Staats-Hehlerei?!

Darf der Staat gestohlene BankkundInnen-Daten verwenden, um das Staatsdefizit nicht einmal gefühlt zu verkleinern? Legitimiert unrechtmässiges Verhalten anderes unrechtmässiges Verhalten?

Der deutsche Geheimdienst (!!!) hat 2008 für illegal beschaffte BankkundInnen-Daten einiges an Geld bezahlt – 100 Mio Euro kamen als zusätzliche Steuereinnahmen herein. Angesichts der 742 Mia Euro Einnahmen ein Betrag, der nichts an der desolaten – und grösstenteils selbstverschuldeten (warum soll ausgerechnet z.B. der Umweltkiller Auto staatlich subventioniert werden) – Finanzlage des deutschen Staates ändert. Selbst die Steuergerechtigkeit lässt sich auf diese Art nicht verbessern, im Gegenteil: der Staat demonstriert ja am konkreten Beispiel, dass „Betrügen“, dass illegales Verhalten aus eigennützigen Gründen als legitim, als angemessen gilt. Wo liegt der Unterschied, wenn einerseits Einkommen und Vermögen vor dem Staat versteckt werden, andererseits der Diebstahl, in der Regel durch die Verletzung von Arbeitnehmer-Treue-und Loyalitätsverpflichtungen erst möglich geworden, durch den Staat (mit „ehrlichen Steuergeldern“ wohlgemerkt!) als Hehler belohnt wird. Wenn Staatsbürger Hehlerei betreiben, wird das Gut beschlagnahmt und vernichtet, und die TäterInnen werden bestraft. Objektiverweise ist dies die einzig mögliche Verfahrensart bei gestohlenen Bankdaten: einziehen, vernichten, die Diebe empfindlich bestrafen. Denn: diese haben ihren Job nicht verantwortungsbewusst wahrgenommen, denn jedes Unternehmen ist verpflichtet, sich im Sinne der Legal Compliance zu verhalten. Wer von illegalem Verhalten in seinem Arbeitsumfeld Kenntnis erhält, hat diese Informationen auf den dafür vorgesehenen unternehmensinternen Wegen weiterzugeben. Wer dies nicht tut, handelt fachlich nicht korrekt, ist also vom Job überfordert -und verdient definitiv den Lohn nicht, der für seine Tätigkeit bezahlt wird. Wer in der Folge Unternehmensgeheimnisse gegen überrissene Geldforderungen an den Staat verhökert, ist bestenfalls gierig, mit Sicherheit kriminell. Solches Verhalten hat weder mit Robin Hood, innerem Widerstand oder so was zu tun, sondern ist schädlich, weil einmal mehr Eigenverantwortung mit Füssen getreten wird. Solches Verhalten ist durch den Staat zu bestrafen, sicher nicht noch zu vergolden!

Objektiverweise ist die Verrechnungssteuer – eine 35-prozentige Abgabe auf den Ertrag von Bankguthaben, welche rückerstattet wird, wenn die entsprechenden Vermögenswerte in der Steuererklärung deklariert werden – ein gutes Instrument zum Umgang mit der Steuergerechtigkeit. Solange dieser Ansatz über dem Grenzsteuersatz für entsprechende Einkommen liegt, bestraft man sich selber, wenn die entsprechende Deklaration nicht erfolgt. Eine selbstregulierende Sache also, mit Sicherheit weniger aufwändig als ein automatischer Bankkunden-Daten-Transfer.

In der Tendenz ist davon auszugehen, dass der Einnahme-Effekt aus bis anhin nicht versteuerten Vermögen erheblich überschätzt wird. Das „Jagen“ von „Steuersündern“ lenkt vom grandiosen Scheitern der staatlichen Finanzpolitik ab und verhindert den dringlichen Umbau der Finanzierung der staatlichen Aufgaben. Andererseits haben Auswüchse insbesondere im Geldcasinobereich dazu geführt, dass enorme, hauptsächlich virtuelle Vermögen angehäuft werden können (immer erworben in nicht-nachhaltiger Weise!). Es ist zwingend, dass zukünftig die Finanzwirtschaft von der realen Wirtschaft abgekoppelt wird, zum Beispiel durch Schaffung von Spielgeld mit einem sehr restriktiven Umtauschverhältnis zu Realgeld. Festzuhalten ist, dass viele Staaten seit 2008 Geld in Banken eingeschossen haben, welches grösstenteils virtuell erwirtschaftet war – erst durch die Geldflüsse des Staates wurde es zu Realgeld! Und dies finanziert aus Steuermitteln! Zwingend ist endlich eine ökologische Finanzreform – ökologische Lenkungsabgaben mit starker Lenkungswirkung und umfassender Rückerstattung könnten in erheblichem Umfang zur Stärkung der Realwirtschaft beitragen, ebenso das bedingungslose Grundeinkommen für alle.


