Vor allem einige deutsche Bundesländer und die USA sind ausserhalb jeder rechtsstaatlicher Grundsätze unterwegs, wenn es darum geht, die Steuerehrlichkeit zu fördern. Da werden Straftatbestände erfunden, da wird das Prinzip der Unschuldsvermutung umgekippt, da werden illegale Verhaltensweisen von z.B. Bankmitarbeitenden belohnt.
Lügen haben kurze Beine, heisst es, das gilt auch in diesem Bereich. Einige Zahlen lassen dies erkennen.
Zum Beispiel diese: In Nordrhein-Westfalen gibt es Zahlen zu 814 Verfahren:
- 11 SteuersünderInnen wurden zu Geldstrafen verurteilt – 2,8 Millionen Euro nahm der Fiskus damit ein. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Geldstrafen das Zehnfache des geschuldeten Steuerbetrags ausmachen, ergaben sich dadurch pro SteuersünderIn etwa 25’000 Euro Nachsteuern, dies in der Regel zu Sachverhalten, die mehrere Jahre betreffen.
- für 80 Beschuldigte gab es Auflagen, aber keine Strafen, das Verhalten der Steuerpflichtigen lag also im Bereich des zulässigen Ermessens.
- Bei 723 Verdächtigen wurden sämtliche Verfahren eingestellt.
Das heisst: ganze 1.3 Prozent des vom Fiskus des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen angeschuldigte SteuerhinterzieherInnen hatten sich tatsächlich etwas zu Schulde kommen lassen – bei fast 89 % der Beschuldigten war schlicht nichts steuerrechtlich problematisches zu finden.
Nordrhein-Westfalen macht sich weiterhin lächerlich (und dies, ohne es zu merken): selbst in den CH-Medien wird Norbert Walter-Borjans zitiert, der behauptet, das gescheiterte Steuerabkommen mit der Schweiz habe zu Viermal mehr Selbstanzeigen von Steuersündern geführt. Die beeindruckende Zahl von 1528 Anlegern hätten sich im ersten Halbjahr 2013 selbst angezeigt. Eine kurze Suche im Internet ergibt: Nordrhein-Westfalen hat rund 8.5 Mio Steuerpflichtige – selbst wenn sich die Zahlen der Selbstanzeigen verzwanzigfachen sollte (10 Jahre, doppelt so hoher Anteil von Selbstanzeigen) wären dies immer noch bloss 0.7 Prozent der Steuerpflichtigen! Und wenn von diesen wie oben „nur“ 1.3 % tatsächliche SteuerhinterzieherInnen sind, wäre einmal mehr ein Elefant nicht einmal zu einer Mücke gemacht worden. Möglicherweise werden Selbstanzeigen auch missbraucht: eine staatlich finanzierte Steuerrevision gibt es nicht immer zu haben – die Wahrscheinlichkeit ist gross, einen Steuerpersilschein von Herrn Walter-Borjans zu bekommen, als garantierte steuerliche weisse Weste!
Damit sind die Anschuldigungen mehr als willkürlich und in keiner Art und Weise rechtsstaatlich zu rechtfertigen – ein solcher Staat, insbesondere die Exekutivverantwortlichen wie Dr. Norbert Walter-Borjans haben keinerlei Legitimation mehr bei derartigen Fragen, weil ihre Urteilsfähigkeit ernsthaft in Frage zu stellen ist. Derartige Verhaltensweisen tragen schlicht nichts zur Verbesserung der Steuergerechtigkeit bei, im Gegenteil!
Die Willkürlichkeit etwa der Steuerbehörden von Nordrhein-Westfalen wird durch einen weiteren Hinweis illustriert: die Umsetzung des Steuerabkommens mit Grossbritannien zeigt, dass auch in diesem Fall wesentlich weniger nicht-versteuerte Gelder auf Schweizer Banken liegen, als dies von den Finanzverantwortlichen der Herkunftsländern der Gelder angenommen wird; hier wurde der demokratische Rechtsstaat Schweiz zu einem unverantwortlichen Vorgehen genötigt. Es zeigt sich einmal mehr, dass es fatal war, diese Abkommen nicht den Stimmberechtigten vorzulegen.
Die öffentliche Meinung und die populistischen FinanzpolitikerInnen unterschätzen offenbar die Steuerehrlichkeit der Steuerpflichtigen massiv; wie von mir vermutet ist die Steuerunehrlichkeit noch weniger verbreitet als das Benutzen des öffentlichen Verkehrs ohne Ticket. Oder anders: die meisten Menschen sind willens, sich an der Finanzierung der Aufgaben des Staates entsprechend ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten zu beteiligen! Der Rechtsstaat hat also dafür zu sorgen, dass gesetzeskonformes Verhalten der sehr grossen Mehrheit der Steuerpflichtigen belohnt wird, dies auch als Motivation der Unehrlichen – dazu müssen demokratische und rechtsstaatliche Mittel ausreichen – Hehlerei von Bank-CDs und bilaterale Nötigung von Staaten gehört nicht dazu!
Ich weise einmal mehr darauf hin: ich bin sehr daran interessiert, dass der Staat ausreichende Mittel hat, um die ihm zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Steuergerechtigkeit ist eine notwendige Voraussetzung dafür – allerdings nur, wenn diese unter Respektierung der demokratischen Rechtsstaatlichkeit erreicht wird.
Nachtrag 12.12.2013: Neueste Zahlen aus Deutschland, in einem Artikel aus der NZZ: 20’000 Selbstanzeigen im Jahr 2013, bei etwa 80 Mio Einwohnenden gibt es in Deutschland etwa 40 Mio Steuerpflichtige.
Erste Fassung 13.7.2013