Tamedia und Klimaschutz

Am 4. Dezember 2007 lag dem Tages-Anzeiger eine Verlagsbeilage „Der Offroad-Boom“ mit dem Untertitel „Die Schweiz fährt auf Offroader und SUV ab“ bei. Dies ausgerechnet zu Beginn der Klimaschutzkonferenz COP 13 auf Bali. Wie vertragen sich solche verkaufsfördernden Verkaufsbeilagen mit dem Klimaschutz?

Die Autos der Schweizerinnen und Schweizer gehören auch im europäischen Vergleich zu den grössten Benzin- und Dieselschleudern und tragen übermässig zum Ausstoss des Treibhausgases CO2 bei. Die SchweizerInnen fahren insbesondere auf Offroader und SUVs ab. Und solche Trends wirken sich sehr direkt auf die vom BAFU erstellte CO2-Bilanz der Schweiz aus: noch nie war der CO2-Ausstoss aus dem Verkehr so hoch wie 2006, rund 19 Prozent höher als 1990 – und dies obwohl er eigentlich bis 2010 acht Prozent unter dem Wert von 1990 liegen sollte!

Darf jetzt ein Zeitungsverlag für sich beanspruchen, eine strikte Trennung von redaktionellem Teil und kommerziellem Teil vorzunehmen und darum keine Inserate abzulehnen (ausser den „heiklen“ politischen Inseraten)? Im Grundsatz ist die Pressefreiheit hochzuhalten. Doch gerade im Autobereich ritzen auch Medien wie der Tages-Anzeiger an diesem Status. Journalisten fahren Autos, die ihnen von der Autowirtschaft (gratis) zur Verfügung gestellt werden – hier wird ganz klar bezahlte Werbung betrieben.

Auch ein Verlag hat eine ökologische Politik zu verfolgen. Seit 2003 steht im tamedia-Leitbild der Satz: Zum verantwortungsvollen Handeln gehört es, dass wir den Ansprüchen der Umwelt Rechnung tragen. 2003 war es durchaus noch üblich, dass solche Leitbilder in ökologischen Fragestellungen bloss schöne Worte enthielten – 2007 sind die Ansprüche höher, da braucht es konkrete Handlungen mit Wirkungsnachweis.

Die Umweltpolitik eines Unternehmens darf sich längst nicht mehr auf die direkten Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit beschränken. Auch die indirekten Auswirkungen gehören dazu. Zur Illustration: da wird einerseits im redaktionellen Teil mit einer beachtlichen Kompetenz über ökologische Fragestellungen informiert, während bei den Inseraten verstärkt die grossen Fahrzeuge beworben werden.

„Ansprüchen der Umwelt Rechnung tragen“ – das heisst nicht erst im Jahr 2007: deutlich weniger Emissionen von Treibhausgasen. Das Gewährenlassen der Inserate-Freiheit auch bei den Autos hat sicher einen Teilbeitrag geleistet, dass die CO2-Emissionen aus dem Verkehr zugenommen haben. Wenn tamedia die eigenen „schönen Worte“ ernst nimmt, gibt es nur eines: die Inserate-Freiheit bei den Autowerbungen muss geringfügig eingeschränkt werden. Es sollten zukünftig nur noch Inserate für Autos mit tiefem CO2-Ausstoss, z.B. nur noch für Autos mit weniger als 120 Gramm CO2-Emissionen pro Kilometer, publiziert werden. Ebenso könnte die redaktionelle Werbung für Fahrzeuge auf die selben Typen beschränkt werden.

Für Verlagsbeilagen wie „Der Offroad-Boom“ kann die Redaktionsfreiheit so oder so nicht mehr beansprucht werden. Solche Produkte werden vom Verlag eigenständig in Angriff genommen. Die Themen werden in eigener Verantwortung festgelegt, es werden die Inserenten dazu gesucht – hier kommt einzig und allein die Unternehmenspolitik zum Tragen. Wie sich die Leitbild-Aussage „Zum verantwortungsvollen Handeln gehört es, dass wir den Ansprüchen der Umwelt Rechnung tragen.“ mit der Verlagsbeilage „Der Offroad-Boom“ vereinbaren lässt, wird das Geheimnis von tamedia bleiben.

