Der Kandidat Karl Zweifel der SVP der Stadt Zürich für den Stadtrat politisiert mit für ihn „schwarzem Humor“ aus dem Mittelalter – da geschichtsklittert er und und ist gewaltverherrlichend. Seine Aussage kann nur als ungeheuerlich bezeichnet werden.
Ich habe lange gezögert, etwas zur ungeheuerlichen Aussage von Karl Zweifel, im Mittelalter „wären VerräterInnen wie Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf gevierteilt“ worden, zu schreiben. Denn genau damit rechnet ja die SVP, dass man über sie und ihre KandidatInnen spricht. Eine der Erfahrungen des Politmarketings: es spielt gar keine Rolle, warum man über die SVP spricht, Hauptsache, man spricht über die SVP.
Nur: diese Aussage ist derart ungeheuerlich, dass daran einmal mehr gezeigt werden kann, dass die SVP schlicht unwählbar ist und ein für alle Mal verboten gehört.
Wikipedia nennt „Vierteilen“ als eine der Höchststrafen – sie gilt als besonders grausam, und wurde vor allem bei versuchtem oder vollbrachtem Königsmord verhängt, und zwar im frühen Mittelalter (also vor rund 500 Jahren) und der frühen Neuzeit.
Die Todesstrafe ist generell abzulehnen – sie gehört, als eine der Errungenschaften der modernen Gesellschaften, nicht mehr ins Strafenrepertoire zum Beispiel der Schweiz. Objektiverweise gehören selbst bei schwarzem Humor Bezüge zu dieser sinnlosen Bestrafungsart nicht mehr in die Sprachpraxis; auch z.B. „Köpfe rollen“ ist zu vermeiden.
Ist Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf eine Königsmörderin, wie dies Herr Zweifel mit seinem ungeheuerlichen Bild meint? Nun, in einer Demokratie gibt es keine Könige, auch wenn dies Herr Blocher hin und wieder für sich selber meint. Die Nicht-Wiederwahl von Alt-Nationalrat Blocher in den Bundesrat ist ein DEMOKRATISCHER Entscheid der vereinigten Bundesversammlung – derartige Vorgänge gehören zur Demokratie!
Auch wenn die SVP gerne die Mehrheit in diesem Land reklamiert (was sie aus der Tatsache ableitet, wählerstärkste Partei zu sein): die Gerichtsbarkeit steht der SVP als einem Verein nach ZGB, wie es sie noch zu tausenden in diesem Lande gibt, nicht zu. Das Gewaltmonopol gehört, zurückhaltend ausgeübt, in die Hand des Staates, muss demokratisch kontrolliert werden. Es ist eine Anmassung und eine völlig ungeheuerliche Auffassung der Wirkung einer politischen Partei, wenn Herr Zweifel die SVP nur schon in die Nähe des Gewaltmonopols schiebt. Nun, die SVP hat tatsächlich Allmachtsphantasien, hat sie doch nachträglich die Statuten geändert, um Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf aus der Partei ausschliessen zu können – aber die SVP ist und bleibt ein Verein.
Im Gegenteil: Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf wird politisch geachtet, auch wenn sie inhaltlich beispielsweise im Asylbereich Positionen vertritt, die sogar noch härter sind als jene der SVP. Selbst im Mittelalter oder der frühen Neuzeit wäre also Frau Widmer-Schlumpf kaum wegen ihres Verhaltens rund um die Nicht-Wiederwahl von alt Nationalrat Blocher in den Bundesrat bestraft worden.
Herr Zweifel schafft es sogar, die Ungeheuerlichkeit zu steigern. Er sieht sich nämlich als einer der Henkersknechte – er hätte diese Vierteilung vorgenommen.
Wenn es nun gar nicht zu einer Verurteilung gekommen wäre in dieser Situation, fordert Herr Zweifel somit eine Lynchjustiz. Er postuliert, dass Gewalt zur Lösung zwischenmenschlicher Probleme (um nichts anderes geht es nämlich beim Verhältnis der SVP zu Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf) eingesetzt werden darf. P.S. Hier besteht auch der deutliche Unterschied zu den nicht wirklich überzeugenden Ausführungen von US-Präsident Barack Obama zu den militärischen Gewaltanwendungen in Afghanistan.
Damit wendet sich Herr Zweifel eindeutig gegen die schweizerische Rechtsordnung – und fördert damit jene Entwicklung, die schon fast tagtäglich aus den Berichterstattungen der Rubrik „Unglücksfälle und Verbrechen“ zu lesen ist.
Wenn Herr Zweifel seinen Ausführungen im Nachhinein als Lapsus bezeichnet, also als Ausrutscher, ist dies eine weitere Ungeheuerlichkeit. Und wenn der Parteipräsident Roger Liebi seinen Kandidaten Zweifel und dessen Ungeheuerlichkeit in Schutz nimmt, illustriert dies einmal mehr, dass diese Partei aus politischer, insbesondere auch aus gesellschaftspolitischer Sicht keinen Platz beanspruchen kann in der gegenwärtigen Parteienlandschaft.
Ich bleibe dabei: die SVP ist als staatsgefährdend zu verbieten.
Dazu passt, dass die SVP des Kantons Zürich eine offensichtlich mit der nationalen Rechtsordnung nicht vereinbare kantonale Volksinitiative gegen die Sterbehilfe nicht für ungültig erklären lassen will. Eine Partei, die bereit ist, wegen eines offensichtlich illegalen Volksentscheides (Anti-Minarett-Initiative) sogar die Menschenrechtsverpflichtungen der Schweiz aufzukünden, scheint bereits dort zu sein, wo Herr Zweifel seine ungeheuerlichen Bilder her nimmt: im Mittelalter nämlich! Liebe Männer und Frauen von der SVP: unterdessen ist aber die Menschheit im Zeitalter des Postmaterialismus angelangt. Die Erkenntnisse der Aufklärung, unter anderem „Gleichheit, Freiheit und Geschwisterlichkeit“, sind dabei unverzichtbar und eigentlich selbstverständliche Inhalte der Gesellschaft.