Nein zu einer weiteren „Rosengartenstrasse“ mitten durch das Wohnquartier Friesenberg

Lärm, insbesondere Strassenverkehrslärm, stellt eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität in Wohnquartieren dar. Der Stadtrat von Zürich will in der Gartenstadt Friesenberg die Schweighofstrasse massiv ausbauen und mit einigen symbolischen Lärmschutz-Wändchen versehen, die nur einen geringen Teil der übermässig belärmten Räume zu schützen vermögen. Dadurch wird die Lärmachse Schweighofstrasse betont und die trennende Schneisenwirkung der Strasse verstärkt. Auch der Regierungsrat bestätigt diesen stadträtlichen Kniefall vor der Autolobby und lehnt die Forderungen nach einem verbesserten Lärmschutz ab. Damit werden zentrale Anliegen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes missachtet.

 
Eigentlich müssten seit mehreren Jahren die gesetzlich vorgegebenen maximalen Lärmbelastungen eingehalten werden. Die Behörden haben sich bis anhin vor allem damit hervorgetan, die Fristen dauernd herauszuschieben und „Erleichterungsanträge“, d.h. Abschwächungen der Lärmschutzanforderungen, zu formulieren. Lärmschutz sollte allerdings nicht die LärmverursacherInnen schützen, sondern den belärmten Menschen wieder Ruhe verschaffen.

Eine durch ein grosses Wohnquartier führende Strasse müsste nach den Vorgaben des kantonalen Amtes für Raumplanung und Vermessung als Ortsdurchfahrt und nicht als Lärmschneise gestaltet werden – im Friesenberg-Quartier wohnen mehr Menschen als in den meisten Dörfern im Kanton Zürich. Ebenso muss nach den Vorgaben der eidgenössischen Lärmschutzgesetzgebung der Lärm an der Quelle vermindert werden, also beispielsweise durch Temporeduktionen oder eine Verminderung der Verkehrsmenge auf ein quartierverträgliches Mass. Die Behörden von Stadt und Kanton sind offenbar weder willens noch fähig, ernsthafte und glaubwürdige Lärmschutzmassnahmen zu realisieren.

Private Rekurse gegen das Strassenausbauvorhaben mit weiterhin übermässigen Lärmbelastungen für das Wohnquartier wurden mit fadenscheinigen formalen Argumenten abgewiesen. Um die Anwendung der demokratisch festgelegten Rechtsmittel zu vergällen, haben sowohl Stadtrat wie Regierungsrat Gebühren auferlegt, die als eigentliche Bussen bezeichnet werden müssen.

Offenbar hat dieser Staat nur noch den Zweck, Milliardären ihre ungerechtfertigten Boni zu garantieren, ist aber nicht in der Lage, in einem bedeutenden städtischen Wohnquartier mit einem hohen Anteil an genossenschaftlichen Wohnungen die Lebensqualität zu gewährleisten. Nach der durch den Stadtrat mitzuverantwortenden Schliessung der Quartierbibliothek Heuried will die Stadtregierung die Lebensqualität durch den Strassenausbau im Friesenberg offenbar nochmals vermindern!

Zu rügen ist dabei insbesondere auch die Familienheim-Genossenschaft FGZ, welche das Friesenbergquartier massgeblich prägt: ihr ist offenbar die einvernehmliche Zusammenarbeit mit den in Sachen Lärmschutz nicht gerade vorbildlichen Behörden wichtiger als ein Engagement für mehr Lebensqualität im Quartier zugunsten der GenossenschafterInnen.

Weil die von Stadtrat und Regierungsrat auferlegten Bussengebühren für die Benutzung der im Strassengesetz vorgesehenen Rechtsmittel die zumutbare Höhe bereits massiv überschreiten und die ausschliesslich formalen Argumente, die zur Abweisung der Rekurse führten, bei einem Weiterzug kein Mehr an Lärmschutz erwarten lassen, wird auf die Fortführung der Rechtsmittel verzichtet. Allerdings bleibt eine erhebliche Frustration zurück, dass die Behörden von Stadt und Kanton das persönliche Engagement zugunsten ideeler Werte wie dem Ruhebedürfnis geradezu bestrafen und sich dabei gleichzeitig vor der Realisierung ernsthafter Lärmschutzmassnahmen zurückschrecken.

Es ist zu hoffen, dass der rot-grüne Stadtrat von Zürich endlich die erheblichen negativen Folgen des Strassenlärms sowohl in gesundheitlicher, ökologischer und volkswirtschaftlicher Hinsicht anerkennt und zukünftig Projekte ausarbeiten lässt, die in erster Priorität eine Verminderung der Lärmbelastung bewirken, statt neue Lärmachsen in Stil der als Ärgernis anerkannten „Rosengartenstrasse“ zu schaffen.

Eine nachhaltige Stadt ist zwingend eine Stadt mit weniger (Strassenverkehrs-)Lärm!


Nachtrag 18. Mai 2009

Über 1,3 Mio. Menschen in der Schweiz sind schädlichem Lärm ausgesetzt“ titelt am 18.5.09 das Bundesamt für Umwelt BAFU. 16 % der Bevölkerung sind dies. Und als weiteres Zitat aus der BAFU-Medienmitteilung: „Besonders stark betroffen vom Lärm sind Städte und Agglomerationen: Hier leben 85 % der am Tag von schädlichem oder lästigem Strassenverkehrslärm betroffenen Personen.“ Und genau diese Menschen lässt der Stadtrat von Zürich in Stich, lassen die Zürcher Regierungsräte im Stich, wenn sie Projekte für neue Strassen- und Lärmschneisen durch die Stadt Zürich genehmigen, siehe das Beispiel Schweighofstrasse. Es braucht endlich nicht nur Lärmschutzwände und Erleichterungsanträge, sondern Massnahmen an den Lärmquellen – im Bereich Strassenverkehr die wichtigste: weniger und langsamere Autos!

Erste Fassung 6.11.2008