Ob es aussenpolitisch klug war, dass die schweizerische Firma EGL einen Gasliefervertrag mit dem Iran abgeschlossen hat, wird die Geschichtsschreibung zeigen. Ob es zweckmässig war, dass EDA-Chefin Micheline Calmy-Rey mit am Tisch sass, wird ebenfalls in zukünftigen Geschichtsbüchern stehen. Eines ist klar: dieser Gasvertrag mit dem Iran ist eine energie- und klimaschutzpolitische Geisterfahrt sowohl der EGL als auch des EDA.
Erdgas ist ein fossiler Energieträger, derzeit sowohl als Brennstoff für Wärmeanwendungen als auch als Treibstoff für Motorfahrzeuge. Klar ist: zukunftsfähig ist Erdgas nicht! Einerseits sind Erdgasanwendungen mitbeteiligt am übermässigen Ausstoss von Treibhausgasen, tragen also zur menschgemachten Veränderung des globalen Klimas bei. Andererseits ist Erdgas eine endliche Ressource. Es ist alles daran zu setzen, so rasch als möglich den Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe zu vermindern – und stattdessen Energie effizienter zu nutzen und vermehrt erneuerbare Energien einzusetzen. Der Gasliefervertrag der EGL steht somit eindeutig gegen die offizielle Energie- und Klimaschutzpolitik der Schweiz.
EGL, das ist die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg. Wie auch der Medienmitteilung der EGL zu entnehmen ist, soll das in Iran beschaffte Erdgas nicht für die Energieversorgung der Schweiz dienen, sondern hauptsächlich für die Elektrizitätsproduktion in Italien! Stromproduktion aus Erdgas ist sowohl aus Effizienz- wie Klimaschutzüberlegungen eine eindeutige Sackgassentechnologie, in keiner Art und Weise zukunftsorientiert. Auch Italien sollte so rasch als möglich vermehrt auf erneuerbare Energien setzen. Auch hier wieder: energie- und klimaschutzpolitische Geisterfahrt von EGL und EDA!
Was wäre denn eine zukunftsfähige Alternative? Stromproduktion aus Sonnenenergie beispielsweise, sowohl in Italien wie in Iran (siehe dazu auch der Zusammenhang zur iranischen Atomenergiepolitik – allerdings wollte sich Frau Calmy-Rey auf meine Anfrage hin nicht für eine nachhaltige Lösung im Sinne dieses Vorschlages einsetzen, was verständlicher wird, wenn sie sich jetzt für einen Gasvertrag mit an den Verhandlungstisch setzt) – aber auch in der Schweiz.
Eine technokratische Lösung (allerdings durchaus im Sinne der EGL) wäre beispielsweise die Realisierung einer Gleichstromübertragung (in China realisiert ABB eine 2000 km lange HGÜ-Leitung, die Luftlinie von Teheran nach Zürich beträgt rund 3’800 km. Ueberlegungen dazu werden von desertec angestellt.
Eine nachhaltige Energieversorgung wird allerdings kaum von interkontinentalen Energieverschiebungen – sei dies fossiles Erdgas, sei dies Fotovoltaikstrom – ausgehen: der Gerechtigkeitsanspruch verlangt einen hohen Anteil an Selbstversorgung. Auch aus dieser Sicht ist der Vertrag der EGL mit wohlwollender Begleitung durch das EDA reinste Geisterfahrt: eine zukunftsgerichtete Energie- und Klimaschutzpolitik verlangt, dass jede Grossregion ihre Bedürfnisse im Rahmen der begrenzen Möglichkeiten dieses Raumes abdeckt und gleichzeitig die Auswirkungen ihres Tuns auf Mensch und Umwelt vermindert.
Schade also aus energie- und klimaschutzpolitischer Sicht, dass dieser Vertrag abgeschlossen wurde – da haben einmal mehr kurzfristige Renditeüberlegungen eines Privatunternehmens den Vorzug vor den energie- und klimaschutzpolitischen Grundsätzen erhalten!