Das Christentum ist eine der global prägenden Religionen mit einem hohen Anspruch an ethische und moralische Werte. Selbst wenn die Aufklärung ein ethisch-moralisches Weltbild ohne Gottesnotwendigkeit definiert, ist die Volkskirche – unter anderem durch die in Jahrhunderten gewachsene Verzahnung mit den regionalen Sitten und Gebräuchen, und die Verbundenheit mit den Vorfahren – für viele die ethisch-moralische Heimat geblieben. Kann gerade die katholische Kirche dies auch zukünftig noch sein?
Gerade in Ländern mit einer ausgeprägten demokratischen Tradition bereitet die ausgesprochen hierarchische Struktur der Kirche mit einem mehr als autokratisch regierenden Papst (dies hat im übrigen nichts mit Unfehlbarkeit zu tun, diese bezieht sich ausschliesslich auf einzelne Glaubensdogmen) erhebliche Schwierigkeiten. Wenn etwa im Bistum Chur wiederholt Bischöfe eingesetzt werden, die mit dem Glaubensverständnis und der Lebenswirklichkeit der Mehrheit ihrer Gläubigen kaum etwas anfangen können, sind Konflikte oder weitere Distanzierungen (sichtbar werdend an der Zahl von Krichenaustritten) nicht verwunderlich. Eine weltweite Organisation wie die katholische Kirche ist vom Prinzip her extrem konservativ und unflexibel. Wenn diese Kirche zudem kluge und vorausschauende Denker wie Hans Küng zumindest teilweise ausschliesst, und dafür immer wieder versucht, Kontakte zu reaktionären Kirchenkreisen, inklusive Holocaustleugern, wieder aufzunehmen, verschliesst sie sich von einer Weiterentwicklung, die nicht einfach durch den „Zeitgeist“ beeinflusst sind, sondern echte Sorge zu erkennen gibt. Gerade Hans Küng hat mehrfach gezeigt, dass die katholische Kirche nicht in der Lage ist, angemessen ethisch-moralische Glaubwürdigkeit zu vertreten. Stattdessen werden Kirchenmänner wie Marian Eleganti mit einer fragwürdigen Sektengeschichte zu verantwortlichen Bischöfen für einen geradezu nach gültigen Antworten auf zentrale Fragen des Lebens und Überlebens lechzenden Grossraum Zürich ernannt. Wie sollen da glaubwürdige Botschaften für Gegenwart und Zukunft entstehen? Und welche Menschen lassen sich unter solchen Verhältnissen wohl noch für den innerkirchlichen Dienst motivieren? Klar ist: je weiter sich die Volkskirche von der Lebensrealität gerade jüngerer Menschen entfernt, desto geringer wird ihre zukünftige Bedeutung sein. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sorgt also die katholische Kirche durch ihre aktuellen Strategien und Konzepte dafür, dass sie relativ zügig zur Bedeutungslosigkeit verkommen könnte.
Dass auch die katholische Kirche endlich damit konfrontiert wird, sich um die Verfehlungen zu kümmern, die v.a. einzelne ihrer Mitarbeiter mit dem eigentlich kirchenintern und -extern nach wie vor tabuisierten Umgang mit der Sexualität begangen haben, ist längst fällig (wobei davon auszugehen ist, dass die katholische Kirche durch ihre grosse Zahl von Mitarbeitenden sehr stark von Fällen von sexuellem Missbrauch betroffen ist – was allerdings nicht davon ablenken soll, dass sexueller Missbrauch überwiegend im familiären Umfeld erfolgt). Erschreckend, dass es Erziehung und Gesellschaftspolitik nicht geschafft haben/nicht schaffen, dass Kindern und Jugendliche in einem Umfeld, welches für ihr Wohlergehen verantwortlich ist, „Nein“ zu Übergriffen sagen können.
In welche Richtung muss sich die katholische Kirche entwickeln, damit sie – ohne gerade zeitgeistig zu werden – auch zukünftig relevante Beiträge mit ethisch-moralischer Glaubwürdigkeit zur Gestaltung der Gesellschaft beitragen kann?
- Aus der katholischen Kirche muss eine Männer- und Frauenkirche werden. Die männerhierarchische Struktur hat sich definitiv überlebt. Eine echte Gleichberechtigung der Geschlechter ist so rasch als möglich zu realisieren!
- Dass Bischöfe bis 75 im Amt bleiben, dass der Papst zwingend bis zum Tod im Amt bleibt, passt nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Ganz einfach: Kein Antritt eines neuen Amtes nach 60, Aufgabe von Ämtern spätestens mit 67.
- Der Entzug der Lehrbefugnis für Hans Küng ist sofort rückgängig zu machen. Gleichzeitig hat der Papst zu deklarieren, dass die katholische Kirche den Weltethos unterstützt.
- Analog zu diversen Kantonalkirchen in der Schweiz ist weltweit das duale System einzuführen: neben dem hierarchisch organisierten Klerus ist eine staatskirchenrechtliche Struktur mit demokratischer Ausprägung einzurichten. Sämtliche hierarchischen Funktionen können nur besetzt werden, wenn diese demokratische Struktur der Besetzung zustimmt.
- Sämtliche kirchlichen MitarbeiterInnen unterstehen strafrechtlich primär den staatlichen Organen des Arbeitsortes – wenn die Kirche zusätzlich zu den staatlichen Organen z.B. bei sexuellem Missbrauch urteilen will, hat sie dies NACH den strafrechtlich zuständigen staatlichen Instanzen zu tun.
- Der Zwangszölibat ist abzuschaffen, aber als freiwillig mögliche Lebensform beizubehalten.
P.S. Mit Absicht wird hier auf Aussagen zu (metaphysischen) Glaubensinhalten verzichtet, deshalb gibt es auch keine Forderung zum Verzicht auf die Unfehlbarkeit.
P.S. Spätestens mit der sogenannten Buskampagne haben sich die Frei-DenkerInnen in hedonistischer Beliebigkeitgeübt – schade! Offenbar ist „gottlose“ Ethik noch nicht marktreif, denn auch auf der Internet-Seite finden sich vor allem Nein-Inhalte!
Guter Text – deutlich dipolomatischer als ich selbst… Wie lautet ein gutes altes Zitat? „Ihr müsst wütend werden!“ 😉
Ich habe irgendwie das gefühl dass wir dieser Religionsorganisation gegenüber lange genug mit Milde und Verständnis bei ihren gesellschaftsfeindlichen Aktivitäten begegnet sind…
Ich würde es daher eher so ausdrücken: Katholische kirche – „Failure by Design“ statt „Intelligent Design“ … Siehe: http://bit.ly/bCtZsf