Die bisherigen Ansätze zu Neuorientierung der schweizerischen Energiepolitik nach Fukushima unter Federführung von Bundesrätin Doris Leuthard bestanden vor allem aus einer Ausdehnung der nichtsnutzigen Subventionitis. Es ist erfreulich, dass sich Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf parallel zu den nicht einmal symbolischen Aktivitäten der Energiepolitik und insbesondere der diversen Sektoren der Energiewirtschaft – von den AKW-Betreiberschaften bis zu den vielfältigen Branchen der erneuerbaren Energien – für die Konkretisierung von Plänen für eine vollständig an Haushalte und Wirtschaft zurückerstattete Energielenkungsabgabe engagiert.
Analog wie in Deutschland dominiert in der Schweiz die durchaus bekannte Gattung der Energiewendehälse die Szene: trotz der absoluten Demokratieunverträglichkeit und der in keiner Form nachhaltigen Nutzungsmöglichkeit der Atomenergie ist absehbar, dass die Politik auch weiterhin an der Atomenergie festhalten will, zum Preis einiger symbolischen Elemente zugunsten einzelner Firmen mit Technologie für die Nutzung erneuerbarer Energien. Die Subventionitis, die schon im Landwirtschafts- wie im Gesundheitsbereich nachweislich schädigende Wirkung hatte, soll auf einen weiteren Politikbereich ausgedehnt werden.
Es ist zwar verständlich, dass angesichts der lokal und global massiven Subventionierung von fossilen Energien und der Atomenergie Subventionen auch für Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien verlangt werden. Subventionen schaffen es nicht, die lügenden Energiepreise zu korrigieren. Es ist zwingend erforderlich, die externen Kosten der Energiebereitstellung in den Energie-Preis zu integrieren, damit die richtigen Botschaften sowohl für Rebound-sichere Energieeffizienzmassnahmen als auch für die Produktionstechnologien vermittelt werden können. Solange nicht die schlimmstmöglichen Schadensfolgen eines AKW-GAUs (GAU = Grösst Anzunehmender Umfall) versichert werden müssen, solange die Kosten der sicheren und dauerhaften Endlagerung durch nachfolgende Generationen zu bezahlen sind, solange der Ausstoss von Treibhausgasen aus dem übermässigen Verbrauch von fossilen Brenn- und Treibstoffen gratis ist, solange die Endlichkeit der fossilen Brenn- und Treibstoffe (Stichworte Peak Oil, Peak Gas, Peak Of Everything) nicht in den Energiepreis einfliesst. solange ist Energiepolitik nur symbolisch.
Stark lenkende, vollständig an Haushalte und Wirtschaft zurückbezahlte Energieabgaben sind ein zentrales Element einer ernsthaften Energiepolitik – und sie sind so rasch als möglich einzuführen. Es braucht weitere Elemente – eine Zusammenstellung ist unter anderem in meinem Blogbeitrag „Energiepolitik for Dummies“ zu finden. Definitiv: Subventionitis gehört nicht dazu, auch wenn dieses Element von Links über Grün bis Rechts übermässig beliebt ist.
Ich rege an, einerseits Frau Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf per Mail (via das Generalsekretariat des Finanzdepartements) in ihren Konkretisierungsplänen für eine Energielenkungsabgabe zu bestärken, andererseits Frau Bundesrätin Doris Leuthard zu ermutigen, von ihren bisherigen symbolischen Aktivitäten abzusehen und ebenfalls eine möglichst rasch einzuführende Energielenkungsabgabe einzuführen.
Der Liter Benzin würde mit einer solchen Abgabe fünf Franken kosten, behauptet etwa der Autoanzeiger (früher Tagesanzeiger). Entweder haben die JournalistInnen dieser Lobby-Stelle der Erdölwirtschaft nicht begriffen, was eine Energielenkungsabgabe ist – wahrscheinlicher ist allerdings, dass sie es nicht verstehen wollen.
Es ist davon auszugehen, dass das Benzin tatsächlich teurer wird, und zwar wegen den knapp werdenden Vorräten. Die Energielenkungsabgabe führt zu KEINER Verteuerung des Benzins. Diese Aussage gilt exakt nur für einen kleinen Teil der Autofahrenden. Für Autofahrende, die ein Auto mit grossem Verbrauch mit einer hohen Jahresfahrleistung nutzen, wird das Autofahren tatsächlich (deutlich) teurer – im Gegensatz zu jenen, die ein Fahrzeug mit kleinem Verbrauch wenig nutzen: für solche Autofahrende wird das Benzin sogar billiger.
Die Energielenkungsabgabe konkretisiert das, was die SchweizerInnen bei Befragungen erkennen lassen: die Mehrheit der SchweizerInnen behauptet nämlich, umweltfreundlicher als der Durchschnitt der Bevölkerung zu sein. Die Energielenkungsabgabe schafft Transparenz: wenn sich Abgabe und Rückerstattung auf gleichem Niveau bewegen, entspricht das Verhalten dem durchschnittlichen Verhalten. Wenn die Abgabe höher ausfällt als die Rückerstattung, ist der Verbrauch höher im CH-Schnitt – bei tieferen Abgaben als Rückerstattung ist bereits ein gutes Wegstück Richtung Nachhaltigkeit zurückgelegt. Wer – wie dies immer wieder vollmundig verkündet wird – die Öko-Hausaufgaben gemacht hat, wird von einer Energielenkungsabgabe profitieren. Wer wegen behaupteten höheren Energiepreisen gegen die Energielenkungsabgabe ist, lässt erkennen, dass sie oder er doch eher zu den Klima- und Energieschweinchen gehört …
Nachtrag 27.8.2012
Die weiteren Reaktionen der Autoanzeiger-Gruppe-Medien (hiess früher TAMedia), z.B. „Ein Schnellschuss hallt nach“ illustrieren einmal mehr die Arbeitsweise dieses Lobby-Mediums.
Erste Fassung 26.8.2012
hält fest, dass all jene, die an KEV, Gebäudeprogramm und Co kleben, definitiv Energiepolitikverhinderung betreiben. Es braucht dringend eine Energielenkungsabgabe mit flankierenden Vorschriften – da kann das Lobbymedium Autoanzeiger (hiess früher Tagesanzeiger) noch so viel und lang in die andere Richtung schreiben.
https://www.umweltnetz.ch/content/hoffnungsschimmer-fur-die-energiepolitik-energielenkungsabgabe