Die absurden Diskussionen um ein vorgeblich erforderliches Stromabkommen der Schweiz mit der EU brauchen endlich ein Ende. Wenn schon braucht es einen Neustart für eine europäische Strommarktpolitik.
Vorerst: Nicht alle Volksentscheide der direktdemokratischen Schweizsind klug und langfristig ausgerichtet.
Aber: Das ändert nichts daran, dass die EU ein riesiges und in der Tendenz zunehmendes Demokratiedefizit aufweist.
Wenn nun die EU den nicht genehmen Volksentscheid der Schweiz zur Freizügigkeit als Anlass nimmt, die Schweiz zu nötigen und zu erpressen, ist dies einmal mehr ein Beleg für die diktatorische und willkürliche Vorgehensweise der EU. Auf diese Art und Weise ist die Bevölkerung der Schweiz nicht dazu zu gewinnen, mittel- oder längerfristig Mitglied des nicht nachhaltigen Konstrukts EU zu werden.
Dazu kommt: Die EU hat derzeit erhebliche interne Differenzen (nicht nur zum Stichwort Griechenland), was – aus der Geschichte mehrfach ableitbar – eine absurde und unbewegliche Haltung «gegen aussen» begründet.
Es ist vorerst festzuhalten, dass es gar nicht in der Kompetenz der EU liegt, ein solches Stromabkommen überhaupt zu verlangen. Die Regelung des Strommarktes ist Sache sowohl der «Union for the Co-ordination of Transmission of Electricity» (UCTE) als auch der «European Network of Transmission System Operators for Electricity» (ENTSO-E). Dies hat in erster Linie damit zu tun, dass der «Strommarkt» ein virtuelles Gebilde ist und nur indirekt mit den physischen Eigenschaften des Stromnetzes vereinbar. Nun, bekanntlich haben MINT-Aspekte in unserer Gesellschaft einen schwierigen Stand, aber die physischen Stromflüsse im Einflussbereich von UCTE und ENTSO-E können selbst von der EU nicht ignoriert werden – und da spielt nun mal die Schweiz unabhängig von einem allfälligen Stromabkommen mit der EU durchaus eine beachtliche Rolle.
Dazu kommt, dass die Strommarkt-Politik der EU nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist – somit wäre ein Abkommen der Schweiz mit der EU nicht mit der Bundesverfassung der Schweiz vereinbar, welche die nachhaltige Entwicklung als eine zentrale Aufgabe des staatlichen Handelns vorgibt. Gemäss Vorstellungen der EU zum Strommarkt dürfte etwa Strom aus erneuerbaren Quellen gegenüber Strom aus fossilen und nuklearen Quellen nicht privilegiert werden, was aber erforderlich ist, um die deutsche Energiewende und die schweizerische Energiestrategie 2050 zu ermöglichen.
Der vermeintliche liberalisierte EU-Strommarkt ist plumpes Öko- und Sozialdumping ohne Nachhaltigkeitskomponenten, somit nicht zukunftsfähig. Es braucht eine neue europäische Strommarktpolitik, die sowohl die Physik des Stromnetzes als auch die Vorgaben der nachhaltigen Entwicklung einbezieht. Ein von der EU diktiertes Stromabkommen für die Schweiz wäre deshalb kontraproduktiv.