Einmal mehr ein Abstimmungswochenende, welches von eingesetzten Geldmitteln entschieden worden ist. Mehrere inhaltlich unsinnige Vorlagen lagen den Stimmberechtigten zum Entscheid vor. Nach den durch sehr viel Geld geprägten zwei Monaten vor der Abstimmung heisst es: tschüss Solidarität, tschüss Gemeinsinn, tschüss Klimaschutz, letztlich tschüss Demokratie – wir sind in der Monekratur angekommen!
Die Durchsetzungsinitiative, die Familen-und-Ehe-/Heiratsstrafen-Initiative und das Gotthardstrassentunnel-Sanierungsgesetz hätten den Stimmberechtigten nicht zum Entscheid vorgelegt werden dürfen, da sie missverständlich formuliert sind und im krassen Widerspruch zur Verfassung und zum Völkerrecht/zu den Menschenrechten stehen. Einmal mehr haben National- und Ständerat versagt. Es ging bei der Debatte nur um Einzel- und Gruppenegoismen – rechtsstaatliche und demokratische Erwägungen standen nie zur Debatte.
Als die ersten (manipulierten?) Umfragen ergaben, dass insbesondere die Durchsetzungsinitiative Chancen haben könnte, sind politische Kreise ein bisschen weniger weit rechts als die SVP ziemlich erschrocken. Das hätte nämlich bedeutet, dass die SVP aus eigener Finanzkraft Volksabstimmungen kaufen könnte. Deshalb sind starke rechtsbürgerliche Kräfte (so genannte Liberale) angetreten, um die nötigen Mittel zusammenzubringen, damit beim Kauf des Volksmehres mitgemischelt werden konnte, im Wissen darum, dass die fortschrittlichen Kräfte dieses Landes die Durchsetzungsinitiative so oder so ablehnen würden. P.S. Wenn der Tages-Anzeiger diese rechtsbürgerlichen, «liberalen» Kräfte als Mitte bezeichnet, hat dies mit zwei Dingen zu tun: 1) die schreibende Person hat verinnerlicht, dass gesellschaftlich «Mitte» positiv besetzt ist, 2) illustriert dies einmal mehr, wie wqeit rechts die Medien gerutscht sind. «Mitte» ist übrigens ein einzelner Punkt, da kann gar niemand politisch stehen.
Eine Analyse von Inseraten und Websites zeigt, dass es kaum um Inhalte, sondern um den Positionsbezug gegen die SVP ging.
Analoges passierte bei der Tunnelblick-Abstimmung. Bau- und Autolobby haben sich mit ihren Abstimmungsgeldern durchgesetzt, auch wenn die Aussagen von hoffentlich schon bald Ex-Bundesrätin Leuthard offensichtlich Lug und Trug sind. Klimaschutz, Alpenschutz interessieren nicht mehr – offenbar dominierte die Ansicht der Oster- und SommerferientouristInnen, dass Autofahrende freie Fahrt am Gotthard verdient hätten. Sogar dann, wenn im Dezember 2016 die Gotthardröhren 3 und 4 eröffnet werden, reicht dies den unersättlichen AutolobbyistInnen nicht. Und selbst die vorgebliche Klimaschutzministerin Leuthard macht da mit! Trotz allem: in der Verfassung steht seit dem 20. Februar 1994 der Alpenschutzartikel. Jede Strassenbaumassnahme am Gotthard ist verfassungswidrig!!!
Möglicherweise ist Sarkasmus wie in der Glosse Grüne Verkehrswende am Gotthard von Hanspeter Guggenbühl ein kluger Umgang mit diesem Abstimmungsergebnis.
Dass die absurde CVP-Initiative in diesem Umfeld für eine minimale Spannung sorgen konnte an diesem Abstimmungswochenende, illustriert bloss, dass es sich um das Abstimmungswochenende der vorgeblich liberalen, letztlich aber rechtsbürgerlichen Finanzkraft dieses Landes gehandelt hat. Monekratur in Reinkultur.
Fast 10 Prozent tiefer war die Stimmbeteiligung bei den kantonalen Vorlagen. Lohndumping wird von den Stimmberechtigten akzeptiert (wahrscheinlich solange, bis es nicht die eigenen Löhne betrifft), Bildung ist weiterhin verpönt (sonst wäre sie zum Gratis-Allgemeingut erklärt worden), staatliche Dienste sollen ebenfalls zu Dumping-Konditionen angeboten werden (unter Missachtung des zentralen Prinzips der Kostendeckung nach Verursacherprinzip) – auch hier also ein stark rechtsbürgerlich geprägtes Abstimmungsergebnis, mit ausgeprägten Abweichungen in den Städten. Ob wohl städtische Stimmberechtigte nicht so leicht käuflich sind wie die FDP-, CVP- und SVP-nahen Kreise?
Die Zukunft wird zeigen, ob tatsächlich die eingesetzten Geldmittel mehr Gewicht haben als sachbezogene Argumente. Oder anders: wahrscheinlich reicht es nicht mehr, die Unterschriften für eine Volksinitiative zusammenzubringen (das kostet schon mindestens 5 CHF pro Unterschrift), es braucht auch noch mindestens zwei Mio CHF Kampagnenmittel, um das Abstimmungsergebnis kaufen zu können.
Erste Fassung 28.2.2016