Die Geschichte der Menschheit ist grauenvoller Kriege mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt. Dauerhafte Lösungen haben sich daraus nie ergeben: Gewalt ist kein Beitrag zur Konfliktbewältigung!
Die „letzten“ Kampftruppen der US-Armee haben im August 2010 den Irak verlassen, diverse „fremde“ Armeen sind nach wie vor im Land, welches nach wie vor von Gewalt geprägt ist. Der Nahostkorrespondent Ulrich Tilgner hat in einem Interview zu diesem Scheinrückzug festgehalten, dass „politische, soziale und kulturelle Konflikte mit einem Krieg nicht zu lösen sind.“
In der Einschätzung vieler BeobachterInnen steuert ein weiterer Konflikt auf eine Gewalteskalation hin: Der Umgang der „Welt“ mit den Atomenergie-Plänen des Iran. Der Nahost-Experte Udo Steinbach, früher Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg, Dozent am Centrum für Nah- und Mittelost-Studien an der Philipps-Universität in Marburg, hat in einem Interview festgehalten, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Israel den Iran angreift, was die ganze Region zu einem Pulverfass machen würde.
Verheerend: trotz der eigentlich bestbekannten Erkenntnisse gehen die mächtigen Menschen dieser Welt nach wie vor davon aus, dass Gewalt ein mögliches Mittel zur Konfliktbearbeitung darstellt.
Als Vorbemerkung: es ist unbestreitbar, dass Handlungen und Haltungen vieler machthabender Menschen – und dies sowohl in der Politik wie in der Wirtschaft – äusserst problematisch sind. Diktaturen in unterschiedlicher Ausprägung, meist verbunden mit Diskriminierung, Gewalt, Missachtung der Menschenrechte, Nepotismus und andere Formen der Günstlings- und Korruptionswirtschaft, sind ethisch und moralisch unerträglich. Genau so problematisch sind die Verhaltensweisen der Staaten mit grossem ökologischem Fussabdruck, die bei sehr vielen Konflikten einen Krieg um Oel, Uran und/oder weitere Rohstoffe als wahren Hintergrund erkennen lassen. Die diversen neueren Meldungen über erhebliche Lagerstätten strategisch wichtiger Rohstoffe in Afghanistan zeigen der Weltöffentlichkeit, dass die schlimmen Positionen der Taliban in vielen weltanschaulichen Fragen ein höchst willkommener Vorwand für die Kriegsführung darstellen, es aber den kriegsführenden Staaten in erster Linie darum geht, den Zugriff zu Oel, Gas, Uran, Lithium, Eisen/Stahl, Kupfer, Indium, … zu möglichst tiefen Preisen sicherzustellen. Wenn auch auf anderer Ebene, sind die „reichen“ Staaten alles anders als ethische und moralische Vorbilder – diese reichen Länder sind massgeblich dafür verantwortlich, dass bereits am 21. August 2010 alle Vorräte aufgebraucht waren, die der Welt für 2010 zur Verfügung standen (World Overshoot Day).
Die Gefahr dieser Aussage ist mir sehr wohl bewusst: es stellt sich die Frage, wer die Berechtigung hat, angesichts der eigenen Mängel andere auf ihre Fehler und Defizite hinzuweisen. Bereits die Bibel (etwa in Lukas 6, 41) – und dies wahrscheinlich nicht als erste „Institution“ – weist auf die Problematik hin: „Aber was siehst du den Splitter, der im Auge deines Bruders ist, aber den Balken der in deinem eigenen Auge ist, nimmst du nicht wahr?“. Die Menschheit muss also Ansätze entwickeln, um unabhängig von den aktuellen Zuständen einen „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ in Gang zu setzen.
Gefordert ist also die Zivilgesellschaft: jeder einzelne Mensch, nationale und internationale Organisationen, eventuell religiöse Gemeinschaften.
Ein möglicher, eher abstrakter Ansatz: Weltethos, mit 8 Grundhaltungen:
- Verpflichtung auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem Leben
- Verpflichtung auf eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung
- Verpflichtung auf eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit
- Verpflichtung auf eine Kultur der Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau
Ein interessantes Instrument hat oekom resarch entwickelt: Country Rating, Bewertung von Ländern nach ökologischen und sozialen Kriterien. 150 Indikatoren in sozialen (Institutionen und Politik, Sozialbedingungen, Infrstruktur) und ökologischen (Institutionen und Politik, Umweltbestand, Umweltbelastungen) Bereichen werden einbezogen, ein wesentlicher Teil davon von privaten Organisationen oder UN-Institutionen zusammengetragen. Dazu kommen eine Reihe von Ausschlusskriterien (im sozialen Bereich etwa Arbeitsrechtverletzungen, Atomwaffenbesitz, Autoritäre Regimes, Euthanasie, Geldwäsche, Kinderarbeit, Korruption, Menschenrechtsverletzungen, Rüstungsbudget, Todesstrafe, im Umweltbereich (Atomenergie, mangelhafter Klimaschutz oder Walfang). Wie bei Weltethos besteht die Schwierigkeit, dass diese Kriterien in der Tradition des vereinfacht ausgedrückt humanistisch-aufgeklärten Europas der postindustriellen Epoche formuliert sind. Es ist somit nicht auszuschliessen, dass andere Kulturräume kein Verständnis für solche Ratings haben, auch wenn sie aus europäischer Sicht selbstverständlich und zwingend sind – siehe etwa die Problematik, dass neben der „allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ diverse Versionen arabischer oder islamischer Menschenrechtserklärungen, die erheblich von den „universellen Menschenrechten“ abweichen, bestehen. Auch hier: Fortschritte sind nur über die Zivilgesellschaft zu erreichen (als Beispiel: selbst im „Climate Criminals„-Land USA unter Georg W. Bush gab es ein Vielzahl von Menschen, die sich in erheblichem Umfang in ihrem persönlichen Verantwortungsbereich für Klimaschutzmassnahmen engagierten – und es auch unter Präsident Barack Obama weiterhin tun).
Es mag zwar sein, dass diese zivilgesellschaftlichen Beurteilungen von den aktuellen Machthabern ignoriert werden – der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad, der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao und viele weitere hören wahrscheinlich nicht mal auf sich selbst. Mittel- und längerfristig funktioniert dies nicht, wie auch in den Ländern mit zu grossem individuellen ökologischem Fussabdruck ein erheblicher Beitrag nicht von den Machthabenden, sondern z.B. von den LOVOS erbracht werden wird.
Auf jeden Fall ist es zwingend, dass Gewalt in jeder Form, also sowohl im zwischenmenschlichen wie im nationalen und internationalen Kontext geächtet wird, und dies so rasch als möglich.