Weihnachtsbeleuchtung – Bahnhofstrasse Zürich: Die Erinnerung an The World’s Largest Timepiece

Auch wenn die Elemente von „The World’s Largest Timepiece“ noch vorhanden sind, spätestens mit der Inbetriebnahme von “Lucy in the Sky with Diamonds” am 25. November 2010 gehören die Zürcher Bahnhofstrasse und „The World’s Largest Timepiece“ nicht mehr zusammen. Dieser Beitrag – entstanden seit November 2005 – enthält meine Erinnerungen an diese moderne Interpretation eine Weihnachtsbeleuchtung.

Bilder und Kommentare zur Weihnachtsbeleuchtung „The World’s Largest Timepiece“ in der Zürcher Bahnhofstrasse – und zum Nachfolgemodell Lucy

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Vor-Weihnachts-Zeit – eine immer grössere Bedeutung haben in dieser Zeit Weihnachtsbeleuchtungen. Zum Beispiel an der Zürcher Bahnhofstrasse. Seit 2005 ganz neu: 275 Leuchtstangen mit insgesamt rund 240’000 LED-Lichtpunkten hängen über der etwa 1.1 km langen Bahnhofstrasse, an 11 km Stahlseilen – und lösen den 1971 in Betrieb genommenen Lichterbaldachin mit 20’000 Glühlämpchen ab. Die obenstehenden Bilder vermögen nur einen schwachen Eindruck zu vermitteln.

Hat dieser alte Licherbaldachin einen künstlichen Himmel mit den als Sterne wirkenden 20’000 Lichtpunkten über der Bahnhofstrasse aufgespannt, so betont das Licht-Kunstwerk der Architekten Gramazio & Kohler vor allem die lineare Ausrichtung der Strasse: die Gebäudefassaden, die Trottoirs, die Baumreihen, die VBZ-Fahrleitungen und -Geleise betonen den Strassencharakter – die an einem Stahlseil aufgehängten Leuchtkörper nehmen dieses formale Element auf; die senkrechten Rohre verstärken als weiteres lineares Element die Höhenwirkung der Bahnhofstrasse (und weil die Grundhelligkeit der Bahnhofstrasse zu hoch ist, gelingt es allerdings nicht, eine Öffnung für den Blick in den Nacht- und Sternenhimmel zu schaffen). Die Breitenwirkung der Bahnhofstrasse ist an diesem Gebilde nicht ablesbar.

Das Leuchtstangen-Band konzentriert die Lichtwirkung; die Leuchtstangen wirken sehr hell, was als „kaltes Licht“ wahrgenommen wird. Auch wenn beim Baldachin einzelne Glühlämpchen ausgefallen sind, blieb die Gesamtwirkung erhalten. Wenn am „Timepiece“ wie bereits kurz nach Einweihung einzelne Leuchtelemente ausfallen, fällt dies auf. Während bei der „alten“ Weihnachtsbeleuchtung bereits ein sanfter Wind für einen bewegten Lichterhimmel sorgte, braucht das neue Lichterband der Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse eine aktive Ansteuerung. Konventionelle und einfache Technologie wird durch Hitech-Prototypen ersetzt. Während der Lichterbaldachin weit oberhalb der „Normalinstallationen“ am Bahnhofstrassen-Himmel pendelte, hängen die neuen Leuchtstangen auf der Höhe der (derzeit nicht eingeschalteten) Normalbeleuchtung, was die Wirkung vermindert.

„The World’s Largest Timepiece“ ist also in sehr vielen Punkten das genaue Gegenteil der bisherigen Weihnachtsbeleuchtung 1971 bis 2004 – auf jeden Fall hat es die Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse geschafft, für Gesprächsstoff zu sorgen.Ist dies nun eine Weihnachtsbeleuchtung? Ja: es ist eine Beleuchtung, die von der Vor-Weihnachtszeit bis nach Neujahr in Betrieb ist. Nein: sie entspricht nicht dem klassischen Bild einer Weihnachtsbeleuchtung mit vielen kleinen, milden Leuchtpunkten. Die Beleuchtung hat eher den Charakter einer Disco-Einrichtung.

