Als Folge der Globalisierung und der „Geiz ist Geil“-Mentalität werden etwa in Bangladesch Textilien unter unmenschlichen, ausbeuterischen Bedingungen hergestellt. Dies ist nicht erst seit der Brandkatastrophe von Ende April 2013 mit mindestens 800 Toten in einem Produktionsgebäude in Savar, einem Vorort der Hauptstadt Dhaka, bekannt. Die Clean Clothes Campaign etwa besteht seit 1989. Von der Erklärung von Bern gibt es eine App für „Fair Fashion„.
Auch die Produktion von Solarstromanlagen (genauer der PV-Module) hat sehr viel mit Fair Trade – und damit Nachhaltigkeit – zu tun.
Sollen KonsumentInnen nun Textilprodukte aus Bangladesh (und damit auch aus anderen Ländern ohne faire Produktionsbedingungen) boykottieren? Die Antwort ist weder ja noch nein. Offensichtlich ist, dass solche Textilprodukte eine gewisse Wertschöpfung in den Produktionsländern zur Folge haben. Allerdings: ein Artikel von Urs P. Gasche in infosperber dokumentiert: selbst eine Verdoppelung der Löhne in Bangladesh würde T-Shirts etc in deutschen Läden um höchstens 10 Prozent verteuern. Als erste Antwort: wenn Textilien ein glaubwürdiges Fair Trade-Label tragen, ist es zumindest akzeptabel, solche Kleidungsstücke aus Bangladesh zu kaufen und zu tragen.
Die zweite Antwort ist etwas komplexer: 75 % des Ladenpreises eines Kleidungsstückes machen die Aufwändungen des Detailhandels und der Werbung aus – „Dienstleistungen“ also, die im Land der KäuferInnen erbracht werden – ganze 14 Prozent entfallen auf die Produktionskosten, während Steuern und Transport (dank den lügenden Transportkosten= „nur“ 11 % ausmachen. Damit wird ein zentraler Aspekt der aktuellen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik erkennbar: wohlhabende Staaten sind vor allem deshalb wohlhabend, weil der gesamte Arbeitszeitaufwand für die produzierende Wirtschaft minimiert und der Dienstleistungsanteil maximiert wird! Wenn mit den Argumenten der Entwicklungspolitik von Boykott von Produkten in Bangladesh abgeraten wird, ist dies eindeutig als nicht-nachhaltige Empfehlung zu betrachten. Denn: die nicht fair behandelten Arbeitskräfte in Bangladesh konkurrenzieren mit mindestens ebenso unfair behandelten Arbeitskräften in anderen Billiglohngebieten, sie konkurrenzieren immer häufiger auch mit Produktionsrobotern – sie konkurrenzieren nicht mit den im Dienstleistungsbereich arbeitenden Menschen in den wohlhabenden Ländern! Wohlhabende Länder sind in der Regel demokratische Rechtsstaaten mit funktionierenden Institutionen, mit durchgesetzten arbeits- und umweltrechtlichen Vorgaben – die Frage ist dabei, ob dieser Wohlstand damit zusammenhängt, dass die Menschen, die für die Wohlhabenden produzieren, nicht fair behandelt werden! Dazu kommt – das gilt sowohl für Bekleidung wie IKT, allenfalls auch für PV-Module: da diese Produkte einen modischen Anteil haben, gehört die geplante Obsoleszenz mit zu den nicht-nachhaltigen Aspekten!
“Designed somewhere in Europe or US – Assembled in an Eco- and Social Dumping Country” – das gilt für die Textilprodukte genau so wie für IKT-Produkte und damit auch Photovoltaik-Module. Die aktuellen Debatten über Anti-Dumping-Zölle bei chinesischen PV-Produkten zum Schutz der Reste der deutschen PV-Industrie haben letztlich den gleichen Hintergrund wie die Debatten über faire Textilien. Die arge Luftverschmutzung in China, die nachweislich unmenschlichen Arbeitsbedingungen und der tiefe Demokratieindex (2011: 3.14, (=Autoritäres Regime), Maximalwert für vollständige Demokratien: 10) führen direkt zu tiefen Produktionskosten, was bei Öko- und Sozialdumping zu erwarten ist.
P.S. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass diese offensichtlichen Dumping-Preise nicht allein ausschlaggebend sind für die Zukunftschancen der deutschen PV-Industrie. Noch im Oktober 2012 hat Thomas Kubr von Capital Dynamics am NZZ-«Equity» Cleantech Day im Bereich der erneuerbaren Energien „lohnende Investments, um auf eine durchschnittliche Rendite von 10% bis 14% zu kommen“ gefordert – das sind Renditen, die im Kleinkreditgeschäft als wucherisch (oder eben abzockend) gelten! Zu beachten ist auch der massiv marktverfälschende Effekte der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV, welche Subventionitis-Gelder an falsche Orte fliessen lässt.
Fazit: Kleider, Computer, Tablets, Smartphones, PV-Module etc aus Öko- und Sozialdumping-Ländern sind akzeptabel, wenn sie ein anerkanntes und unabhängig geprüftes Label tragen. An der Suffizienz, an „All you need is less“ führt nichts vorbei – und dazu braucht es das bedingungslose Grundeinkommen für alle!