Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Im Zeitalter der digitalen Fotografie und den einfachen Bildbearbeitungsmöglichkeiten ist wegen der möglichen Bildmanipulationen diese Aussage stark zu relativieren. Immer wieder kommt es vor, dass selbst farbigste Bilder nichtssagend sind – zum Beispiel eine Bilderserie des Tagesanzeigers mit dem Titel „Das Wärme-Leck bei Greenpeace„.
Die Bilderserie zeigt Thermogramme von einigen Bauten auf dem Gebiet der Stadt Zürich. Thermogramme sind Bilder, die Oberflächeneffekte im nicht mit dem Auge sichtbaren Bereich des Farbspektrums abbilden. Solche Thermografieaufnahmen sind somit aus Prinzip manipulierte Bilder. Es ist festzuhalten: es handelt sich nicht um Bilder, sondern um das Protokoll eines optischen Temperatur-Messverfahrens.
Festzuhalten ist: die von Tagesanzeiger gezeigten Bilder sind schlicht unbrauchbar, weil sie den Ansprüchen an das Protokoll eines akzeptierten Messvorgangs nicht entsprechen.
Zu berücksichtigen sind vorerst die physikalischen Eigenheiten des optischen Messverfahrens – nicht alle möglichen Bauteile von Bauten haben gleiche Oberflächeneigenschaften, weder im von Auge sichtbaren noch im unsichtbaren Bereich des Farbspektrums. Gerade Gläser verhalten sich völlig anders als die üblichen mineralischen Oberflächen. Thermografieaufnahmen von Glasfassaden sind Blödsinn. Auch so genannte hinterlüftete Fassaden sollten zweckmässigerweise nicht thermografisch abgebildet werden.
Als absoluter Anfängerfehler bei Thermogrammen gilt, wenn in einer Serie unterschiedliche Temperaturskalen verwendet werden, der exakte Aufnahmezeitpunkt (Datum und Uhrzeit) nicht angegeben wird und eine Minimalangabe zu den meteorologischen Konditionen und den Innenkonditionen je mit Vorgeschichte von mindestens 24 Stundenfehlt.
Thermografieaufnahmen stellen eine Momentaufnahme der Temperaturverteilung einer Oberfläche dar. Sie sind nicht in der Lage, Aussagen zum Energieverbrauch eines Gebäudes zu machen. Der Tagesanzeiger-Artikel weist darauf hin, siehe das längere Zitat aus dem Artikel: Hier zeigt sich in besonderem Masse, dass die Thermoaufnahmen allein noch keine Aussagen zur Isolierung eines Gebäudes zulassen. «Man kann nicht einfach ein Foto schiessen und sagen, die hellen Stellen darauf bedeuten, dass dort Wärme verloren geht», erklärt Schönbach. Vieles müsse miteinberechnet werden: Einerseits können Gebäude Wärme abstrahlen, die durch die Sonneneinstrahlung über den Tag hindurch gespeichert wurde. Andererseits müssen Wärmeabstrahlungen umliegender Gebäude oder Spiegelungen beispielsweise des Himmels miteinbezogen werden. In der Konsequenz: sämtliche Aussagen, die aus diesen Aussagen zum Energieverbrauch von Gebäuden abgeleitet werden, sind null und nichtig!
Thermogramme sind ausschliesslich als Qualitätssicherungsinstrument geeignet, nämlich zur Erkennung von schlecht ausgeführten oder thermisch durchlässigen Konstruktionsdetails – das Bild des Obergerichtsneubaus illustriert dies treffend – aber auch, dass solche Ausnahmen ausschliesslich durch Fachleute zu interpretieren sind.
Taugen Thermogramme dazu, „Fehlverhalten“ von Greenpeace-Mitarbeitenden zu orten? Nein, definitiv nicht! Auch hier wieder: es fehlen Angaben zum Aufnahmezeitpunkt. Es fehlt eine Normalaufnahme, die zeigt, wie das Gebäude zum Aufnahmezeitpunkt ausgesehen hat. Es fehlt eine Stellungnahme von Greenpeace, die die Hintergründe des offenen Fensters aufzeigt. Ich weiss nicht, ob das betroffene Gebäude Greenpeace gehört. Selbst die offensichtlichen Wärmelecks können in einer nachhaltigen Gebäudebewirtschaftung nicht von morgen auf heute als Sofortmassnahme behoben werden, sondern sind in eine Langfriststrategie einzuordnen (dazu gehört auch das „Austragen“ von Gebäuden, also eine Nutzung bis zum Rückbau für einen zeitgemässen Ersatzneubau).
Massgeblich für die Beurteilung der energetischen Qualität eines Gebäudes ist ein auch farbiges Bild: der Gebäudeenergieausweis, z.B. als GEAK (Gebäudeausweis der Kantone). Festzuhalten ist, dass „historische“ Bauten bei gleicher Nutzung aus energetischer Sicht immer deutlich schlechter abschneiden als nach dem Minergie-Standard erstellte oder erneuerte Gebäude. Der Schlüssel ist hier übrigens der Begriff „bei gleicher Nutzung“: die vermeintlichen Energie-Vorteile historischer Bauten sind häufig auf nur temporäre Nutzung, deutlich schlechteren thermischen Komfort und andere Aspekte zurückzuführen – dazu gehört oft leider auch „Überkomfort“ in neuen Bauten.
Minergie ist ein Label auf Projektstufe. Es ist immer wieder festzustellen, dass auch verschiedenen Gründen – von Ausführungsmängeln (die es auch bei Nicht-Minergie-Bauten gibt) bis zu thermischem Überkomfort – der Energieverbrauch höher ist als gemäss den theoretischen Berechnungen vorgesehen war – das gilt aber ebenso für Bauten, die nicht nach Minergie erstellt wurden. Die Detailanalysen zeigen: der Energieverbrauch von Minergie-Gebäuden liegt im Mittel unter jenem von Gebäuden, die nach den geltenden Vorschriften erstellt wurden – und nur diese Wirkung ist energiepolitisch relevant (es ist bekannt, dass der Tagesanzeiger Minergie-Bashing betreibt)! Dies heisst aber auch: auch ein Minergie-Gebäude muss sorgfältig in Betrieb genommen und dauernd im Betrieb energetisch optimiert werden. Es führt schlicht nichts daran vorbei, die Wärmedämmung von Aussenbauteilen massiv zu verbessern!