiestrategie 2050 des Bundesrates ist abgeschlossen. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten eine grosse Zahl von Stellungnahmen zu dieser Energiestrategie gelesen. Im wesentlichen bestätigen diese Positionsbezüge meine Aussagen zur Nicht-Existenz einer Schweizerischen Energie- und Klimaschutzpolitik und weisen auf den Sackgassencharakter von Subventionitis und Freiwilligkeit hin. Angesichts der grossen Zahl von AkteurInnen ist die Sache klar: es braucht mehr echten Markt – z.B. ohne lügende Energiepreise, und es braucht eine zielorientierte Energie- und Klimaschutzgesetzgebung.
Weg mit den lügenden Energiepreisen! Die aktuellen Energiekosten, insbesondere der Atomenergie, aber auch der fossilen Energien weisen die wahren Kosten der Energieträger nicht aus. Dadurch werden die Marktverhältnisse im Energiebereich massiv verfälscht. Mit den Subventionitis-Pflästerlis kann dieser Mangel nicht behoben werden. Eine stark lenkende Energieabgabe mit vollständiger Rückerstattung an Haushalte und Wirtschaft braucht es sehr dringend.
Braucht es ein Gleichgewicht zwischen Gebäuden und Verkehr? Auffallend sind (neben allen Differenzen) etwa die Gemeinsamkeiten in den Stellungnahmen von HauseigentümerInnen- und MieterInnen-Seite: es wird moniert, im Gebäudebereich sei bereits (zu) viel getan worden, es brauche vor allem Massnahmen im Verkehrsbereich. Gleichzeitig hat etwa der Windschutzscheibenverband ASTAG bei der Beurteilung der aus energie- und klimaschutzpolitischen Sicht absolut ungenügenden Vorschläge für den Verkehrbereich bereits ziemlich tief in die Kiste mit den „unverzeihlichen“ Ausdrücken gegriffen: „unverhältnismässige staatliche Eingriffe und Verbote“, „die persönliche Freiheit des Einzelnen und die Wirtschaftsfreiheit werden massiv eingeschränkt“.
Einmal mehr ist daraus zu schliessen, dass sowohl die Immobilien-Politik als auch die Verkehrspolitik der Schweiz nicht nachhaltig sind – es reicht nicht, energie- und klimaschutzpolitische Massnahmen zu ergreifen. Die Politik muss klipp und klar festhalten, dass die bisherigen Ergebnisse im Energie- und Klimaschutzbereich massiv ungenügend sind und zukünftig deutlich weitergehende Verbesserungen erforderlich sind, sowohl im Gebäude- wie im Verkehrsbereich. Wer hier ein Gleichgewicht fordert, behindert die Energie- und Klimaschutzpolitik!
Es braucht eine auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Immobilienpolitik! Es ist vorerst festzuhalten, dass mit dem Verweis auf die Eigentumsfreiheit in diesem Lande keine Immobilienpolitik besteht. Es braucht eine gesellschaftspolitische Diskussion über die Frage, wie viel Quadratmeter Fläche pro Person im Wohn– und Arbeitsplatzbereich zur Verfügung steht. Es braucht die Diskussion über die Frage, ob unabhängig vom Lebensabschnitt immer „in den gleichen vier Wänden“ gewohnt werden darf (ich meine nein, ich schlage dazu das Modell des Wohnnutzungsrechts vor, damit die Wohnverhältnisse den Erfordernissen des jeweiligen Lebensabschnitts angepasst werden können). Bei der Immobilienpolitik ist zu klären, ob Bausubstanz verganden darf (das führt zu den billigsten Mieten, weil auch „Bruchbuden“ bewohnt, bis zur Fadenscheinigkeit „ausgetragen“ werden) oder ob eine nachhaltige Bewirtschaftung anzustreben ist. „Nachhaltige Bewirtschaftung“ heisst beispielsweise, dass alle 30 bis 40 Jahre eine umfassende Erneuerung des Gebäudes mit Standardanpassungen – von Wohn- bis Energiequalität – erforderlich ist, regelmässig verbunden mit der Frage, ob allenfalls ein Ersatzneubau zweckmässiger wäre. Dies hat Konsequenzen etwa auf die Mietzinse, da Investitionen innerhalb dieser Zeit abzuschreiben sind. Die Positionsbezüge des MieterInnenverbandes lassen befürchten, dass eine solche nachhaltige Bewirtschaftung derzeit als „Spekulation“ eingestuft wird.