Nachtrag 1.2.2010

In Deutschland werden ArbeitnehmerInnen fristlos entlassen, die z.B. in einem Altenheim oder in einem Lebensmittelladen ein Brötchen aufessen, welches übrig geblieben ist. Begründung: gestörtes Vertrauensverhältnis. Und jetzt will der gleiche Staat, der dieses absurde Verhalten eines Arbeitgebers unterstützt, ausgerechnet kriminelle Datenräuber belohnen, die das Vertrauen ihres Arbeitsgebers missbraucht haben? Von welchen Werten und Haltungen geht wohl ein solcher Staat aus?

Die deutschen Grünen stellen in ihrer Medienmitteilung fest, in der Schweiz „lagern 260 Milliarden Schweizer Franken aus Deutschland. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dieses Geld zum allergrößten Teil aus Straftaten stammt.“ Nun, der zweite Satz dürfte in der Hektik einer schnellen Medienmitteilung entstanden sein. In der Realität wird möglicherweise ein Teil dieser Gelder nicht korrekt versteuert, sowohl bezüglich Einkommen als auch bezüglich Vermögensertrag – immerhin zahlen die Schweizer Banken für Vermögen von Privatpersonen aus dem Ausland die gemäss EU-Abkommen erforderlichen Zinsbesteuerungen aus – gemäss EU-Richtlinien, nichts also mit Straftaten. Wenn die Vermögenserträge von Kapitalgesellschaften nicht besteuert werden, so entspricht dies einem Wunsch der EU! In einer anderen Quelle werden zusätzliche Steuern von 150 Mio Euro aus 3.4 Mia Euro Vermögen genannt, welche wegen der von deutschen Geheimdienst geklauten lichtensteinischen Daten erhoben werden konnten, rund 5 % der Vermögen also! 13 Mia Franken zusätzliche Steuereinnahmen wären also in etwa zu erwarten, wenn ALLE Vermögen von Deutschen in der Schweiz absolut korrekt steuerrechtlich behandelt würden – wie viel davon die behaupteten 1’500 KundInnendaten, über die derzeit diskutiert wird, hergeben würden, lässt sich nicht einmal abschätzen. Auch wenn 13 Mia Franken nach viel tönt: dies entspricht genau vier Tagen Einnahmen des deutschen Staates!!! P.S. dabei sind die Auswirkungen der ordentlichen Zinsbesteuerung noch nicht berücksichtigt; dadurch würde der Nettonutzen kleiner!

Fazit: der deutsche Staat „verliert“ etwa ein Prozent seiner Steuereinnahmen wegen der vermuteten (nicht bewiesenen!) Vermögensverwaltungsmöglichkeiten in der Schweiz – dies ist so quasi der Schlupf einer der zentralen europäischen Freiheiten, des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs! Objektiverweise sind mit den Doppelbesteuerungsabkommen die Voraussetzungen gegeben, dass ein Grossteil dieses einen Prozentes auch noch erwirtschaftet werden kann – mit einer klugen Arbeitsweise der deutschen Steuerämter dürfte es sogar gelingen, auch „Altlasten“ aufarbeiten zu können. Wer für solche Zwecke geklaute Daten verwendet und für diese sogar noch bezahlt, ist von allen guten Geistern verlassen. Ein solcher Staat hat weder bei den Nachbarn noch bei den „Einheimischen“ viel Kredit…

Nachtrag 8.2.2010

Diese Einkünfte fallen nicht ins Gewicht, das sagt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Dem ist nichts beizufügen – viel Lärm um das selbst in der Schweiz überschätzte BankkundInnengeheimnis!

Erste Fassung: 30.1.2010