In ihrer knappen Mehrheit sind die stimmberechtigten SchweizerInnen rassistisch, fremdenfeindlich, autofreundlich, unsolidarisch und käuflich – so muss das Ergebnis der Volksabstimmung vom 28.11.2010 in der Schweiz und in Zürich interpretiert werden. Allerdings: eine illusionäre Politik aus dem geistigen Reduit!
Immerhin hat der Anteil der rassistischen und fremdenfeindlichen Stimmberechtigten seit der Abstimmung vom 29.11.2009 über die Anti-Minarett-Initiative von 57.5 auf 53.3 Prozent abgenommen – wenn sich der Trend fortsetzt, ist dies vielversprechend. Dass der hauptsächlich von CVP, der FDP und Teilen der SP gepushte Gegenentwurf nicht erfolgreich war, ist ein deutliches Warnzeichen an die selbsternannte politische Mitte: KEINE weitere Anlehnung an die nationalistische Rechte! Zukünftig ist es zwingend erforderlich, dass derart illusionäre und unsinnige Initiativen als ungültig erklärt werden. Klar ist auch: die Schweiz hat einen Stadt-Land-Graben zusätzlich zum Röstigraben!
Illusionär ist diese Politik, weil die Ausschaffungs-Initiative keine Wirkung entfalten wird, weil sie nicht mit dem übergeordneten Recht vereinbar ist. Das wollte die SVP nicht wahrhaben, das wollte sie schon nicht wissen nach der Abstimmung über die Anti-Minarett-Initiative. Zudem wird die Initiative keine Wirkung zeigen, weil das Randthema „Kriminalität“ eben nicht von der Geburtsherkunft der TäterInnen, sondern vom sozialen Hintergrund her geprägt wird. Zudem tritt auch die SVP nach wie vor für Gewalt als vermeintliche Konfliktlösungsstrategie ein (siehe Museum Armee) – und eindeutig kriminelle Handlungen (Steuerhinterziehung) werden von der SVP ausdrücklich geschützt. Das ist hoch illusionäre Politik aus dem geistigen Reduit.
Auch das Nein der Stimmberechtigten zur Steuergerechtigkeitsinitiative ist illusionär – die SchweizerInnen gehen entgegen allen neueren Erkenntnissen davon aus, dass Reiche, Superreiche einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben. Damit ist eine weitere gefährliche Illusion verbunden: die Vorstellung, dass auch die globalen Ungleichheiten, Stichwort deutlich unterschiedliche ökologische Fussabdrücke, erhalten werden können! – Da gibts nur eine Reaktion, nämlich den Zuruf „Hallo! Aufwachen bitten!„, wenn denn dieser durch die Reduit-Türen hindurch geht!
Mit ihrem Nein zum Rosengartentram – vom Zürcher Stadtrat und vom kantonalzürcher SVP-Baudirektor Markus als Ja zu noch mehr Autobahnen verstanden -, dem eher knappen Ja zur städtischen Parkplatzverordnung und dem deutlichen Ja zur Autobahnüberdeckung Katzensee (nach dem klassischen IllusionistInnen-Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“) hat sich gezeigt, dass die Autofahrenden – trotz perfektem ÖV-Angebot – nach wie vor auch in der Stadt Zürich vor viel Support haben. Und dies, obwohl der heutige MIEV in keiner Art und Weise zukunftsfähig ist. Auch dies also letztlich illusionäre Politik mit Windschutzscheibenoptik!
Der Fall ist klar: die SVP, welche verfassungswidrig operiert und den nationalen Konsens in Frage stellt, ist per sofort zu verbieten. Zusätzlich sind sämtlich Parteispenden, mindestens aber jene, die mehr als 10’000 Franken betragen, zu deklarieren. Im übrigen: Demokratie braucht Informationsqualität. Demokratie leidet demgegenüber wegen den Milliarden selbsternannter Autokraten im Stile von Alt-Nationalrat Christoph Blocher – Stimmberechtigte sind bis zu einem gewissen Mass käuflich, auch Demokratie funktioniert nach Marktgesetzen. Angesichts des unverhältnismässigen Mitteleinsatzes für die Ausschaffungsinitiative ist das Abstimmungsergebnis auch ein Hoffnungsschimmer: unbegrenzt käuflich sind die Stimmberechtigten nicht.
Nachtrag 29.11.2010: Selbstverständlich weiss ich, dass mein Abstimmungskommentar jener des schlechten Verlierers ist. Darum als Ergänzung der Hinweis auf einen NZZ-Artikel mit einer Zusammenstellung der Kommentare von ausländischen Medien.
Als Service die Links zu den in der NZZ zitierten Artikeln:
- Süddeutsche Zeitung: Was ihr denkt, ist uns egal!
- Die Tageszeitung (TAZ): Rassistische Brandstifter
- Märkische Oderzeitung: Bald oft in Straßburg
- Die Presse: Darf man kriminelle Fremde abschieben?
Erste Fassung: 28.11.2010