Wie steht das Leuchtstangen-Band im Verhältnis zu Weihnacht und Kommerz? Weil das „Timepiece“ so gar nicht nach Weihnachtsbeleuchtung aussieht, distanziert sich das „Timepiece“ von den klassischen Weihnachtsbeleuchtungen. Weil die grellen und grossen Leuchtstangen den schreierischen und aggressiven Charakter des aktuellen Marketingstils übernehmen, passt diese Form der Weihnachtsbeleuchtung in die Bahnhofstrasse – zu Weihnacht und Kommerz bleibt die neue Weihnachtsbeleuchtung also ambivalent.

Auffallend ist, dass es die neue, sehr helle Beleuchtung schwer hat, sich gegen die schon fast als Lichtorgien zu bezeichnenden Installationen in den Ladengeschäften durchzusetzen. Auch hier gilt: weniger ist mehr! Es ist zu hoffen, dass LadeninhaberInnen und Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse aktiv werden, um die überbordende Lichtflut zu vermindern, einerseits, um die Wirkung von „The World’s Largest Timepiece“ zu verstärken, andererseits auch zur Verminderung der übermässigen Stromverschleuderung und des Lichtsmogs. Die neue Weihnachtsbeleuchtung macht es vor: 80 Prozent Strom kann gegenüber dem alten Lichterbaldachin gespart werden! Die Geschäfte an der Bahnhofstrasse sind gefordert, gleiches auch bei der Ladenbeleuchtung umzusetzen.

Mein persönliches Fazit: Zwar handelt es sich um eine beachtliche Hitech-Lösung mit interessanten gestalterischen (und energetischen) Detailaspekten. Unter dem Aspekt „Weihnachtsbeleuchtung“ vermag mich dieses künstlerische Werk aber nicht zu überzeugen.


Nachtrag 1.12.2005: Wie vom Tages-Anzeiger und der Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse vorgeschlagen, habe ich versucht, mich eine ganze Woche an die neue „Weihnachtsbeleuchtung“ zu gewöhnen. Es geht mir allerdings noch wie vor einer Woche: technisch ist das Kunstwerk durchaus gelungen, als „Weihnachtsbeleuchtung“ taugt das Ding eher weniger – besonders auch im Kontrast mit dem, was sonst in der Bahnhofstrasse an Weihnachtsbeleuchtung vorhanden ist. Da besteht dringender Handlungsbedarf. Gewöhnung heisst in diesem Fall Abstumpfung – ein wirklich schlechter Rat!


Nachtrag 3.11.2008: Der Kommerz hat gesiegt: statt die Umgebungsbeleuchtung der Läden zu reduzieren, gibt es einfach eine Modernisierung des alten Baldachins, siehe Tages-Anzeiger vom 3.11.08. «Lucy» heisst das Ding und wurde von Ch. Keller Design, Daniele Marques, Adrian Schiess und Artemide S.p.A. entworfen – die Zustimmung der Kitsch- und Weihnachtsstimmungs-Fraktion der InnenstadtbesucherInnen dürfte zugesichert sein…

Lucy? Lucy! Zum Beispiel das Lied „Lucy in the Sky with Diamonds“ der Beatles aus dem Jahr 1967 – oh wie passend! Da bekanntlich der Mensch emotional ein Steinzeitwesen ist (mit dem Herzen RomantikerIn, mit dem Kopf in der Zukunft), passt zu den emotionalen Weihnachtsbeleuchtungen auch Lucy: ein Vormensch noch aus der Zeit vor der Steinzeit, dessen Skelett 1974 gefunden wurde…

So weit zurück in die Geschichte führt also das Projekt „Lucy“ für die neue Zürcher Weihnachtsbeleuchtung…

Nachtrag aufgrund einer Medienmitteilung der Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse vom 8. Juli 2009:

Frühestens im November 2010 wird Steinzeit-Lucy als Baldachin über der Bahnhofstrasse die Weihnachtsemotionen der Bahnhofstrassenbegehenden bewegen – hier dazu auch die Bestätigung vom 14. November 2009. Oder – nachdem die Namensgeberin des Beatles-Song kürzlich verstorben ist – als Erinnerung an all die schönen Dinge aus der Kindheit, vielleicht längst vergangen…


Erste Fassung November 2005

Ein Gedanke zu „Weihnachtsbeleuchtung – Bahnhofstrasse Zürich: Die Erinnerung an The World’s Largest Timepiece“

  1. Complimenti..!!! Il vostro disegno luminoso a Zürich è meraviglioso. C’è un senso artistico di raffinata spiritualità.
    Saluti, Andrea

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