Schon die Wortwahl illustriert die Beliebigkeit der aktuellen Energie(wirtschafts)politik: trotz sehr unterschiedlicher Bedeutung werden die Begriffe «Energiestrategie 2050» und «Energiewende» in der aktuellen Debatte als Synonyme verwendet. Bestenfalls reicht allerdings die Wirkung der aktuellen Energiestrategie bis Ende dieser Legislatur, sicher nicht bis 2050. Und eine Wende erfordert einen Richtungswechsel um 180 Grad – davon ist weit und breit nichts wahrzunehmen.
Bereits die bundesrätliche Vorlage zur Energiestrategie 2050 ist inhaltlich sehr mager, es geht um eine sehr sanfte Weiterentwicklung des bisherigen, nicht wirklich – oder höchstens in schmalen Segmenten – erfolgreichen Energie(wirtschafts)politik-Instrumentariums. Es fehlen die zentralen, zukunftsgerichteten Weichenstellungen wie die Ausstiege aus der Atomenergie und den fossilen Energien. Geprägt ist die gesamte Vorlage von der Absicht von Bundesrätin Doris Leuthard, ja keine Pflöcke einzuschlagen: sie ist bekanntlich nicht gegen die Atomenergie, hält sie bloss derzeit nicht für bewilligungsfähig und möchte daher energie(wirtschafts)politische Aktivitäten vortäuschen.
Bei der Beratung auf parlamentarischer Ebene haben die energiewirtschaftlichen Lobby-Gruppen sehr intensiv und aktiv zugelangt und für sich dieses und jenes Zückerchen abgeholt. Es bleibt dabei: mit «Energiewende» hat die Sache nichts zu tun, als «Plattform für die Parlamentswahlen 2015» taugen diese energie(wirtschafts)politischen Rudimente durchaus, inklusive Empörungsbewirtschaftung im Stile der FDP-Scheinpetition.
Wir wissen längst, dass sich die aktuelle Ausprägung der Konsenspolitik auf die Problembewirtschaftung beschränkt, statt Lösungen zu ermöglichen.
Es ist bekannt, dass die Energiepreise kräftig lügen – insbesondere die fossilen Energien und die Atomenergie sind direkt und indirekt massiv subventioniert. Statt hier endlich für Kostenwahrheit zu sorgen, werden komplexe und laufend anzupassende Förderinstrumentarien, auch als Subventionsdschungel bezeichnet, betrieben (Kostendeckende Einspeise-Vergütung (KEV), Das Gebäudeprogramm, weitere …). Energieeffizienz, erneuerbare Energien erhalten so den Ruf, nur dank kräftigen finanziellen Impulsen betrieben zu werden. Dabei müssten sie längst Alltag sein. In der politischen Wahrnehmung ist nicht einmal die „First Mover“-Phase abgeschlossen. Die aktuelle sanfte Weiterentwicklung der Energie(wirtschafts)politik verhindert den ernsthaften Übergang zu einer ökologischen Finanzreform, welche stark lenkende Energieabgaben mit vollständiger Rückerstattung an Haushalte und Wirtschaft erfordert.
Es fehlen die klaren politischen Signale. In Realität findet etwa der Atomenergie-Ausstieg nicht statt, es herrscht die absolute Unverbindlichkeit. Auch hier wird kräftig gelogen: Atomkraftwerke müssen gemäss Politik sicher sein, um betrieben werden zu können – gleichzeitig lässt der Bundesrat Jodtabletten verteilen, die es nur bei einem Unfall in einem AKW braucht.
Eine sinnvolle und zukunftsgerichtete Energie- und Klimaschutzpolitik erfordert neben dem Atomausstieg auch einen Ausstieg aus den fossilen Energien. Es muss endlich erfolgen, was schon seit Jahrzehnten klar ist: wir müssen von der nach wie vor massiven Abhängigkeit von Oel und Gas wegkommen, je schneller desto besser. Auch hier sind klare Politikentscheide im Sinne der Lösungs- und Zukunftorientierung, weit über Legislaturperioden hinausgedacht, erforderlich. Es ist beispielsweise endlich festzuhalten, dass ab 2040 in der Schweiz keine fossilen Brenn- und Treibstoffe mehr verkauft werden dürfen. Das gäbe zwar derzeit einen gewaltigen Aufschrei, die Reaktionen des «Marktes» auf ähnliche Vorgaben, etwa das Glühlampenverbot, zeigen eindeutig, dass solche klaren Vorgaben ohne grössere Schwierigkeiten bewältigbar sind. Wenn es normal wird, dass auch bestehende Gebäude nicht mehr mit Oel oder Gas beheizt werden, stellen sich alle Marktbeteiligten auf derartige Vorgaben ein. Es ist gesellschaftspolitisch sogar vorteilhaft, gleichzeitig aus der Atom- und der fossilen Energie auszusteigen, weil sich dadurch erhebliche Synergien ergeben.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass der gesamte gegenwärtige Politikbetrieb einer lösungs- und zukunftsorientierten Energie- und Klimaschutzpolitik im Weg steht. Da werden noch zu viele «Gärtchen» gehegt und gepflegt, es werden Pfründen aller Art bewirtschaftet, und dies nicht nur bei Atomenergie und den Fossilen – darum die Schreibweise Energie(wirtschaft)politik. Bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich davon aus, dass für eine solche lösungs- und zukunftsorientierte Enegiepolitik, durchaus als Energiepolitik von unten zu bezeichnen, die erforderlichen politischen Mehrheiten zu finden sind.
Es ist zu hoffen, dass der aktuelle Parlamentslärm – auch Lärm ist eine Energieanwendung – wenigstens die Voraussetzungen schafft, um endlich eine zukunfts- und lösungsorientierte Energiepolitik (von unten) einzuleiten.