Erdgas war Anfangs der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts ein willkommener Energieträger zur Verbesserung der Luftqualität, weil Erdgas «sauberer» verbrennt als Heizöl, Kohle oder auch Holz. Als vordergründig tauglich zeigt sich Erdgas auch beim Klimaschutz. Auf Primärenergiestufe verursacht Erdgas als Energieträger für die Wärmeerzeugung etwa 25 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als bei der Verwendung von Heizöl. Da allerdings um 2040 bis 2050 ausschliesslich erneuerbare Energien zu verwenden sind, um die Ziele des Pariser Klimaschutz-Übereinkommens einzuhalten, ist die Verbrennung von Erdgas kein nachhaltiger Beitrag zum Klimaschutz. Wie steht es mit den vorgeblich erneuerbaren Brennstoffen Biogas und Power-to-Gas?
Der BFE-Blog energeiaplus publizierte am 3. Januar 2017 ein Interview mit Daniela Decurtins, Direktorin des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie. Dieses Interview enthält diverse Werbespots für Gas als Brennstoff, die so nicht stehen gelassen werden können.
Vorerst fällt auf, dass nirgendwo erwähnt wird, dass es sich bei Erdgas um einen fossilen Energieträger handelt, der aus Klimaschutzgründen höchstens in einer möglichst kurzen Übergangsphase eingesetzt werden sollte.
Auch Frau Decurtins verwendet die irreführende Aussage, mit Power-to-Gas könne überschüssiger erneuerbarer Strom in Gas umgewandelt und im Gasnetz gespeichert werden. «Überschüssiger Strom» ist vorerst ein physikalischer Unsinn. Zudem hat das unregelmässig auftretende Ungleichgewicht von Stromproduktion und Stromverbrauch verschiedene Gründe, die wenig mit erneuerbarem Strom zu tun haben. Für das Ungleichgewicht sorgen in erster Linie die schwer regelbaren Atom- und Kohlekraftwerke. Power-to-Gas ist somit in erster Linie Teil der Kette der «alten» Stromwirtschaft und daher kaum zukunftsfähig.
Mit Power-to-Gas-Anlagen wird in einem ersten Schritt mit Stromeinsatz Wasserstoff produziert, welcher direkt gespeichert oder methanisiert wird (Erdgas besteht zu einem hohen Anteil aus Methan). Bereits diese Prozesssschritte weisen sehr tiefe Wirkungsgrade auf und sind mit sehr hohen Kosten verbunden. Selbst wenn technologische Fortschritte erwartet werden können: Die direkte Speicherung von Strom in Batterien oder indirekte Speicherformen wie Pumpspeicherkraftwerke bieten energiewirtschaftlich und ökologisch deutliche Vorteile, die durch gegenwärtige Entwicklungen verstärkt werden. Dazu kommt, dass Power-to-Gas anfänglich dafür gedacht war, Energieträger für Brennstoffzellen- und Gasmotor-Fahrzeuge bereitzustellen, als Alternative zum Benzin- und Dieselantrieb. Derzeit sieht es eher danach aus, dass für Fahrzeuge der Elektroantrieb im Vordergrund steht. Power-to-Gas stellt eine schmale Seitenlinie der Technologieentwicklung dar, eignet sich aber nicht dafür, ein Gasnetz zu betreiben, wenn auf das fossile Erdgas verzichtet wird.
Allenfalls wird Power-to-Gas bei Gebäuden mit dezentraler (autarker) Energieversorgung eine Rolle spielen, siehe etwa das Beispielgebäude in Brütten. Da dies auf Gebäude- oder allenfalls Quartierebene erfolgt, braucht es dazu zukünftig keine flächendeckende Gasversorgung.
Auf Primärenergiestufe emittiert Biogas rund 40 Prozent der Treibhausgase im Vergleich zur Wärmebereitstellung mit Heizöl. Somit ist Biogas aus Klimaschutzsicht bestenfalls eine Übergangslösung.
Biogas ist direkt gekoppelt mit der aktuellen Praxis der Lebensmittelverluste (auch als Food Waste bezeichnet) – ein Drittel aller Lebensmittel wird verschwendet. Wenn es gelingt, Lebensmittelverluste zu vermeiden, wird weniger Biomasse in Biogasanlagen eingeliefert. Ein weiterer grosser Teil des Biogases stammt aus landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung. Aus Klimaschutzgründen ist sowohl der Fleisch- als auch der Milchproduktekonsum zu vermindern. Mittel- bis längerfristig werden somit auch in der Schweiz die Tierbestände deutlich verkleinert werden, was das Biogaspotenzial reduzieren wird. Angesichts der zukünftig zu erwartenden Biogasmengen ist davon auszugehen, dass Biogas in der Nähe der Produktionsorte verbraucht werden wird. Namhafte Energiemengen zum Betrieb von flächendeckenden Biogasnetzen stehen somit kaum zur Verfügung.
Wenn das fossile Erdgas aus Klimaschutzgründen wegfällt, ermöglichen weder Power-to-Gas noch Biogas einen Weiterbetrieb der aktuell vor allem in den Städten bestehenden flächendeckenden Gasnetze. Auch die Schweizerische Gasindustrie hat sich darauf einzustellen, dass mittel- bis längerfristig aus der gegenwärtigen Gasversorgung auszusteigen ist. Ein zu diskutierendes Gasmarktgesetz wird also auch den Ausstieg aus dem Gasmarkt thematisieren müssen.
In Ergänzung: Frau Decurtins bemängelt den Umgang der Schweizerischen Energiepolitik mit der (dezentralen) Wärme-Kraft-Kopplung, welche interessanterweise in Deutschland als Kraft-Wärme-Kopplung bezeichnet wird. Diese Technologie erfordert relativ günstige Massenmotoren aus dem Automobilbereich, Gebäude mit einem hohen spezifischen Wärmeverbrauch zur Ermöglichung langer Laufzeiten und eine möglichst grosse Differenz zwischen den Preisen für Energieträger zum Betrieb der Verbrennungsmotoren und dem auf dem Markt angebotenen Strom. Klimaschutz und Energiestrategie verändern bei konsequenter Umsetzung alle diese Bedingungen zu Ungunsten der Wärme-Kraft-Kopplung. Somit stellt also auch die Wärme-Kraft-Kopplung keine relevante Option für die zukünftige Energieversorgung dar («keine relevante Option» besagt, dass diese Technologie im Massenmarkt (Wärmebereitstellung und Stromversorgung von Bauten) kaum Platz findet; Möglichkeiten bestehen allenfalls in Industrie und Gewerbe bei konstantem Wärmeverbrauch über das ganze Jahr und eher tiefem Stromverbrauch).
Die heute übliche Gaswerbung ist somit baldmöglichst anzupassen: