Die schon fast endlosen Diskussionen über die Verkehrssituation am Stadtzürcher Seebecken und die unbeholfenen Reaktionen der Strassenverkehrslobby auf die Felssturzsperrung der Gotthardbahnstrecke zeigen eines: der Strassenverkehr in der Schweiz wird immer noch verHerrlicht (kein Tippfehler!), kaum jemandist willens oder fähig, sich mit den verheerenden Folgen des Strassenverkehrs zu beschäftigen, und weder im Personenverkehr noch beim Gütertourismus werden die Fragen nach den Grenzen des Wachstums ernsthaft gestellt. Der Strassenverkehr ist weiterhin tabuisiert – nicht nur deswegen gehört auch die Schweiz immer stärker zu den Climate Criminals.
Schon lange ist klar: gerade in Städten braucht es zukünftig deutlich weniger MIEV respektive motorisierten Individualverkehr (kann auch als MIV geschrieben werden). Das Ziel der städtischen Entwicklungspolitik muss es sein, dass Menschen für ihre Alltagsaktivitäten deutlich weniger als heute unterwegs sein müssen – und den verbleibenden Restverkehr hauptsächlich zu Fuss und mit dem Velo abwickeln können. Eine wichtige Steuergrösse ist dazu die verfügbare Verkehrsfläche. Mehrfach nachgewiesen ist, dass weniger Verkehrsfläche sehr schnell zu weniger motorisiertem Individualverkehr führt.
Am Beispiel der Strassenverkehrssituation am Stadtzürcher Seebecken lassen sich die Konsequenzen sehr schnell aufzeigen: Nachdem der Gemeinderat der Stadt Zürich ein weiteres Mal die absurde Idee eines Seetunnels abgelehnt hat, bietet sich die einmalige Chance eines Versuchs! Ganz einfach: da grosse Teile der zur Diskussion stehenden Strassenverkehrsflächen zwischen General-Guisan-Quai und Utoquai am Sechseläutenmontag so oder so gesperrt wird, wird diese Sperrung während den nachfolgenden Monaten bis Ende September versuchsweise beibehalten. Es gibt erstens genügend nicht-individualmotorisierte Verkehrsvarianten – und für die unverbesserlichen AutofahrerInnen, aufgestachelt durch die von der Auto-PR ferngesteuerten $VP und FDP bestehen zweitens genügend verbleidende Strassenverkehrsflächen auf Stadtgebiet, zudem handelt es sich ja drittens nur um eine temporäre Sperrung – mehr als die Hälfte des Jahres würde der Autoverkehr weiter rollen. Ein grandioses Experiment mit einem nicht unbedeutenden Beitrag zum Klimaschutz – schade, wenn dieses Potenzial nicht genutzt wird!
Analog sieht es am Gotthard aus: Steinschläge, Felsabbrüche und dergleichen gehören zu den natürlichen Ereignissen nicht nur in den Alpen. Die Respektierung dieser Naturvorgabe verlangt, dass die Menschheit Begrenzungen der Verkehrsmöglichkeiten respektiert – insbesondere, wenn einmal mehr die Strassenverkehrsalternativen zu massiv viel mehr Lärm, Gestank und dem Ausstoss an Treibhausgasen führen würden. Es gibt KEIN Argument für eine zweite Autobahn-Tunnelröhre am Gotthard – ein temporärer Unterbruch der Bahnlinie verändert dies Situation überhaupt nicht.
Am Stadtzürcher Seebecken wie am Gotthard: wer immer noch Strassenverkehr fordert, gehört schlicht und eindeutig zur Kategorie der Climate Criminals!