Kreislaufwirtschaft ist angesagt – allerdings braucht es dabei auch Vorsicht.
«Wiedergebrauch» oder «reuse» von Materialien ist ein Ansatz, um im Sinne der nachhaltigen Entwicklung voranzukommen.
Schiesstraining erfordert sogenannte Zielscheiben. Die Bildersuche im Internet zeigt eine riesige Vielfalt von gedruckten Zielscheiben – neben den klassischen Zielscheiben mit mehreren, grösser werdenden konzentrischen Kreisen sind sehr viele Bildsujets erhältlich.
Da ist es eigentlich sehr naheliegend, mal den Altpapierstapel zum Beispiel im Keller auf geeignete Sujets durchzuscannen und ein zum Recyling bereitliegendes Blatt Papier zu «reusen».
STOP! STOP! STOP! VORSICHTIG SEIN!!!!
Sanija Ameti (unter anderem Gemeinderätin der GLP im Stadtzürcher Parlament) hat dies ausprobiert – in einem zum Altpapier gelegten Kunstkatalog hat sie ein in jenem Moment aus ihrer Sicht für eine Zielscheibe geeignetes Altpapier gefunden und für ein Schiesstraining «reused». Und dann noch Bilder davon in Social Media geteilt.
Nun, die ausgewählte Altpapierseite war eine Abbildung eines Bildes aus dem 14. Jahrhundert von Tommaso del Mazza mit einer Darstellung der Madonna mit Kind und dem Erzengel Michael – also ein Sujet mit religiösem Bezug. Auch wenn sich Sanija Ameti sehr schnell entschuldigte, löste dies eine massive Propaganda-Kampagne aus, interessanterweise vor allem von Kreisen, die als kirchenfern gelten. Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen akzeptierten die Entschuldigung.
Dies zeigt, dass die Anti-Ameti-Kampagne nicht gegen (das nicht wirklich empfehlenswerte) «reuse» gerichtet war, sondern gegen die bei vielen Politikkreisen unbeliebte Sanija Ameti.
«reuse» ist und bleibt eine Herausforderung
Was passiert eigentlich mit Papier, welches als Altpapier eingesammelt wird? Sortieren, Zerkleinern, Auflösen sind mögliche Prozessschritte. Somit wird auch im Recyclingprozess zum Beispiel die Abbildung eines Bildes mit der Darstellung der Madonna mit Kind und dem Erzengel Michael letztlich zerstört – offenbar, ohne dass dies jemanden stört. «reuse» zum Beispiel als Zielscheibe für ein Schiesstraining geht für viele demgegenüber gar nicht. Oder anders: da ein solches Druckprodukt höchstens in Ausnahmefällen für die Ewigkeit erstellt wird, liegt die Verantwortung für «reduce», «reuse» und «recycling» eigentlich bei jenen, die solche Abbildungen herstellen lassen. Einmal mehr steht somit «reduce» an erster Stelle der Kreislaufwirtschaft!
Wir alle haben noch einiges zu lernen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft – was produziert oder nicht produziert werden soll, muss dabei an erster Stelle stehen. Dies zeigt sich etwa bei gewissen Materialien – zum Beispiel Asbest, per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS), Atommüll und so weiter.
Von grosser Bedeutung ist, in welcher Form wir nicht mehr benötigte Stoffe im Kreislauf behalten («reuse»). Auch da braucht es noch einige Lernerfahrungen.