Wahlen Stadt Zürich – 7. März 2010

Insbesondere Stadtratswahlen seien Persönlichkeitswahlen. Damit bleibt das, was auf meinem Wahlzettel steht, persönlich, das heisst privat. Was sicher nicht auf meinem Wahlzettel steht: die Namen von Stadtrat Gerold Lauber, der SVP-Kandidaten und diejenigen der KandidatInnen aus dem SVP-Umfeld SD und PFZ. Und für den Gemeinderat ist aufgrund der anstehenden Fragestellungen das Links-Grüne-Parteienspektrum die bessere Wahl.


Ergänzung 7.3.2010


Auch die Stadt Zürich hat eine Konkordanzregierung – auch wenn der aktuelle Stadtrat die rot-grüne Etikette trägt, ist regelmässig auch die rot-blaue Fassung Trägerin der Entscheidungen. Mit dieser Konstellation ausdrücklich ohne SVP fährt die Stadt Zürich sehr gut. Gerade in Städten ist „bürgerlich“ eine Leerformel.

Persönlichkeitswahlen heisst auch: Exekutiven sind dazu da, das gemeinschaftliche Vorankommen zu begünstigen, Konsens und Pragmatismus stehen daher im Vordergrund, inhaltliche und programmatische Aspekte treten in den Hintergrund. Wenn die Demokratie ernst genommen wird, spielt es eigentlich keine Rolle, wer unter dem Parlament und den Stimmberechtigten die Exekutive betreibt.

Abwahlempfehlungen gelten als verpönt und sind nachweislich unwirksam. Trotzdem empfehle ich dringend, Gerold Lauber, CVP, nicht mehr zu wählen, vor allem wegen seiner treibenden Rolle bei der – nachweislich als Fehlentscheid zu qualifizierenden – Schliessung der Pestalozzi-Bibliothek Heuried. Wer dermassen die Interessen eines Quartiers und seiner BewohnerInnen ignoriert, gehört nicht in den Stadtrat.

Das innerparteiliche Haltungs- und Meinungs-Spektrum der einzelnen Parteien zeigt gemäss den politischen Landkarten eine immer grössere Streuung. Auch wenn ich klar die Ansicht vertrete, dass die Lösung ökologischer Herausforderungen in erster Linie eine gesellschaftliche Aufgabe ist, also nicht parteipolitisch vereinnahmt werden sollte, sind die Parteien des links-grünen Spektrums näher an der Thematik dran – mit kräftiger Unterstützung von einzelnen Flügeln der FDP. Es ist gerade bei der FDP erstaunlich, dass es „FlügelspielerInnen“ der gleichen Partei schaffen, einerseits die Umweltverträglichkeitsprüfung erheblich einschränken zu wollen und andererseits die 2000-Watt-Gesellschaft voranbringen zu wollen.

Auf jeden Fall: die Parteien des rot-grün-blauen Parteienkuchens haben im Gemeinderat beachtliche Arbeit geleistet. Wegen der Heterogenität der Parteien nicht immer einstimmig – was aber bedeutet, dass es die SVP und ihr Umfeld nicht wirklich braucht in diesem Rat.


Dass Demnächst-Altstadtrat Robert Neukomm die neunte Linie des Stadtrats-Wahlzettels offen lässt in seiner Wahlempfehlung, weil er den Grünen Daniel Leupi respektive dessen Partei als nicht regierungsfähig erachtet, bestätigt einerseits meine obige Behauptung, dass ökologische Fragestellungen nicht parteipolitisiert werden sollten. Andererseits ist das Ausfüllen eines Wahlzettels im Sinne eines Wunschstadtrates zwar beliebt – wahltaktisch aber nicht angezeigt. Wahlzettel sollten keine leere Zeile mehr haben, aber sie sollten nur jene KandidatInnen enthalten, denen man politisch nahesteht. Die verbleibenden Zeilen sind mit wahlfähigen Stimmberechtigten aufzufüllen, um so das absolute Mehr zu beeinflussen („Vereinzelte“ zählen bei der Ermittlung des absoluten Mehrs, nicht aber „leere Stimmen“.


Nachtrag 23.2.2010

Da veröffentlicht der TA wieder Umfrageergebnisse zu den Stadtratswahlen und behauptet, es handle sich dabei um Prognosen. Lächerlich! Majorzwahlen sind aufgrund von simplen Umfragen gar nicht prognostizierbar. Einige weitere spannende Hinweise im Beitrag von Andreas Kyriacou.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden diese Umfrageergebnisse nichts mit dem Wahlergebnis vom 7.3.2010 gemeinsam haben.

Zum Vergleich die „Prognose 2006“ mit dem Wahlprotokoll (farbig hinterlegte Namen: Wahlprognose resp. absolutes Mehr erreicht und gewählt):

Prognose TA 31.1.2006 Wahlprotokoll
Neukomm 72 Neukomm 57
Stocker 72 Stocker 57
Ledergerber 72 Ledergerber 57
Maurer 71 Waser 57
Martelli 62 Maurer 55
Waser 55 Martelli 51
Vollenwyder 53 Vollenwyder 49
Türler 50 Lauber 49
Lauber 24 Türler 48
Liebi 20 Liebi 22
Girod 11 Girod 11
Luchsinger 10 Danner 10
Danner 8 Luchsinger 5

Im elektronischen Archiv des Tagesanzeigers ist die „Prognose 2006“ nicht mehr zu finden (gezielt aus dem Archiv gelöscht, weiteres dazu) – Andreas Kyriacou hat die Werte gespeichert, vielen Dank. – Wahlergebnisse Stadtrat

Einen zweiten Wahlgang gab es 2006 nicht, und die Reihenfolge war doch deutlich anders als „prognostiziert“. Zudem lagen die Stimmen der KandidatInnen doch deutlich tiefer als in der „Prognose“. Dies bedeutet: die Stimmberechtigten gehen virtuos mit ihren Stimm- resp. Wahlzetteln um, beeinflussen auch das absolute Mehr in erheblichem Mass – und dies ist nicht wirklich prognostizierbar.

Schlussfolgerungen: Prognosen dieser Art sind Schabernack und haben mit der Realität wenig zu tun – für die KandidatInnen lohnt sich jede öffentliche Präsenz, weil dies noch weitere Stimmen geben könnte.


Und jetzt auch die Prognose zum Gemeinderat – wie immer alles relativiert durch die Angabe einer Fehlerbandbreite von 3.2 %. Wie dies zu verstehen ist, bleibt allerdings offen. Ist das jeweils ein Band um den angegeben prognostizierten Wert der Parteistärke – bei den Grünen wäre dies ein Band von 7.1 bis 13.5 %. Wenn dem so ist: Prognose unbrauchbar – denn selbst „Erdrutsche“ wie der Schritt von 2.7 auf 6.2 Prozent bei den Grünliberalen wären noch knapp durch dieses Band abgedeckt. Und auch hier: der Vergleich von Prognose und Realität würde zeigen, dass diese Umfrage das Papier nicht wert ist, auf das sie gedruckt wurde…

Erste Fassung 12.2.2010

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