Im übrigen – und dies ohne Honorar als potentieller Verlagsberater: Kommerziell steht die „Offroad-Verlagsbeilage“ quer in der Landschaft. Zu Beginn des Klimagipfels auf Bali wäre es wenn schon knapp passend gewesen, eine Verlagsbeilage mit den Fahrzeugen zu erstellen, die heute schon weniger als 120 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren – neben den Aspekten des Klimaschutzes wäre dies auch jenen entgegenkommen, die angesichts der aktuell sehr hohen Benzin- und Diesel-Preisen eine sparsamere Fahrzeugversion suchen.

Was könnten denn Medien tun, um einen ernsthaften Beitrag zur Verminderung der CO2-Emissionen zu leisten?

  • keine Inserate mehr für Autos, die mehr als 120 g CO2 pro km emittieren.
  • keine redaktionellen Beiträge mehr über Fahrtests mit Autos – diese können als Publireportagen (unter obiger Einschränkung) abgedruckt werden.
  • Um die Mobilität zu erhalten, muss der Verkehr vermindert werden – eine Aussage des Dresdener Verkehrsökologen Udo J. Becker: geistige Mobilität statt autobetriebene Unterwegsheit ist angesagt. Damit ist eine geistige Haltung verbunden – diese ist auch durch die Medien zu fördern.

    Zitat dazu vom deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler: Mit einer nachhaltigeren Gestaltung unseres Lebensstils im Sinne von ‚gut leben’ statt ‚viel haben’ und einem fairen Miteinander der reichen und armen Staaten dieser Welt können wir dafür sorgen, dass die Erde auch für unsere Kinder und Enkel wohnlich bleibt. (anlässlich der Verleihung des Deutschen Umweltpreises am 28.10.2007).

  • Die Zeit des „alles ist möglich und erlaubt“ ist definitiv vorbei – es gilt, von der Verschwendungssucht Abschied zu nehmen – siehe dazu der Beitrag des Ethikers Otto Schäfer. Gerade die Medien haben sowohl im redaktionellen Teil als auch im kommerziellen Bereich eine besondere Verantwortung wahrzunehmen.
  • und als erstes kleines Zeichen: die Wettbewerbspreise „Autos“ bei den Werbekampagnen der Schweizer Presse sind schon seit Jahren nicht mehr zeitgemäss – und sind bestenfalls durch Phantasielosigkeit zu entschuldigen.

Einmal mehr verhöhnt eine Verlagsbeilage des Tages-Anzeiger die schönen Verlags-Worte zum Umweltschutz: am Freitag, 9. Mai 2008 liegt CABRIO-TRENDS dem Tages-Anzeiger bei – mit 60 der absolut überflüssigsten Autos der Welt, unverschämt teuer, unverschämt klimaschädlich. Die meisten mit CO2-Emissionen von 200 Gramm und mehr – Dinosaurier, nur antreibbar wegen des Raubbaus an den fossilen, endlichen Erdöl-Ressourcen dieses Planeten. Und dies ausgerechnet am gleichen Tag, als der Bund bekannt gibt, dass insbesondere der Strassenverkehr die externen Kosten von 8.5 Mia Franken (2005) bei weitem nicht deckt, dass diese konservativ, vorsichtig ermittelten externen Kosten seit 2000 um 24 % angestiegen sind! Gleichzeitig auch bei einem neuen (relativen) Oelpreismaximum, welches weltweit als Anzeichen dafür gewertet wird, dass die maximalen Produktionsmöglichkeiten für Erdöl erschöpft sind, dass also dringend Massnahmen „Weg von Oel“ erforderlich sind. Warum verhält sich ein einflussreicher Verlag derart gedankenlos?


Erste Fassung 9. Dezemer 2007