Nicht nur die SchweizerInnen weisen einen übermässigen ökologischen Fussabdruck auf – nicht nur SchweizerInnen verstossen in globaler Sicht massiv gegen die goldene Regel der Ethik. Wenn nicht nur SchweizerInnen an konkreten Beispielen auf diesen ungerechten, übermässigen ökologischen Fussabdruck hingewiesen werden, reagieren sie uneinsichtig respektive unvernünftig.
Peter Schneider, Psychoanalytiker und regelmässiger Beantworter von LeserInnen-Fragen im Auto-Anzeiger (früher Tagesanzeiger), lehnt den ökologischen Fussabdruck geradezu kategorisch ab. In erster Linie darum, weil nicht alles, was der Mensch tue, moralisch betrachtet werden müsse – und weil ja Moral letztlich einen Bezug zu ethischen Werten hat, lehnt also Herr Schneider Ethik für den Alltag ab. Damit negiert er letztlich die Erkenntnisse und Errungenschaften der Aufklärung – die Postmoderne als Epoche der hedonistischen Beliebigkeit.
Selbstverständlich gelten auch die Gesetze der Chaostheorie – eine einzelne Autofahrt kann, muss aber nicht, direkt mit dem Hungertod eines Kindes in Afrika zu tun haben. Herr Schneider befürchtet eine Hypermoral, will zwar das Heraufdämmern einer Ökodiktatur nicht heraufbeschwören (was er allerdings genau deshalb trotzdem tut), er schreibt zwar, er plädiere keineswegs dafür, im Umgang mit den Ressourcen die Sau rauszulassen – aber Rezepte für einen klugen Umgang mit dem nachweislich übermässigen ökologischen Fussabdruck nennt er nicht.
Zynismus liegt mir nicht. Da ich eine endliche Zeit auf diesem Planeten verbringe, die Erde in einigen Milliarden Jahren voraussichtlich von der erkaltenden und sich daher ausdehnenden Sonne „aufgefressen“ wird, spielt es ja eigentlich gar keine Rolle, wie sich die Menschen auf diesem Planeten verhalten. Wie gesagt, ich bin kein Zyniker, darum sind diese Aspekte schlicht nicht relevant. Es geht um „Wenn, dann …“-Überlegungen. Es gibt seit längerem plausible Aussagen, die darlegen, dass gerade der übermässige ökologische Fussabdruck der reichsten Länder dieser Erde dazu führt, dass es zu Veränderungen der Lebensbedingungen auf diesem Planeten kommt – Stichwort Mensch gemachter Klimawandel -, welche gesellschaftspolitisch kaum bewältigbar sein dürften. Im Sinne der Vorsorge, zu verstehen als eine Art gesellschaftspolitische Versicherung, wäre es klug, dafür zu sorgen, dass der ökologische Fussabdruck der reichsten Gesellschaften auf dieser Erde deutlich vermindert werden könnte. Da es ein Klima auf der Erde auch ohne Menschen gibt, ist Klimaschutz ganz einfach Menschen-, Gesellschaftsschutz.
Die goldene Regel der Ethik postuliert, anderen Menschen nur das anzutun, was mensch für sich selber akzeptieren würde. Auch wenn es Unsicherheiten über die zu erwartende Entwicklung gibt – Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen -, verlangt die goldene Regel der Ethik zwingend, alles daran zu setzen, Entwicklungen, die gesellschaftspolitisch als nicht bewältigbar betrachtet werden, zu verhindern.
Der ökologische Fussabdruck ist für Menschen in der Schweiz sehr ernüchternd: selbst Menschen, die sich eigenverantwortlich ökologisch bewusst verhalten, liegen mehr oder weniger deutlich über der Schwelle eines als dauerhaft verträglich grossen ökologischen Fussabdruck. Dazu kommt, dass sämtliche Alltagsbereiche zu diesem übergrossen Fussabdruck beitragen – für viele gehören auch lieb gewordene Gewohnheiten dazu.
Die Benutzung des Autos zählt definitiv zu den Bereichen, die in der heutigen Form nicht zukunftsfähig sind. Die Vernunft ist bei Fragen rund ums Auto schon lange abhanden gekommen.
Ein beachtlicher Beitrag zum übergrossen ökologischen Fussabdruck stammt von der „Nahrungskette“: der Verminderung des Konsums von Fleisch, die jahreszeitliche und geographische Komponente (gefordert sind in erster Linie saisonale und lokale Produkte), die Reduktion der weggeworfenen Lebensmittelmenge, die Vermeidung von Übergewicht sind Aspekte, die den ökologischen Fussabdruck verkleinern.
Wird der Fleischkonsum schon nur andiskutiert – zum Beispiel anlässlich des WWF-Klimazmittags – wittern beispielsweise FDP-Politiker bereits „Vorschriften für eine Lebensweise“ oder „Umerziehungsaktionen“. Einmal jährlich gibt es eine solche Klimazmittag-Aktion – wo genau ist da das Problem, ausser in den Köpfen dieser FDP-Politiker?
Übergewicht trägt – schon fast als Symbol – ebenfalls zum übermässigen ökologischen Fussabdruck bei. Übergewicht ist auch eine gesundheitspolitische Herausforderung; viele so genannte Zivilisationskrankheiten werden durch Übergewicht verstärkt oder gar ausgelöst. Ich staune regelmässig über die Vehemenz, mit welcher sich sonst so aufgeklärt und vernünftig gebende Menschen wie etwa Beda M. Stadler für Übergewichtige einsetzen. Auch hier wieder: „kein Übergewicht“ ist keine Garantie für ewiges Leben (das behauptet auch niemand). Ein Leben mit Übergewicht ist durchaus möglich – im Sinne von Szenarien, also „Wenn, dann …“-Überlegungen, heisst die Botschaft auch hier: die Erfahrungen zeigen, dass das Idealgewicht, also „kein Übergewicht“, unter sonst gleichen Umständen zu einem „leichteren“ Leben führt – also analog zum Klimaschutz: mit Klimaschutzmassnahmen wird der Klimawandel gesellschaftspolitisch bewältigbarer.
„Wenn, dann …“-Szenarien dürften zu den rationalsten Instrumenten der Meinungsbildung gehören – oder anders, sie können durchaus einen Lernprozess auslösen. Es ist unverständlich, warum solche Überlegungen überhaupt auf Widerstand stossen! Oder ist es allenfalls so, dass die sich gegen jede Vernunft gegen solche Szenarien Wehrenden Menschen persönliche Interessen verfolgen (beim Beispiel Übergewicht etwa die persönliche Betroffenheit)? Oder ist es eine Überforderung, von Menschen zu erwarten, dass sie in jeder Lebenslage rational und vernünftig reagieren (das gilt durchaus für das Stichwort „Rauchen“ im Titel)?
Auch wenn es viele Ausreden – wenige davon kreativ – gibt: letztlich ist jeder Mensch für das eigene Verhalten selbst verantwortlich! Egal, ob dies dem schlechten Gewissen, der eigenen Moral- und Ethikvorstellung passt oder nicht …