Qualitäten und Quantitäten

Vor Zeiten hat mich ein Artikel über den Oelpreis beeindruckt. Gegen sämtliche energiepolitischen Ueberlegungen wurde verlangt, dass aus geostrategischen Gründen der Oelpreis möglichst tief sein sollte. Dieser Artikel ruft sich mir in Erinnerung, wenn ich die Schweiz-Hysterie in der National- und Ständerats-Vorwahlzeit analysiere.

 
Nein, ich mag die Plakatbotschaft „Schweizer wählen $VP“ (vielleicht ist das „$“-Zeichen in Realität ein „S“) nicht kommentieren, genauso, wie ich nichts zur Swissness von FDP, CVP und sogar SP sagen will. Nur so viel: „die Schweiz“ ist ein Willensgebilde, eine staatsrechtliche Struktur. Wer sich in der Politik darauf beruft, betreibt Missbrauch mit diesem Wort – und stellt sich letztlich gegen die Verfassung.

Ein tiefer Oelpreis ist auch ökologisch tatsächlich erstrebenswert. Ein tiefer Preis kommt zu Stande, wenn das Angebot deutlich grösser ist als die Nachfrage. Da Erdöl ein endlicher Rohstoff ist, ist unabhängig vom Erschöpfungszeitpunkt der fossilen Lagerstätten die Nachfrage die preisbildende Grösse. Ein tiefer Oelpreis kann dauerhaft nicht durch eine Steigerung des Angebots erreicht werden, sondern nur durch eine deutliche Verminderung des Verbrauchs. Das heisst: die nicht-nukleare und nicht-fossile Energieversorgung ist ein wichtiger geopolitischer Stabilitätsfaktor, ebenso die Diversifizierung des Energieangebots – hier treffen sich also ökonomische, ökologische und politische/gesellschaftliche Anliegen. Nur eine fossil- und nuklearfreie Energieversorgung kann nachhaltig sein.

Wer die schweizerische Politik betrachtet, könnte den Anschein bekommen, „die Schweiz“ sei in Gefahr. Da ich nicht zu Weltuntergangsstimmung neige, sondern mir Zukunftsbilder als Wenn-Dann-Szenarien ausmale, halte ich fest, dass „die Schweiz“ ganz unbeeindruckt vom Getöse der Parteienlandschaft und Wahlmarketing-Plattformen eine Zukunft hat – eine Zukunft, die mitgeprägt wird durch das Verhalten und die Entscheide des „Schweizervolks“, aber auch der Um- oder Mitwelt „der Schweiz“.

Wie beim Ölmarkt gilt auch im „Wettbewerb“ der Nationen das Spiel von Angebot und Nachfrage. In meiner Wahrnehmung gibt es objektive Qualitäten der Schweiz – wie etwa die direkte Demokratie, die lange humanistische/aufklärerische Tradition, die fast so lange Abwesenheit von Kriegen (insbesondere, dass in der Schweiz kaum materielle Werte zerstört wurden) und die absolute Kleinheit, die jede Form von hegemonistischen Politikansätzen ausschliesst – die das Angebot attraktiv machen.

Bei der landschaftlichen Schönheit ist die Schweiz dermassen verwöhnt, dass auch lange Jahrzehnte mit erheblichem Siedlungsdruck – pro Sekunde wird mindestens ein Quadratmeter Land überbaut – bis anhin eher marginale Auswirkungen auf diesen Schatz hatten.

Allerdings: wie etwa MONET, das Nachhaltigkeits-Monitoring des Bundes, zeigt, lebt die Schweiz zu Lasten anderer Weltgegenden und zu Lasten zukünftiger Generationen. „Die Schweiz“ verhält sich etwa so, wie wenn die Welt ein Schlaraffenland wäre – und betreibt dadurch Zechprellerei! Das aktuelle Angebot „Die Schweiz“ ist also nicht bar bezahlt, sondern verzehrt das Vermögen zukünftiger Generationen und anderer Weltgegenden – ausgedrückt etwa durch den übermässigen ökologischen Fussabdruck.

Die Qualitäten der Schweiz und die Dienstleistungen zugunsten anderer Ländern sind derzeit derart gewichtig, dass die Schweiz im internationalen Vergleich eine hohe Kreditwürdigkeit hat – sonst würde ähnlich diskutiert wie über die Volkswirtschaften von Griechenland, Portugal oder Island!

Es gibt mindestens zwei Strategien, wie mit diesem massiven Überkonsum umgegangen wird: entweder, und da sind wir bei der Wahlpropaganda-Manipulation der $VP, man versucht, die Mauern um das Schlaraffenland zu verstärken, was aber, wie sämtliche Mauerprojekte vom Mittelalter bis zum „Eisernen Vorhang“ zeigen, wenn überhaupt nur eine temporäre Lösung sein kann – oder man deklariert klar, dass dieses Land zechprellerisch auf Pump lebt – und sucht nach Wegen für eine nachhaltige Veränderung des mittleren Lebensstils der Bevölkerung, unter Berücksichtigung von sozialer Gerechtigkeit, Rechtsstaat und Demokratie. Dazu gehört etwa, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, die Minimierung des Steuerfusses anzustreben, sondern dafür zu sorgen, dass die Aufgabenerfüllung des Staates nachhaltig sichergestellt und finanziert werden kann.

Dieser Beitrag endet in einem Aufruf: sämtliche politischen Parteien, aber auch Politmarketing-Organisationen wie die $VP, sind nicht wählbar, wenn sie Bezug auf „die Schweiz“ nehmen!


Als Kontrast: die Familie Püntener ist seit mindestens dem 13. Jahrhundert im Gebiet des Kantons Uri nachgewiesen, also bereits in etwa zur Gründungszeit der Eidgenossenschaft, die bei sehr weiter Interpretation als VorgängerInnen-Struktur des Landes Schweiz interpretiert werden kann!