Energie- und Klimaschutz-Aspekte sind Teilqualitäten einer nachhaltigen Liegenschaftenbewirtschaftung – das baldige Erreichen von Energieetikette B, besser A und der ausschliessliche Einsatz von erneuerbaren Energien für Raumwärme und Wassererwärmung ist vorzugeben, allenfalls über ein Sanierungsobligatorium.
Von untergeordneter Bedeutung ist dabei das Kompetenzgerangel zwischen Bund und Kantonen im Gebäudebereich, auch wenn durchaus die Befürchtung besteht, diese Narzissmus-Konkurrenz des Wenigtuns könnte die dringlich nötige Energiewende bremsen.
Es braucht eine Betonung der Politik der Nähe – Verkehrssparen an den Beginn setzen! Aus diversen Gründen haben Gesellschaft und Politik dem „Unterwegssein“ in den letzten Jahren ein sehr hohes Gewicht gegeben. Stattdessen ist auf eine Politik der Nähe umzuschwenken, die insbesondere Anzahl und Länge der Alltagswege deutlich vermindert. Es braucht dringend – parallel zur Energiewende – eine Verkehrswende!
Klare Haltung gegenüber Atomenergie und gegenüber den fossilen Energieträgern Öl, Gas (und Kohle)! Die Energiestrategie 2050 des Bundes verzichtet auf eine klare Fixierung des Atomausstiegs, so funktioniert dies definitiv nicht. Die Stellungnahme der Erdgaswirtschaft zeigt, dass die zwar vorhandenen, aber im Bezug auf die Klimaschutzvorgaben ungenügenden Eigenschaften des Brenn- und Treibstoffes Erdgas zumindest von Energiewirtschaftsseite überbetont werden. Es gibt nicht gute oder schlechte fossile Energieträger – alle fossilen Energieträger müssen raschmöglichst aus dem Markt verschwinden.
Weg von der Energiewirtschaftspolitik – hin zur Energiepolitik von unten! Auch wenn der Energiewirtschaft eine grosse Bedeutung zukommt, hat sie unterstützende Funktionen. Nach wie vor ist die nationale Energiepraxis zu stark auf die Bedürfnisse der Energiewirtschaft ausgerichtet. Stattdessen braucht es eine „Energiepolitik von unten„: Haushalte und Wirtschaft haben mit den Prinzipien Suffizienz, Effizienz und Konsistenz die Energiewende anzugehen – die Energiewirtschaft hat diese Entwicklung zu unterstützen. es ist nicht nachvollziehbar, warum etwa Photovoltaikanlagen „abgeregelt“ werden müssen, solange Atom- und Kohlestrom eingesetzt werden. Die Energiewirtschaft hat sich mit ihren Netzen und übrigen Infrastrukturen auf die „Energiepolitik von unten“ mit einem hohen Anteil Selbstversorgung der EnergiekonsumentInnen einzustellen.
Nachdem insbesondere die Economiesuisse mit einer stümperhaften Fehlinterpretation einer eher fragwürdigen ETH-KOF-Studie für Verwirrung gesorgt hat, halten fünf ETH-Professoren fest, dass es keine ökonomischen Gründe gegen eine Energiewende hin zu einer nuklear- und fossilfreien Energieversorgung gibt, im Gegenteil!
Diverse Stellungnahmen aus Wirtschaft und Verbänden zur Energiestrategie 2050 des Bundes zeigen, dass die Politik noch nicht bereit ist für die längst fällige Energiewende. Die zwingend erforderlichen Massnahmen scheinen noch nicht mehrheitsfähig zu sein – einmal mehr: die Energiewende beginnt in den Köpfen! Dazu wäre es erforderlich, dass der Bundesrat die energie- und klimaschutzpolitische Führungsrolle annimmt und konstruktiv umsetzt. Davon ist noch nichts zu sehen, kein Wunder, wenn die zuständige Bundesrätin Doris Leuthard nach wie vor für Atomenergie ist! Nochmals: die Energiewende beginnt in den Köpfen – insbesondere in den Köpfen jener, die politisch das Sagen haben!