Mit dem reisserischen Titel KLIMASCHUTZ FÜHRT ZU MASSIV HÖHEREN MIETEN wird in der Sonntagszeitung vom 24.2.08 Stimmung gemacht gegen den Klimaschutz – obwohl die Mieten zukünftig nahezu ausschliesslich wegen der bis jetzt massiv ungenügenden Erneuerungsaktivitäten steigen werden.
Zuerst ein kleiner Abstecher zur „paritätischen Lebensdauertabelle HEV Schweiz / MieterInnenverband„. Hier sind die technischen Lebensdauern von verschiedenen baulichen Massnahmen aufgeführt. Da heisst es beispielsweise:
- Badezimmermodernisierung (gesamthaft): 30 Jahre
- Küchenmodernisierung, gesamthaft
- bei hoher Qualität: 25 Jahre
- bei tiefer Qualität: 20 Jahre
- Verputz
- Kunststoffverputze Fassade (auf Mauerwerk): 25 Jahre
- Mineralische Fassadenputze (auf Mauerwerk): 40 Jahre
Eine Lebensdauer von 40 Jahren eines Mineralputzes bedeutet, dass jedes Jahr 2.5 % aller Mineralputze erneuert werden müssten, liegt die Lebensdauer bei 20 Jahren, wären in 5 % des Bestandes Massnahmen erforderlich.
Erneuerungsquoten sind recht gut untersucht. So wurde beispielsweise durch das Bundesamt für Wohnungswesen die Studie „Die Renovation der Miet- und Eigentümerwohnungen in der Schweiz 2001 – 2003“ in Auftrag gegeben.
Für Küchen beträgt demnach die jährliche Renovierungsquote 1.5 % (erforderlich wären 4 bis 5 %, je nach Qualität der Küche). Bei Bädern beträgt die Renovierungsquote 1.6 %, dabei wären etwa 3.3 % erforderlich. Jährlich werden nur 0.8% der Fassaden erneuert, obwohl es 2.5 bis etwa 4 Prozent sein sollten.
Wenn die Lebensdauer von Bauteilen nicht beachtet wird, erfolgt ein Substanzverzehr – es werden Werte vernichtet. Die Erneuerung eines übernutzten Bauteils ist zudem wesentlich aufwendiger und kann weitere Massnahmen an anderen Bauteilen erfordern.
Energetische Massnahmen im Sinne des Klimaschutzes können nur aufbauend auf einer umfassenden Erneuerung eines Gebäudes ergriffen werden. Dies lässt sich am Beispiel von Fenstern zeigen.
Fenster, die heute ersetzt werden, sind in der Regel Doppelverglasungen (zwei zusammengeschraubte Fensterflügel) oder Isolierverglasungen (Zwei Scheiben, am Rand in der Regel durch einen Verbundsteg zusammengehalten). Solche Fenster weisen einen U-Wert von etwa 3 W/(m2K) auf. Werden solche Fenster ersetzt, ist im Kanton Zürich aufgrund der kantonalen Wärmedämmvorschriften 2009 ein maximaler U-Wert von 1.5 W/(m2K) zulässig. Beim Minergie-Modul Fenster muss der U-Wert unter 1 W/(m2K) liegen.
Da ja im Gebäude bereits Fenster eingebaut waren, ist ein Teil der Ersatzkosten unter dem Titel „Werterhaltung“ zu verbuchen – bei Mietobjekten enthält der Mietzins einen Anteil für die Werterhaltung, damit der oder die VermieterIn laufend den ursprünglichen gebrauchsfähigen Zustand sicherstellen kann.
Die verbesserte Wärmedämmung (verbunden mit der erhöhten Luftdichtigkeit) stellt einen eindeutigen Mehrwert dar. In einer Broschüre zum Anteil wertvermehrender Investitionen hält der Schweizerische Mieterverband fest, dass dieser Mehrwert beim gesetzeskonformen Fenster 20 und beim Minergie-Modul 25 % der investierten Kosten beträgt.
Hier ist eine weitere Nebenbemerkung erforderlich. Die Kantone sind in der Schweiz zuständig für die Wärmedämmvorschriften. Allerdings sind die Vorschriften nicht auf die Erfordernisse des Klimaschutzes ausgerichtet; die Festsetzung der Grenzwerte erfolgt vielmehr aus polit-opportunistischen Gründen: nicht die bestverfügbaren Techniken sind Richtschnur für die Vorschriften, sondern mit den Vorschriften sollen die schlimmsten Fehler verhindert werden.
Erst durch diese Differenz zwischen Erfordernissen und gesetzlichen Vorgaben entsteht der Bedarf nach finanziellen Beiträgen – nach anerkannten ordnungspolitischen Grundsätzen darf nämlich nur subventioniert werden, was nicht gesetzlich vorgeschrieben ist! Wenn nun der Mehrwert eines Minergie-Fensters gegenüber einem „gesetzeskonformen“ Fenster nur 5 % beträgt, sind die Hebelwirkungen von finanziellen Beiträgen sehr bescheiden.
Dies zeigt sich auch daran, dass der Energieeffizienz-Aktionsplan des Bundes bei aktuell jährlich 40 Milliarden Franken Hochbauinvestitionen 200 Millionen Franken Förderbeiträge für Klimaschutzmassnahmen vorsieht. Mit diesen 0.5 % zeigt sich einerseits, dass Klimaschutz-Massnahmen nur zu einem geringen Anteil für die Steigerung der Mieten herangezogen werden können. Andererseits ist eine ausreichende Werterhaltung und Wertvermehrung an den Bauten eine zwingende Voraussetzung, um die Klimaschutzziele erreichen zu können.
Auch hier gilt: die heutigen Wohnkosten sind nicht wahre Kosten, weil an vielen Orten Substanzverzehr betrieben wird. Werden diese „lügenden“ Wohnkosten durch nachhaltige und kostenwahre Preise ersetzt („preiswert“ statt „billig“), so wird ersichtlich, dass zwar Wohnen teurer ist als heute angenommen wird, dass aber die Mehrkosten für zukunftsführendes klimaschutz-gerechtes Wohnen relativ bescheiden sind!
Aus 2kwblog.umweltnetz.ch