Seit etwa 12 bis 15 Jahren gehören E-Mails in zunehmendem Mass zu den Kommunikationsmitteln, einige Jahre früher konnte bereits im wissenschaftlichen Bereich mit E-Mails gearbeitet werden. Wie viele Mails haben Sie in dieser Zeit geschrieben? Und wie gross ist der Anteil der ironischen Anmerkungen in solchen Mails, Insiderinfos, die Ihnen bereits heute nicht mehr verständlich sind? Und möchten Sie, dass all diese Mails, zum Teil aus dem Zusammenhang gerissen, in unkontrollierbarer Form publiziert werden, daraus abenteuerliche Schlussfolgerungen gezogen werden?
Genau dies passiert derzeit – im Rahmen der wiederauflebenden Gläubigkeit an die unbegrenzten Möglichkeit des Wachstums – mit dem Mail-Verkehr einer der wichtigen englischen Klimaforschungseinrichtungen, dem Klimaforschungsinstitut (CRU) der University of East Anglia. Da wurde auf kriminelle Weise in das Computersystem dieses Instituts eingebrochen und ein kunterbunter Strauss an dabei geklauten Infos nach dem Zufallsprinzip veröffentlicht.
Es gibt eine ganze Reihe von guten Gründen, den Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe zu vermindern. Diese Rohstoffe sind endlich (Stichwort Peak Oil), deren Verwendung führt zum Ausstoss von Luftschadstoffen, die Verbrennung lässt Treibhausgase, z.B. CO2, entstehen, beim Transport des Rohöls kommt es immer wieder zu grösseren Unfällen, verbunden mit dem Ausströmen grosser Mengen dieses Oels, mit schlimmen Folgen für Mensch und Umwelt. Viele Erdöllagerstätten befinden sich in politisch labilen Gebieten – der „Krieg um Oel“ ist Tatsache.
Der Ausstoss des Treibhausgases CO2 beeinflusst – und dies ist unbestritten – den Strahlungs- respektive Energiehaushalt der Erde. Auch weitere Mensch gemachte Emissionen, aber auch natürliche Phänomene wie etwa die Wolkenentstehung oder der Energiehaushalt der Sonne haben erheblichen Einfluss auf das Klima der Erde. Da es sich dabei um hochkomplexe Vorgänge mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen und Wirkungsrichtungen handelt, ist es dem beschränkten menschlichen Geist nicht möglich, mehr als Wahrscheinlichkeitsaussagen zu diesen vielfältigen Abläufen zu produzieren.
Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, führt der vom Menschen bewirkte aktuelle Ausstoss von Treibhausgasen zu einer Veränderung des globalen Klimas; es wird dabei davon ausgegangen, dass diese Veränderungen schneller erfolgen, als dies den Anpassungsmöglichkeiten des Menschen und seiner Umwelt entspricht. Eine der möglichen Entwicklungen könnte eine rasante Steigerung der globalen Durchschnittstemperatur sein – und um genau derartige Beobachtungen geht es bei den in krimineller Art und Weise veröffentlichen E-Mails aus dem englischen Forschungsinstitut.
Diesen kriminellen Skeptikern kommt entgegen, dass es sich dabei um Vorgänge handelt, die erst in historischen Dimensionen abschliessend beurteilt werden können. Kurzzeitige Schwankungen – deutlich höhere oder tiefere Temperaturen, Niederschlagsverhältnisse, Stürme, … werden seit der öffentlichen Kenntnisnahme von Begriffen wie globale Erwämung oder Klimawandel deutlich überinterpretiert. Selbst eine Serie von 10 warmen Jahren ist statistisch weder Beweis noch Gegenbeweis für eine Temperaturerhöhung.
Tatsache ist: das Klima ist – etwas weniger als das Wetter – Veränderungen unterworfen. In diesen Grundveränderungen Tendenzen erkennen zu wollen, ist äusserst anspruchsvoll. Nochmals: erst im historischen Rückblick über mehrere hundert Jahre wird es möglich sein, klipp und klar die Veränderungsrichtungen sowohl lokaler Klimatas als auch des globalen Klimas zu benennen.
