«Wart schnäll» – «Schnäll e chli warte»: häufig zu hörende Redewendung, in vielen Situationen angewandt. Soll ich «schnell warten», oder soll ich schnell mit Warten beginnen? Bei vielen gesellschaftlichen Fragestellungen – typisch COVID-19 oder Klimawandel – wird «Warten» auch sehr häufig genannt.«Management by Patient Waiting» wird und wurde häufig als Devise für den Umgang mit aktuellen, sogar mit drängenden Fragestellungen vorgegeben.
Wenn es um eine noch ziemlich am Beginn stehende Entwicklung wie eine globale Pandemie geht, zeigt «Warten» durchaus Wirkung: wird zugewartet, das zu tun, was in unserer Gesellschaft als normal, nützlich und notwendig gilt, gelingt es, die Ansteckung mit dem Corona-Virus deutlich zu verlangsamen. Weil wir es als Gesellschaft nicht geschafft haben, unser Wohlergehen von einer mehr oder weniger wachsenden Wirtschaft unabhängig zu machen, müsste für diverse lautstarke Stimmen das «schnäll» beim Warten allerdings wirklich bald vorbei sein.
Allerdings: es wird immer offensichtlicher, dass eine derartige Pandemie durchaus mit dem übergrossen ökologischen Fussabdruck insbesondere der reichen Länder zusammenhängt! Oder anders: wenn wir an einer nachhaltigen, an einer dauerhaften Strategie für die Vermeidung und den Umgang mit allenfalls trotzdem auftretenden Pandemien interessiert sind, müssen wir auch nach dem Warten gewisse Dinge, die als normal, nützlich und notwendig gelten, in Frage stellen.
Um etwa den von Menschen gemachten Klimawandel zu begrenzen, ist es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nötig, «schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft» zu realisieren. Nur so ist es möglich, die drohende Klimakrise zu verhindern oder mindestens abzuschwächen.Nun, seit etwa vierzig Jahren höre ich bei der Klimapolitik immer noch «wart schnäll» oder «schnäll e chli warte». Nun, die Klimapolitik der Schweiz ist nach wie vor weit davon entfernt, das umzusetzen, was nach wissenschaftlichen Erkenntnissen notwendig ist – und sogar diese zu schwache Klimapolitik erreicht ihre Ziele nicht, Zitat aus der Medienmitteilung des Bundes vom 15. April 2020: «Nach heutiger Einschätzung wird die Schweiz ihr nationales Klimaziel für 2020 von minus 20 Prozent Treibhausgasausstoss gegenüber 1990 gesamthaft verfehlen.»
Statt Warten ist es tatsächlich notwendig, auch von dem loszukommen, was heute als normal, nützlich und notwendig gilt; dazu gehört beispielsweise die Versorgung mit Erdgas, gegen alle Sentimentalitäten und kurzsichtigen wirtschaftlichen Interessen. Beispiel dazu ist etwa die Stadt Winterthur: «Das Gasnetz soll … mittel- bis langfristig … verkleinert werden und dereinst nur noch erneuerbares Gas durchleiten.» heisst es in einer Medienmitteilung ebenfalls vom 15. April 2020. Und es geht um ein Gasnetz, welches über die vergangenen 160 Jahre auf- und ausgebaut wurde.
Die erforderlichen «schnellen, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft» erfordern eben, dass wir uns von diversen Dingen verabschieden, die derzeit noch als normal, nützlich und notwendig gelten, die uns schon fast zu lieb geworden sind.
Zu beachten: «Der Klimawandel ist gefährlicher als Corona» gilt bereits als breit anerkannt und bestens abgestützt.Da ist eigentlich schon lange nichts mehr mit
Oder anders: Wir müssen raschmöglichst weg von den fossilen (und nukelaren) Energieträgern – «wart schnäll» oder «schnäll e chli warte» hat da keinen Platz mehr. Ja, das geht, das sagt auch der Schweizerische Nationalfonds: Aussteigen [aus der Kernenergie und der CO2-intensiven Energiewelt] ist möglich… wenn wir wollen, und dies sogar wirtschaftlich und sozial verträglich – Ergebnisse der Nationalen Forschungsprogramme „Energiewende“ (NFP 70) und „Steuerung des Energieverbrauchs“ (NFP 71), vorgestellt am 14. Januar 2020. Einmal mehr: wenn wir wollen, ist die Vermeidung/Abschwächung der Klimakrise möglich – im Wissen darum, dass dazu ein «System Change» erforderlich ist. «Wart schnäll» oder «schnäll e chli warte» liegt allerdings nicht mehr drin!
Konkretisiert werden kann dies bereits bei den Sofortmassnahmen, die wegen des Corona-«Lockdowns» politisch diskutiert werden. Dies heisst etwa, dass es eine allfällige Staatshilfe für den Flugverkehr nur mit Paris-konformen Klimazielen geben sollte, oder dass das bedingungslose Grundeinkommen für alle so rasch als möglich einzuführen ist.
PS: Das fiktive Datum WXYZ.PQ.HI EF:TU:MN steht für «Warten bis zum Sankt-Nimmerleinstag»! Oder doch nur für die nächsten ein, zwei, drei Minuten?