Zentral ist: Wenn diese Mensch gemachten Klimaveränderungen eintreffen sollten, ergeben sich existenzielle Bedrohungen für das Leben auf dem Planeten. Unterdessen gilt die Annahme von Nicolas Stern als plausibel, dass es volkswirtschaftlich erheblich billiger kommt, den Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe deutlich zu vermindern, als die potentiellen Folgeschäden der Mensch gemachten Klimaveränderung zu finanzieren.
Wer bereits heute einen endgültigen Beweis für die Auswirkungen des menschlichen Verhaltens auf das globale Klima verlangt, hat wesentliche naturwissenschaftliche Prinzipien nicht verstanden – er oder sie negiert damit grundsätzlich die Existenz von z.B. physikalischen Naturgesetzen – das wäre etwa das gleiche, wie wenn aufgrund der geringen Niveauunterschiede bei Seen behauptet würde, Wasser fliesse aufwärts.
Wer aus den verbleibenden Restunsicherheiten im Bezug auf den Mensch gemachten Klimawandel Massnahmen zum Klimaschutz ablehnt, handelt verantwortungslos – und missachtet das Vorsorgeprinzip. Solche Menschen sollten sinnvollerweise keine Versicherungsverträge abschliessen, geht es dabei auch meistens darum, Ereignisse zu versichern, die nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftreten.
Zudem: wie bereits oben erwähnt, gibt es sehr viele weitere gute Gründe, den Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe massiv einzuschränken. Bis jetzt habe ich keinen einzigen plausiblen Grund gefunden, den Mehrausstoss von fossilen Energien zu steigern.
Die hysterischen Klimaskeptiker verhalten sich nicht nur kriminell bei der Diskriminierung seriöser WissenschaftlerInnen, sie konstruieren auch noch Verschwörungstheorien. Die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass es keinen Grund gibt, künstliche Forschungsrichtungen zu schaffen. Die Geheimnisse der Erde und insbesondere der sie bewohnenden Menschen sind derart gross, dass es noch ausreichend Arbeit für Tausende von ForscherInnen-Generationen gibt, es gibt also keinen Grund, den Klimawandel als Forschungsschwerpunkt künstlich hoch zu halten. Würden sich ForscherInnen tatsächlich gegenüber der Weltöffentlichkeit verschwören wollen, so würden deren Computer sicher besser geschützt. Zudem: geheim halten kann man bekanntlich nur etwas, so lange dies höchstens zwei Menschen betrifft (schlicht darum, weil dann jedeR der GeheimnisträgerInnen weiss, wer allfällig das Geheimnis verraten hat). Ab 3 und mehr Menschen ist nicht mehr individuell nachvollziehbar, wer ein Geheimnis gelüftet hat, also muss zum Vorneherein davon ausgegangen werden, dass ein solches Geheimnis früher oder später gelüftet wird. Jede Verschwörungstheorie, die mehr als zwei AkteurInnen benennt, ist deshalb zum Vorneherein hanebüchern respektive absurd.
Sollte der Klimawandel eintreffen, wird man die KlimaskeptikerInnen nicht zur Verantwortung ziehen können, auch diese könnten schliesslich Jahrzehnte des Nichtstuns nicht ungeschehen machen. Wird etwas gegen den mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfolgenden Klimawandel getan, ergeben sich erhebliche Vorteile aus dem Minderverbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe. Es ist von einem deutlichen Mehr an Lebensqualität auszugehen, dies sogar auf globalem Niveau.
Ein Tor, wer dies nicht will!
Nachtrag 5.12.09
Wie immer ist die Frage zu stellen, welche Absichten die klimaskeptischen Verschwörungstheoretiker haben. Immer offensichtlicher wird: die meisten SkeptikerInnen haben einen direkten oder zumindest indirekten Bezug zur Erdölwirtschaft! Sowohl die direkt vom Erdöl abhängigen Staaten als auch Erdöl-UnternehmensvertreterInnen haben ein grosses Interesse daran, zu behaupten, es gäbe keinen Zusammenhang zwischen dem Mensch gemachten CO2-Ausstoss aus fossilen Brenn- und Treibstoffen und dem beobachteten Klimawandel – es geht einmal mehr um kurzfristigen Gewinn.
Erste Fassung: 22.11.2009